Von Sex und der eigenen Stimme

Wie schon im letzten Kapitel angekündigt, ist Sex ein viel zu wichtiges Thema, als dass ich mit 1701 Worten alles dazu gesagt hätte. Mir sind nämlich im Nachhinein noch einige Dinge eingefallen und auch eure Kommentare haben mich auf ein paar Punkte aufmerksam gemacht, die ich vorher nicht im Kopf hatte. Freut euch also auf eine nächste Runde #realtalk.

Was ich bisher nämlich noch gar nicht angesprochen habe: Verhütung. Logischerweise sehr wichtig, wenn man nicht gerade in der Stimmung ist, Mama zu werden. Daher kann ich absolut nicht verstehen, wieso viele Jungs, aber auch einige Mädels, damit so gelassen umgehen und dann ganz überrascht sind, dass es mit Rausziehen wohl doch nicht so geklappt hat. Für mich war das gar keine Frage; ich fragte mich eher, wie ich verhüten möchte.

Sicherlich kennen es viele, dass als einzig sinnvolles Verhütungsmittel sofort die Pille zur Sprache kommt. Ich hatte mich mit dem Thema auch schon beschäftigt, bevor ich meinen Freund kennengelernt habe und das Ganze somit nicht mehr nur rein theoretischer Natur war, und dabei vieles herausgefunden, das mich nicht gerade dazu ermutigt hat, die Pille nehmen zu wollen. Für meine Freundinnen war das keine große Sache, für meine Frauenärztin auch nicht, und genau darauf möchte ich zu sprechen kommen. Diese Erwartung, man müsse die Pille nehmen. Die zwei Mädels, von denen ich im letzten Kapitel schon ein wenig erzählt habe, meinten, ich hätte einfach zu viel recherchiert und würde mir unnötig Gedanken machen, bei ihnen funktioniere alles prima. Die eine hat zwar etwas größere Brüste bekommen und die andere etwas kleinere (also haben sie sich im Schnitt wieder ausgeglichen), aber ansonsten hatten sie keine Beschwerden. Und auch sonst habe ich in meinem Umfeld niemanden gefunden, der die Pille nicht empfohlen hat. Bis auf eine Mitschülerin.

Diese eine hat mir erzählt, dass sie sich durch die Einnahme der Pille ständig Gedanken um die von außen zugeführten Hormone in ihrem Körper gemacht hat, sodass sie mit der Zeit sich selbst fremd geworden ist, sich eklig gefühlt und die Pille daher abgesetzt hat, zum Unverständnis ihrer Eltern. Ich fand diese Erfahrung etwas schräg, war mir ziemlich sicher, dass es mir nicht so gehen würde, und habe mich am Ende der Einfachheit und Schnelligkeit halber gegen mein Bauchgefühl und für die Pille entschieden. Sieben Monate später habe ich sie wieder abgesetzt. Hat sich also richtig gelohnt.

Was ich damit sagen will: Informiert euch gründlich, hört auf euer Bauchgefühl, geht zu einem zweiten oder dritten Frauenarzt, wenn euch euer eigener nicht andere Antworten als „Pille!!!“ auf die Frage nach verschiedenen Verhütungsmitteln gibt. Die Pille ist keinesfalls schlecht, zumindest nicht für jeden. Viele Mädels vertragen sie sehr gut, aber es gibt auch genauso viele, die das nicht tun. Nur dass man die nicht immer auf Anhieb findet. Jeder muss für sich entscheiden, was er möchte und was nicht, und obwohl die Pille meinem Gemütszustand und mir selbst einfach nicht gut getan hat, so war sie doch am einfachsten und unkompliziertesten. Besonders in der Anfangszeit einer Beziehung vielleicht nicht verkehrt, zumindest kann ich es hinsichtlich des Sex nicht bereuen, nur bei meinem Körper müsste ich mich für den Stress und das Durcheinander, das ich ihm zugefügt habe, entschuldigen.

Noch ein wichtig, wichtiger Punkt hierbei: Lasst euch von niemandem drängen! Nicht von eurem Freund, eurem Arzt oder eurer Familie. Ich würde nie etwas einnehmen oder mir einsetzen lassen, nur weil mein Freund das will. Immerhin ist es mein Körper, der das alles abkriegt. Und genauso würde ich mich niemals von jemandem drängen lassen, überhaupt keine Verhütungsmittel zu verwenden. Natürlich verstehe ich den Moment; man ist voll bei der Sache, die Welt steht still, man will sich nur noch die Klamotten vom Leib reißen und schwupps, ist er drin. Ohne Vorwarnung, ohne Frage nach einem Kondom, was ich besonders bei Personen, mit denen ich womöglich zum ersten Mal Sex habe oder die ich eigentlich gar nicht kenne, ungeheuer wichtig finde. Ein Kondom schützt ja nicht nur vor einer Schwangerschaft, sondern vor allem auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten! Und so was kann wirklich sehr unangenehm werden.

Wie ich letztens aber nicht zum ersten Mal im Internet gelesen habe, tun das viele Mädels nicht. Einspruch einlegen, meine ich. Er fragt nicht, man selbst will den Moment nicht peinlich machen und extra unterbrechen, er ist drin, dann will man erst recht nicht unterbrechen und wenn's vorbei ist, fühlt man sich dreckig und benutzt, aber kann es auch nicht mehr ändern.

Ich möchte hier jetzt wirklich an jedes einzelne Mädchen und auch gerne an jeden einzelnen Jungen da draußen appellieren, in einem solchen Moment STOPP zu sagen. Ihr könnt mit eurer Stimme unglaublich viel beeinflussen, aber auch nur, wenn ihr sie erhebt. Bitte, bitte, traut euch und gebt Widerworte, sobald ihr etwas nicht wollt. Das ist so viel besser, als im Nachhinein in Selbsthass zu zerfallen, weil man in der Situation den Mund nicht aufgemacht hat. Und das jetzt nicht nur bezogen auf Sex, sondern auf einfach alles! Mich macht es regelrecht wütend, wenn mir Freundinnen von etwas erzählen, das sie gestört hat, ich sie dann frage, ob sie das denn angesprochen haben, und sie dann verneinen. Da kriege ich ganz ehrlich die Krise und kann auch leider schlecht Verständnis zeigen. Schließlich sollt ihr den Augenblick, in dem ihr jemandem so nah wie nur möglich kommt, genießen können und nicht hundert andere Gedanken, Fragen und Sorgen zeitgleich im Kopf herumschwirren haben.

Noch etwas, worauf ich in den Kommentaren aufmerksam gemacht wurde und was ich auf jeden Fall noch aufgreifen möchte, sind die Erwartungen, die an das jeweilige Geschlecht gestellt werden. Kräftiger, sportlicher Mann, der oben liegt, der die Frau nach allen Regeln der Kunst befriedigen und ja nur lange durchhalten soll, und die kurvige, erotische Frau, die immerzu gut aussehen, unten liegen und stöhnen soll. Wer welchen Part hat, wird uns schon früh in Filmen, Büchern, Zeitschriften usw. gezeigt.

Ich zumindest habe nicht oft im Film eine Frau oben liegen sehen (hat das eigentlich was mit Feminismus zu tun? Oben liegen?). Oder eine Frau gesehen, die keine schönen Brüste hat. Bin ich echt die einzige, die sich fragt, wieso da immer alles perfekt steht, nix hängt oder wackelt und die so symmetrisch aussehen? Das gibt einem doch direkt Komplexe. Genauso wie der Anspruch an den Mann, nach der ersten Runde gleich noch eine zweite oder dritte hinlegen zu müssen, weil auch die Leute in Filmen meist mehrmals hintereinander Sex haben. Mag sein, dass das möglich ist, aber bei den meisten Männern, die ich kenne, ist spätestens nach dem zweiten Mal Schluss. Spätestens. Und ja, dafür habe ich wirklich Erfahrungswerte von Freunden und Freundinnen zusammengetragen, das ist also zumindest ein realer Schnitt meiner Altersklasse.

Wie es den Männern im Allgemeinen damit geht, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber für meinen Freund war das vor allem am Anfang ein klarer Fall von Versagen und Unzufriedenheit mit sich selbst. Und ich frage mich nur: Wieso gibt es selbst bei der intimsten Sache überhaupt, einem Moment, der entsteht, wenn zwei Menschen beschließen, einander so nahe wie nur irgendwie möglich zu kommen, so etwas wie Leistungsdruck?

Manche Dinge werde ich wohl nie verstehen. Manchmal denke ich, wir können nur unser Bestes geben, es bei uns selbst anders zu machen. Unser Leben anders zu leben, als es uns versucht wird beizubringen. Und unsere eigenen Werte, nicht die der Gesellschaft, dann irgendwann an unsere Kinder weiterzugeben. Ihr solltet ja jetzt wissen, worauf ihr achten müsst, damit ihr bis dahin (hoffentlich) noch ein Weilchen Zeit habt.

°°

PS: Rein aus Interesse, hat jemand von euch schon mal Periodenunterwäsche ausprobiert und kann ein paar Erfahrungen mit mir teilen? Lohnt sich so ein Schlüppi? Instagram zeigt mir die ganze Zeit Werbung dafür an und so langsam haben sie mich wohl am Haken.

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