Von ganz viel Musik und vergessenen Vorlieben

Ich habe heute meine letzte Klausur hinter mich gebracht und befinde mich soeben im Himmel. Ist echt schön hier, so auf Wolken umherzuschweben und sich die Welt einmal von oben anzusehen. Jetzt habe ich endlich wieder mehr Zeit zum Schreiben, auch wenn es mir momentan irgendwie noch an Inspiration mangelt. Daher wird dieses Kapitel auch einfach nur ein Drauflos-Schreiben werden, um mein kreatives Ich zwischen den Zeilen wiederzufinden.

Schreibblockaden sind schon eine miese Sache, wobei ich gestehen muss, dass ich nicht allzu oft welche habe. Da ich mir selten Gedanken darüber mache, worüber das nächste Kapitel gehen soll, bin ich relativ offen und kann über alles schreiben, was mir so in den Sinn kommt. Mein viel größeres Problem ist die Motivation.

Ich liebe das Schreiben und es tut mir auch unglaublich gut. Es hilft mir, mein Leben zu ordnen und etwas Struktur in meine Gedanken zu bringen, aber besonders nach einer stressigen Schulwoche bin ich so fertig mit den Nerven, dass ich einfach keine Lust mehr auf Wörter und Buchstaben, geschweige denn auf Denken habe. Auf Denken habe ich nicht einmal Lust während der Klausurenphase gehabt, da habe ich so ungefähr alles Mögliche erledigt, außer zu lernen. Es gibt wahnsinnig viele Dinge, die ich ewig nicht mehr getan habe, und die habe ich nun alle wieder in mein Leben zurückberufen.

Angefangen mit der Musik. Damit meine ich nicht das Hören von Musik, das tun wir vermutlich alle tagtäglich. Nein, ich meine das Musizieren. Ich habe mehr als mein halbes Leben lang Musik gemacht und vor zwei Jahren damit aufgehört. Die Freude und die Motivation gingen irgendwann einfach flöten, selbst dann, als ich die Querflöte gegen ein Saxophon getauscht habe. Da hat's dann nicht mehr geflötet, aber trotzdem nicht gereicht, um mich zum Üben zu motivieren. Und ohne Üben macht auch Unterricht keinen Sinn.

Natürlich sagt man sich immer, man spielt für sich selbst privat weiter, aber das verlangt dann doch mehr Durchhaltevermögen, als man ursprünglich geglaubt hat. Ich hatte ja keinen Anlass mehr, für irgendetwas zu üben. So sind meine Instrumente langsam in der Ecke verstaubt, obwohl mir das Musizieren immer Spaß gemacht hat und ich auch ein gutes Gespür für Rhythmen, Melodien und Töne habe. Letzte Woche habe ich sie dann endlich wieder ausgepackt, zuerst die Querflöte, dann das Saxophon, und es war wunderschön.

Es gibt kein Wort dafür, das beschreiben kann, wie ich mich gefühlt habe. Meine Intonation war vollkommen im Arsch, aber allein dieses Gefühl des Instrumentes in meiner Hand, diese Vertrautheit – das war wie nach Hause kommen. Und es ist unglaublich, wie sehr bestimmte Stücke und Melodien einem auch über einen längeren Zeitraum hinweg im Gedächtnis bleiben. Bei der Querflöte ist es mir wesentlich leichter gefallen als bei meinem Saxophon, mich wieder hineinzufinden, weil ich nicht so lange Saxophonunterricht gehabt und mich da auch nie auf einem so hohen Niveau bewegt habe. Teilweise habe ich mich echt gefragt, wie ich jemals solche Stücke auf der Querflöte spielen konnte und dabei auch wirklich alle Töne getroffen habe. Mir war nie bewusst, wie gut ich eigentlich gewesen bin, und an manchen Tagen bereue ich es sehr, mit dem Querflötenunterricht aufgehört zu haben. Wer weiß, wo ich heute stehen würde, wenn ich weitergemacht hätte.

Jedenfalls habe ich in diesem Moment meine musikalische Ader und Begeisterung wiedergefunden und mich direkt zum nächsten Instrument gehangelt. Nach kurzem Herumgeklimpere auf dem Klavier meines Bruders habe ich schließlich die alte Gitarre meines Vaters in der Ecke gesehen – ursprünglich wollte ich bereits vor einem Jahr damit anfangen, mir Gitarrespielen selbst beizubringen. Aber wie das eben so ist mit der Motivation, die ist immer schnell wieder weg. Besonders wenn man bereits Vorkenntnisse in der Musik hat und dann mit einem Instrument noch einmal komplett auf Null startet, ist das immer so eine Sache. Das habe ich bereits bei meinem Wechsel von Querflöte zu Saxophon bemerkt und Gitarre ist natürlich noch einmal ein ganz anderes Genre. Da ich eine absolute Niete im Singen bin, hat es mich immer zu den Blasinstrumenten gezogen. Bei denen habe ich etwas im Mund und kann somit gar nicht genötigt werden, mitzusingen. Absolut geniale Taktik.

Trotzdem habe ich mich jetzt ernsthaft mit dem Gitarrelernen auseinandergesetzt und es klappt sogar erstaunlich gut. Ich kann bis jetzt drei Akkorde spielen (eigentlich waren es acht, die ich mir beigebracht habe, aber ich vergesse die so schnell wieder) und ich muss mich rückblickend bei allen Gitarrenspielern entschuldigen, die ich bei meinen Vorspielen nicht ernst genommen habe. So leicht, wie es aussieht, ist der Spaß dann doch nicht. Oder ich bin eben einfach talentierter im Blasen als im Zupfen. Was ein verstörender Satz.

Was man nicht alles tut, um nicht lernen zu müssen, hach. Ebenfalls habe ich angefangen, Gebärdensprache zu lernen, weil ich ja zur Zeit noch nicht genug Neues lerne. Dazu wird aber demnächst auch noch ein eigenes Kapitel kommen. Ich bin schon immer ein totaler Sprachenliebhaber gewesen, bis auf Englisch und Asiatisch haben es mir alle Sprachen angetan, und Gebärdensprache ist sowieso eine Nummer für sich. Trotzdem macht es mir unglaublich viel Spaß, das zu lernen.

Und um noch etwas Spannendes aus meinem Leben zu erzählen: Ich war vor zwei Wochen endlich mal wieder in der Bücherei, bestimmt auch zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder, und es war wundervollunglaublichwunderschön. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich es liebe, Bücher außerhalb der Schulzeit zu lesen, und wie sehr ich Büchereien an sich liebe. Meine Mutter musste mich wirklich bremsen und einige meiner gewählten Bücher wieder aussortieren, weil meine Tasche, die ich extra mitgenommen habe, dann doch noch nicht groß genug gewesen ist. Auch in dieser Beschäftigung habe ich ein Stück von mir selbst und meiner Kindheit wiedergefunden.

Es hat mich erschreckt, wie vieles davon ich vergessen habe. Wie vieles mir früher Spaß gemacht hat und wie vieles davon ich nicht mehr tue, verdrängt habe, in irgendeiner Ecke liegengelassen habe. Das tat mir echt weh, aber ich befinde mich momentan auf meinem Trip, all' diese verlorenen Vorlieben von mir wieder einzusammeln – und das wiederum macht verdammt viel Spaß. Zudem hilft es, mich von Dingen und Gedanken abzulenken, die mir nicht gut tun, und mich somit nicht so sehr auf das zu konzentrieren, was mich stört, sondern den Blick mehr auf das zu werfen, was mich glücklich macht. Auch verbanne ich auf diese Weise das Smartphone wieder etwas mehr aus meiner Welt, weil mir besonders in der letzten Zeit aufgefallen ist, wie viele Stunden ich doch damit verbringe und vergeude, obwohl ich das gar nicht möchte. Dem wirke ich mit den guten, alten Hobbys entgegen, und soll ich Dir etwas sagen? Ich fühle mich super damit.

Hast Du auch Kindheitserinnerungen, die verschüttet wurden von dem ganzen Stress, dem Älterwerden, den Erfahrungen? Dinge, die Du früher geliebt hast und heute nicht mehr tust, aus welchen Gründen auch immer? Wäre es nicht ein schöne Sache, diese glücklichen Momente wieder einzufangen und auch in das Hier und Jetzt mit einzubeziehen? Das sind doch alles Erinnerungen, die uns ausmachen und uns zu dem Menschen gemacht haben, der wir heute sind.

Vielleicht sollten wir alle öfter das Kind in uns wecken. Uns die Dinge ins Gedächtnis rufen, die uns begeistern, die uns Spaß machen. Nur weil wir älter werden, müssen wir uns trotzdem nicht von diesen Dingen lösen. Sie gehören zu uns und haben uns durch unsere ersten Lebens- und Entwicklungsjahre begleitet. Es wäre doch unglaublich schade, sie einfach so zurückzulassen und zu vergessen, findest Du nicht?

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