Von den letzten Wochen und schrägen Gedanken I

Ich war ziemlich lange weg, ich weiß. Meine Motivation hat mit mir Verstecken gespielt und ich war noch nie besonders gut in diesem Spiel - es geht mir einfach nur auf die Nerven und ich verstehe nicht, wieso alle Kinder es lieben.

Da wir hier alle so ehrlich miteinander sind: Ich hatte durchaus Momente, in denen mir so viele gute Einleitungen für Kapitel eingefallen sind, aber die Motivation hat nie gereicht, um mich vor den PC zu hocken. Dann kam die Kreuzfahrt, meine Fahrt nach Berlin zum ED SHEERAN-Konzert (falls jemand das noch nicht mitbekommen hat, musste ich das nochmal erwähnen) und die kommende Woche bin ich in Rom. Volles Programm also. Um allerdings nicht komplett ins Niemandsland abzudriften, habe ich beschlossen, alle Gedanken, die mir die letzten Wochen so gekommen sind, hier einmal kurz aufzuzählen. Natürlich nicht alle, ich denke ziemlich viel, aber so die interessantesten, absurdesten und verstörendsten sind dabei - also mach' Dich auf was gefasst.

1) Das Wunder Mensch oder auch: Der Wundermensch

Ich stand im Badezimmer neben meiner Mutter, wir putzten uns gerade beide die Zähne. Irgendwie ist mir beim Blick in den Spiegel aufgefallen, dass wir mittlerweile fast gleich groß sind. Ich bin vermutlich seit fünf Jahren nicht mehr gewachsen und bei stolzen 1,70m hängengeblieben, aber solange nichts anderes von mir hängengeblieben ist, kann ich damit leben. Spaß beiseite, was ich eigentlich sagen will: Ich sehe schon seit einer Ewigkeit nicht mehr wie ein Kind neben ihr aus und das ist mir just in jenem Moment aufgefallen. Und frag' mich bitte nicht, woher der nächste Gedanke kam, aber mit einem Mal habe ich mich voller Faszination gefragt, wie es sein kann, dass ich einmal in ihrem Bauch gewesen bin. Wie es sein kann, dass ich einmal in ihr gelebt habe.

Klingt auf den ersten Blick etwas schräg, aber wenn man mal alles Sexuelle weglässt, ist es doch echt unglaublich: Das pure, reine Leben entspringt direkt in uns selbst, wenn wir Frauen eines Tages Kinder bekommen - beziehungsweise sind wir selbst, egal ob Junge oder Mädchen, zugleich das wahrhaftige Leben. Wir haben in einem anderen Lebewesen die Möglichkeit bekommen, auch ein Lebewesen zu werden. Mensch zu werden. Jeder von uns ist auf die gleiche Art und Weise geboren und jeder von uns hat die ersten Monate seines Lebens in einem Menschen verbracht. Ist das nicht verdammtunglaublichkrassabgefahren?

Und mittlerweile sind wir womöglich so groß wie unsere Eltern oder größer. Sind teilweise größer als die Person, die uns das Leben geschenkt hat und in der wir gelebt haben. In der unser Herz das erste Mal geschlagen hat. Stell' Dir das einmal vor! Deinen ersten Herzschlag hast Du in dem Bauch Deiner Mutter gemacht. Beziehungsweise Dein Herz hat ihn gemacht, denn wir machen ja auch heute noch keine Herzschläge. Das Herz macht, was es will, aber wie wahnsinnig ist es denn, aus einem anderen Menschen zu kommen? Ich fühle mich gerade genauso, wie ich mich an jenem Morgen gefühlt habe, als ich diesen Gedankengang hatte. Einfach nur überwältigt.

Wenn unser Leben kein wahres Wunder ist, dann weiß ich auch nicht.

2) Der Geruch von Sonne

Auf unserem Kreuzfahrtschiff gab es einen Pool, in dem ich jeden Tag meine Bahnen geschwommen bin. Nun ja, eigentlich gab es mehr als einen Pool, aber ich war immer nur in dem einen, weil er am längsten war, und danach bin ich in den Wirlpool gehüpft. Da wir die Hurtigrutentour gemacht haben, sprich Norwegen inklusive Spitzbergen, war es ab dem dritten Tag nicht mehr sonderlich warm. Acht, neun Grad vielleicht. Aber in den ersten Tagen konnte ich mich nach dem Schwimmen noch auf die herumstehenden Liegen legen (stehende Liegen, wem ist dieses geniale Paradoxon aufgefallen?) und mich von der Sonne trocknen lassen. Und da habe ich wieder den für mich einzigartigen Geruch der Sonne entdeckt. Ich fühle mich immer dann wirklich im Sommer, wenn meine Arme nach Sonnencreme, Pool oder Meer und getrockneten Wassertropfen riechen. Genau so riecht für mich Sonne.

Keine Ahnung, ob Du damit etwas anzufangen weißt, aber kennst Du dieses Gefühl, nach einem langen Freibadtag nach Hause zu kommen? Wenn man sich den ganzen Tag eingecremt hat, direkt danach ins Wasser gehüpft ist und die Sonnencreme somit trotz aller Versprechungen mit ziemlicher Sicherheit nicht wasserfest war, man sich nach dem Schwimmen auf seinem Handtuch in die Sonne gelegt und einfach nur der Natur gelauscht hat? Irgendwann fängt es dann am Körper an zu kribbeln, weil die Sonne einen automatisch abtrocknet, und jegliche Wassertropfen lösen sich in Luft auf. Wenn Du dann einmal an Deiner Haut riechst (wofür sich am besten der Arm eignet, weil alles andere vermutlich doch ein klein wenig merkwürdig aussehen würde), verstehst Du vielleicht, was ich meine. Ich habe erst letztens einer Freundin davon erzählt und sie meinte, sie fände das total eklig und würde daher auch immer noch direkt im Schwimmbad duschen, um Sonnencreme und Chlor sofort abzuwaschen. Womöglich bin ich wohl etwas unhygienischer, weil ich durchaus ganz gern genauso, wie ich nach dem Baden bin, nach Hause gehe. Und wenn ich am nächsten Tag nichts vorhabe, dusche ich auch dann manchmal nicht, weil ich so gut nach Sonne dufte und ich bei diesem Geruch immer ganz glücklich werde. Auch wenn ich mich für alle anderen in diesen Momenten wohl in ein kleines Stinktier verwandle.

3) Herausforderungen machen das Leben interessant

Ebenfalls auf der Kreuzfahrt ist mir aufgefallen, dass ich gern die kleine Rebellin gebe. Nur ab und zu, und an manchen Tagen kostet es mich auch einiges an Überwindung, aber es gefällt mir. Sich einfach mal knallig anzuziehen, wenn alle anderen elegant in Schwarz-weiß gehen. Mit zwei Pullis, Schal, Wollsocken und Birkenstocks sich etwas zu essen zu holen, obwohl das so gar nicht irgendeiner Schiffskleidung entspricht, aber man einfach total durchgefroren vom Kanufahren ist und auch eine heiße Dusche nichts gebracht hat. Für manche mögen das keine großen Sachen sein, aber ich fühle mich bei so etwas immer wie ein Rebell. R wie Rika, der Rebell.

Es hat mir schon immer wahnsinnig viel ausgemacht, was andere über mich denken. Genauer gesagt, was Fremde über mich denken - bei meinen Freunden ist mir das größtenteils egal, weil sie ja meine Freunde sind. Denen ist sowieso nicht mehr zu helfen. Aber ansonsten mache ich es gern jedem recht und mag es schon gar nicht, auf irgendeine Weise aufzufallen. Positives Auffallen gab es für mich lange nicht, weil ich jeden Blick automatisch negativ gewertet habe. Mittlerweile gelingt es mir manchmal, auch etwas anderes in den Blicken zu sehen. Bewunderung, Verwunderung, Interesse, Verwirrung.

Dabei laufe ich nicht mit dem Hauptziel durch die Gegend, andere herauszufordern: Ich fordere in erster Linie mich selbst heraus. Weil ich nämlich jemand bin, der auf Sprüche wie „Du packst doch eh keine zehn Liegestütze" mit „Pass auf, ich zeig' dir zwanzig" reagiert. Wenn ich merke, mir ist etwas peinlich - wie zum Beispiel mit Wollsocken in Birkenstocks durch ein Schiff zu schlendern, auf dem alle anderen in alltäglicher bis eleganter Kleidung herumlaufen - sage ich mir an manchen Tagen „Rika, du ziehst das jetzt durch. Nur um ihre Blicke zu sehen". Tja, und dann ziehe ich es eben durch.

Wegen dieses Mottos bin ich auf dem Schiff in einen Fitnesskurs gegangen, indem nur acht Jungs und ich waren (ich werde beim Sport immer knallrot wie eine Tomate und wusste davor nicht, dass zu diesem Kurs auch gutaussehende Kerle in meinem Alter hingehen würden). Mein Stolz hat es mir allerdings verboten, mich umzudrehen und zu gehen, bevor mich jemand bemerkt hätte. Und nur aufgrund dieses Mottos bin ich auch die restlichen Tagen mehrmals ins Fitnessstudio gegangen, obwohl man dort Sport vor anderen macht und angestarrt wird und ich zuvor nie in einem Fitnessstudio war, also keinen Plan von gar nichts hatte, und ich habe es lieben gelernt. Wäre es nicht so teuer, würde ich sogar mit dem Gedanken spielen, mich in meiner Freizeit in einem anzumelden.

Mein größter Erfolg war wohl, in die Sauna zu gehen, wobei ich zugeben muss, dass ich für dieses Vorhaben zwei Tage brauchte, weil ich es immer wieder verschoben und mich gedrückt habe. Dabei wollte ich echt gern in die Sauna, ich mag die Wärme und wie entspannt man sich danach fühlt, aber mich mit Leuten, die ich womöglich kenne - das Schiff war zwar groß, aber auch nicht so groß, um einigen Menschen nicht immer mal wieder über den Weg zu laufen - in eine Sauna zu setzen, sprengte dann doch ziemlich den Rahmen. Normalerweise bin ich bei meiner Oma in der Sauna oder in einem Schwimmbad, in dem ich keine Person jemals wiedersehe. Aber als dann selbst mein Bruder, dessen soziale Ader bei null liegt und der einhundertmal verklemmter ist als ich, vor mir in der Sauna war, habʼ ich mich zusammengerissen. Noch vor der Sauna habe ich mich so unwohl gefühlt, dass ich am liebsten eine Kehrtwende gemacht hätte, aber ich wusste genau, dass ich es viel mehr im Nachhinein bereuen würde, es nicht getan zu haben, als ich in diesem Moment Angst hatte. Das konnte mein Stolz nicht zulassen, also bin ich in die Sauna gehuscht und, was soll ich anderes sagen, es war toll. Die hatten drei verschiedene Saunen mit Ausblick aufs Meer. Direkt aufs Meer. Dir war mollig warm und Du blickst dazu auf die Unendlichkeit des Ozeans. Einfach nur wunderwunderschön.

Ich habe es keine Sekunde lang bereut, obwohl ich mich in den ersten Minuten durchaus gerne unsichtbar gemacht hätte, aber dann habe ich jedem in der Sauna die telepathische Botschaft gesandt: Ich gucke dir nichts weg und du mir nichts, und von da an lief alles ganz friedlich ab. Und das war nichts im Vergleich zu dem inneren Frieden mit mir selbst, der mich immer überkommt, wenn ich eine meiner Ängste überwunden habe. Genau wegen dieses Gefühls mache ich den Mist mit dem Ängste-überwinden und ich kann Dir nur ans Herz legen, es auch einmal zu versuchen. Es lässt Dich selbst so viel stärker fühlen, es macht Dich zugleich stärker. Du selbst machst Dich stärker und das ist ein tolles Gefühl.

Ich würde gerne mit Punkt 4, 5 und 6 weitermachen, aber mir sind die Worte mal wieder davongelaufen und haben sich dabei auch noch gepaart. Falls irgendjemand Interesse daran hat, noch einige andere Bruchstücke der Gedanken aufzuschnappen, die mich die letzten Wochen bewegt haben, darf er mir gerne hier einen Kommentar hinterlassen und ich führe meine kleine große monströse Erzählrunde dann im nächsten Kapitel fort.

Und für die, die sich noch an meine im ersten Kapitel des Buches erwähnten Tabuthemen erinnern und sich fragen, wann diese endlich angesprochen werden: Keine Sorge, meine Lieben, ich habe das nicht vergessen. Ich konnte mich nur noch nicht entscheiden, mit welchem ich anfangen soll. Die sind alle so vielseitig und interessant und ich war schon immer ein äußerst unentschlossener Mensch. Aber ich spiele morgen eine Runde Enemenemuh und dann darfst Du Dich voraussichtlich Ende dieser Woche auf das erste Thema freuen. Und ich freue mich dann auf Dich und Deine Meinung dazu!

Deine Abschlussfloskel zum Auswählen (je nach Uhrzeit):

-komm' gut durch den Tag!

-hab einen schönen Abend!

-schlaf gut!

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