Vom Schreiben
Ich hatte auf meiner Reise so viele Momente, in denen ich mir dachte: "Komm, darüber schreibst du was!", und letztendlich habe ich mich nie dazu durchringen können, tatsächlich etwas zu schreiben. Nicht weil ich nicht die Zeit dazu gehabt hätte, sondern weil ich es einfach nicht gebraucht habe. Ich habe gemerkt, dass Schreiben etwas war, was mir in Zeiten, in denen es mir nicht gut ging, Halt gegeben hat, aber für das ich aktuell überhaupt keinen Bedarf habe. Und irgendwie macht mich das traurig, so als wäre Schreiben nur wichtig für mich, wenn es mir schlecht geht. Nichts weiter als ein Ablassventil für Gefühle, die man sonst nicht bei sich haben möchte. Nichts mehr als ein Lückenfüller für die richtigen Menschen, die, sobald sie in mein Leben kamen, Schreiben weniger wichtig haben werden lassen (ist dieser Satz überhaupt korrekt?).
Es ist nicht so, dass ich es nicht probiert habe. Gerade die letzte Woche über hatte ich viel Zeit für mich, da ich mich momentan auf einer kleinen Insel mitten im Pazifik befinde und es hier nicht wirklich viel zu erkunden gibt. Also habe ich mich vor mein Tablet gesetzt und versucht, etwas zu schreiben. Und einfach alles war scheiße und hat sich nicht richtig angefühlt. Ich konnte nie das ausdrücken, was ich wirklich gefühlt habe, und das hat mich ziemlich frustriert. Schreiben hat mir zwar immer Spaß gemacht, aber ich habe selten einfach so geschrieben. Meistens, wenn ich etwas Interessantes gehört, gelesen, gesehen, erlebt habe und das irgendetwas in mir angestoßen hat. Wie heute die Konversation mit meiner besten Freundin, was "das wahre Leben" sei. Sie hat nicht lange gedauert, weil meine Freundin kein philosophischer Typ ist und es generell sehr außergewöhnlich war, dass wir überhaupt aufs Thema kamen, aber sie hat mich angeregt, genauer darüber nachzudenken. Und auf einmal wollte ich wieder etwas schreiben, habe wieder diesen Wissensdrang wie früher gefühlt; dieses Gefühl, alles erforschen und durchdenken zu müssen.
Leider kann ich hier nicht alles erforschen und durchdenken, weil ich nur begrenztes Internet habe und ich es aber liebe, zu googeln. Ich habe mal jemanden kennengelernt, sogar hier auf Wattpad, der meinte, er googelt alles. Jeden kleinen Gedanken, den er hat, jede Frage, die er sich stellt. Googeln macht schlauer. Ich habe das damals nicht verstanden, aber mittlerweile bin ich genauso geworden. Ich begnüge mich nicht mit "Ja, ich glaube, das ist das und das". Wenn es jemand nicht weiß, wird gegoogelt. Danach wissen es alle. Vielleicht sollte ich anfangen, Geld für Wissensbereicherung zu nehmen.
Womit ich allerdings aufgehört habe, ist das Teilen auf Wattpad. Das Teilen von Gedanken, Szenarien, Fantasien (nein, keine schmutzigen, was denkt ihr bloß schon wieder), wie die Welt sein könnte / wäre, wenn. In meinem eigenen Leben geht so viel ab, dass ich gar keinen Platz dafür finde, was mir wiederum vor Augen führt, wie viel Zeit ich früher in Wattpad gesteckt habe und was für eine große Rolle es in meinem Leben gespielt hat. Eine zu große vermutlich. Wattpad ist eine schöne App, aber es ist nicht das reale Leben. Was man hier zu sehen bekommt, ist nicht unbedingt das reale Leben. Und manchmal ist es auch schon wieder zu viel Realität, als eine Plattform vertragen sollte.
Pornografische Geschichten, von Suizidgedanken triefende Geschichten, Geschichten, die Tipps zum Abnehmen oder auch Hungern geben, Geschichten, die darüber reden, wie und wo man sich am unauffälligsten ritzt. Wenn du suchst, findest du auf Wattpad alles, und gerade das ist mir in letzter Zeit übel aufgestoßen. Möchte ich Teil einer solchen Plattform sein, die mir diese Titel auch noch empfiehlt? Definitiv nicht. Ich will keine Geschichten von vierzehnjährigen Mädchen lesen, die sich in allen möglichen Variationen von ihren Lehrern, Postboten, Cousins oder besten Freundinnen durch die Gegend ficken lassen. Die Werke über Essstörungen und Depressionen sind keineswegs besser.
Natürlich ist jeder frei, seine Meinung zu sagen und diese literarisch auszuleben, aber es sollte auch an Jugendschutz gedacht werden und daran, wo die Freiheit des einen aufhört und die des nächsten anfängt. Darüber hat Wattpad meiner Meinung nach keine Kontrolle mehr und ähnelt somit mehr Instagram und Facebook, was ich unglaublich traurig finde. Alles Gründe, weshalb ich einige meiner Werke zurückziehen wollte, da besonders "diese angst" und "Du" depressive Leute anzuziehen scheinen und ich keinen Schauplatz für solche Kommentare stellen möchte. Diese zeigen mir nämlich nur, dass meine Werke entweder nicht zu Ende gelesen oder schlichtweg nicht verstanden wurden. Und bei privaten Nachrichten hört es dann endgültig für mich auf.
Ich möchte in Ruhe mein Leben genießen und mir nicht von jedem zweiten Kommentar auf Wattpad anhören müssen, wie scheiße das eigene Leben ist, dass nichts gut ist, nichts das Leben lebenswert macht und so weiter und so weiter. Ich habe wirklich lange versucht, die richtigen Worte für dieses Thema zu finden, aber das geht einfach nicht. Irgendjemandem werde ich mit meinen Formulierungen auf die Füße treten und das tut mir aufrichtig leid, aber ich selbst bin es auch leid, mir jedes nur erdenkliche Gejammer anhören zu müssen. Nur weil ich selbst einmal eine harte Zeit durchgemacht habe, heißt das nicht, dass ich jetzt Verantwortung für jeden habe, der das auch tut, und mit einem Mal zum Seelenklempner mutiert bin. Vermutlich denken die Menschen, die ihre depressiven Gedanken so gerne öffentllich kommentieren, nicht daran, dass sie mit ihren Äußerungen auch unzählige Menschen erreichen (können). Menschen, die mit diesen Themen nichts am Hut haben, Menschen, die glücklich sind und ihr Leben leben wollen, oder Menschen, die gerade versuchen, aus diesem Loch rauszukommen, und durch solche Worte geradewegs wieder zurückgeschleudert werden.
Wenn ich meine selbstzerstörerischen Gedanken in einem Buch raus lassen will, von mir aus. Dann ist es immerhin Eigenverantwortung des Lesers, ob er sich in den Strudel stürzt oder nicht. Auch ich habe bei weitem nicht immer positive Dinge geschrieben, aber ich habe mich niemals bei anderen Autoren in ihren Werken darüber ausgelassen, wie ätzend ich mich selbst finde oder wie beschissen mein Leben ist. Und das ist aktuell mein großes Ding: Dass ich diese Kommentare unfreiwillig zu lesen bekomme. Ich kann nicht das Buch wechseln, weil es mir zu depressiv geworden ist, nein. Ich sehe jedes einzelne Wort in meinen Benachrichtigungen, obwohl ich diese nicht einmal mehr aktiviert habe. Sobald ich auf Wattpad komme, werden mir alle möglichen Gedanken angezeigt, und das waren die letzten Monate hinweg leider selten optimistische oder motivierende.
Was mich nur noch trauriger macht, denn anscheinend hat sich Wattpad in einen Ort verwandelt, wo nur noch über das Schlechte im Leben geschrieben wird. Bis auf Lilienmond, die hält die Fahne noch aufrecht, was mich auch jedes Mal, wenn ich auf ihr Profil komme oder eine Nachricht von ihr sehe, zum Lächeln bringt. Vermutlich gibt es auch noch andere, aber da ich selbst nicht mehr viel auf Wattpad unterwegs bin, bekomme ich nur mit, welche Leute bei mir unterwegs sind, und das scheinen nicht die glücklichsten zu sein. Was mich zu der Überlegung gebracht hat, was diese Menschen denn nur anzieht, denn eigentlich bin ich doch ziemlich optimistisch unterwegs. Und bei der Analyse stach vor allem "diese angst" hervor. Nachdem ich das Werk allerdings selbst noch einmal gelesen habe, konnte ich es einfach nicht zurückziehen. Es stecken so viele Gedanken darin, nicht nur von mir, sondern beinahe von jedem von euch - oder zumindest von denen, die von damals noch da sind. Direkt die erste war beispielsweise von KnownAsTheUnknown, da habe ich mich gleich gefreut, das zu lesen. Insofern werde ich mir wohl weiterhin den depressiven Input geben, wenn auch nicht aktiv, und mir zu depressiv erscheinende Kommentare einfach löschen. "Du" wird eine Überarbeitung erfahren, auch wenn es mich jetzt schon graut, mir mein eigenes Geschreibsel durchzulesen. Für mich ist das, wie wenn man sich seine eigene Sprachnachricht anhört. Einfach unangenehm.
Eigentlich wollte ich dieses Thema gar nicht ansprechen, als ich anfing, diesen Text zu schreiben, aber ich glaube, ich habe es mittlerweile zu oft verschleppt und zu viele Entwürfe davon auf meinem Computer, dass es jetzt endlich mal auf den Tisch musste. Ich weiß, dass es oft zu Diskussionen führt, wenn man auf psychische Krankheiten zu sprechen kommt, und sich gefühlt die Hälfte direkt angesprochen fühlt, aber ich habe niemand Spezifischen im Sinn. Nur einen Haufen Nutzernamen, die mir absolut nichts sagen, die oft keine eigenen Werke haben oder Werke, die genauso sonnig sind wie die Nachrichten, die sie mir hinterlassen. Also könnt ihr alle entspannt weiterleben, ich werde schon nicht vor eurer Haustür aufkreuzen und versuchen, euch mit Hakuna Matata-Gesang zum Eintritt in meine Sekte zu überreden.
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