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Am nächsten Vormittag holt Walid mich um 12 Uhr ab und wir fahren gemeinsam in den Münchner Tierpark Hellabrunn.
Es ist ein schöner Herbsttag, trotz kühler Temperaturen scheint die Sonne und am blauen Himmel finden sich nur vereinzelt kleine Wolken.
Ich trage einen riesigen Schal, einen beigen Kurzmantel und hellbraune Wildlederstiefel zu einer Jeans und einem weißen Feinstrickpullover. Walid trägt ebenfalls eine Jeans, eine dunkelgraue Lederjacke und einen schwarzen Sweater, dazu farblich passende Nikes. Seine kurzen Haare hat er akkurat gestylt und seinen vollen Bart ein wenig gestutzt.
"Du siehst gut aus", sage ich wahrheitsgemäß als wir zum Eingang schlendern. "Du auch", gibt er lächelnd zurück und lässt seinen Blick ausgiebig über meinen Körper gleiten.
Wir kaufen an der Kasse zwei Karten und entscheiden uns dazu zuerst ins Urwaldhaus zu gehen. Es fällt uns beiden schwer ins Gespräch zu finden. Ich weiß nicht so recht, wie ich mich verhalten sollen. Bis zuletzt waren wir immer sehr vertraut und liebevoll miteinander. Jetzt so distanziert zu sein ist ein komisches Gefühl und Walid scheint es ähnlich zu gehen.
Das Schweigen zwischen uns ist unangenehm, weshalb wir uns immer wieder krampfhaft über die Tiere, den Zoo oder andere Oberflächlichkeiten austauschen. Es fühlt sich einfach nicht richtig an mit ihm hier zu sein.
Walid rutscht hin und wieder ein "Schatz" raus, für das er sich beschämt entschuldigt und als er irgendwann reflexartig nach meiner Hand greift, ziehen wir beide unsere Finger zurück als sie sich berühren, als hätten wir uns aneinander verbrannt.
"Sorry", nuschelt er und wendet seinen Blick betreten von mir ab.
"Ich finde es auch komisch", gebe ich zu und lehne mich an den Zaun, der das Giraffengehege begrenzt.
"Hm?", hakt er nach und dreht sich irritiert zu mir. "Na dass wir uns so nah waren und da jetzt eine unüberwindbare Mauer zwischen uns steht", erkläre ich.
Verstehend nickt Walid und seine hellbraunen Augen werden traurig. "Es tut mir wirklich leid was ich getan habe", erklärt er erneut reumütig.
"Ich weiß, ich glaube dir das auch, aber das macht es leider nicht ungeschehen. Weißt du, ich frage mich einfach, wieso es so weit kommen musste?"
"Du fragst dich, wieso es so weit kommen musste? Das weißt du doch ganz genau, oder?", fragt Walid spitz und seine Stimme wird schneidend. Seine Augen fixieren mich mit einem Blick, der mir durch Mark und Bein geht.
"Was hast du denn erwartet wie ich reagiere wenn du Hals über Kopf von unserem gemeinsamen Urlaub abhaust und dich dann mit diesem Bastard triffst?"
Es dauert einen Moment, bis ich begreife wen er damit meint.
"Ich habe mich nicht mit ihm getroffen, Walid. Ich wollte mir Schuhe kaufen und habe ihn zufällig im OEZ getroffen", erkläre ich nun bestimmt schon zum fünften Mal.
Walid lacht abfällig. "Komm scheiß drauf. Ich habe keine Lust das jetzt nochmal durchzukauen", knurrt er genervt.
"Ich gehe mal eben auf die Toilette", teile ich Walid kopfschüttelnd mit und lasse ihn stehen ohne seine Antwort abzuwarten. Ich muss gar nicht, ich will einfach nur der unangenehmen Situation entfliehen.
Ich will nicht, dass das Gespräch wieder auf Maxim kommt und ich Walid direkt ins Gesicht lügen muss. Ich weiß, dass er das nicht verdient hat, aber ich weiß auch nicht, was ich sonst tun soll, nachdem ich bis gestern zwei volle Tage und eine Nacht mit Maxim verbracht habe. Walid die Wahrheit zu sagen ist gerade einfach keine gute Option.
Unser Verhältnis ist zerrüttet und die Differenzen zwischen uns scheinen schier unüberwindbar.
Walid ist nett zu mir, höflich und zuvorkommend, aber ich weiß jetzt, zu was er fähig ist und ich bin mir sicher, dass das noch lange nicht alles war. Sollte er erfahren, dass Maxim und ich uns geküsst haben, wäre seine Reaktion wahrscheinlich noch schlimmer.
Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich mich nur aus Mitleid und schlechtem Gewissen mit Walid getroffen. Eigentlich bin ich mittlerweile überzeugt davon, dass wir keine Zukunft miteinander haben. Nichtsdestotrotz interessiert mich auch immer noch brennend, wie viel Wahrheit in Maxims Worten mit dem Drogenhandel stecken.
Ich würde Walid gerne mit den Anschuldigungen konfrontieren, würde mir aber damit aktuell nur ins eigene Fleisch schneiden, da ich keine Beweise dafür habe. Wenn es stimmt, würde Walid sofort verstehen, dass ich diese Informationen von Maxim habe.
Ich ziehe nachdenklich die Toilettentür hinter mir zu und bin gerade dabei mir im Vorraum die Hände zu waschen als mein Handy vibriert. Schnell trockne ich mir die Finger an einem Papierhandtuch ab und ziehe mein iPhone aus der Jackentasche.
"Ich habe mir vorgenommen dir erstmal nicht zu schreiben, aber es fällt mir schwerer, als ich zugeben will 🙄", blinkt auf meinem Handy auf.
Maxim.
Ich öffne die Nachricht und bemerke, dass er sein Profilbild gewechselt hat. Das Bild zeigt ihn in einer schwarzen Jeans, mit einem beigen Shirt und einer Snapback, unter der sein blondes Haar ein wenig herausschaut. Seine tätowierten muskulösen Arme liegen frei und er schaut nicht direkt in die Kamera, so dass man seine blauen Augen nicht sieht.
"Scheiße, wieso habe ich die Nachricht jetzt geöffnet", fluche ich leise. Maxim wird denken, dass ich ihm nicht antworten will, dabei will ich gerne, aber ich habe Angst, dass er mir später wieder antwortet und Walid das mitbekommt. Ich beiße mir unsicher auf die Unterlippe und raufe mir durch meine blonden langen Haare.
"Ich weiß was du meinst. Mir geht es genau so 😔", antworte ich kurzentschlossen und schalte mein Handy auf lautlos bevor ich es wieder in meine Jackentasche stecke.
Maxim fehlt mir und wenn ich ehrlich bin, wäre ich gerade lieber bei ihm als mit Walid im Zoo.
Gedankenverloren trete ich zurück ins Freie und sehe mich suchend um. Ich entdecke Walid auf einer Bank, wo er ebenfalls an seinem Handy rumspielt. Er wirkt nicht mehr ganz so aufgebracht wie noch vor einigen Minuten, sodass ich mich neben ihn setze.
"Willst du noch was essen gehen?", fragt Walid und steckt sein Handy weg.
"Auf gar keinen Fall!", schreit alles in mir. Ich will nicht mehr länger mit ihm zusammen sein. Ich merke immer mehr, dass das zwischen uns keinen Sinn mehr macht.
"Nein, ehrlich gesagt nicht, ich habe total Kopfschmerzen bekommen", suche ich eine möglichst plausible Ausrede. Walid nickt nur und sieht mich auffordernd an. "Dann komm, ich bringe dich noch nachhause."
Die Fahrt verläuft schweigend und ich will gerade ein Bild von einem der Elefanten in meinen Status setzen, da ploppt eine neue Nachricht auf meinem Display auf. Mein Herz schlägt schneller und mein Mund wird trocken.
Hektisch wische ich die Benachrichtigung weg und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Zu groß ist meine Angst, dass Walid sieht, dass Maxim und ich noch immer Kontakt haben geschweigedenn was wir uns schreiben.
Doch Walid konzentriert sich auf die Straße und den belebten Münchner Feierabendverkehr und hält wenig später vor unserem Haus.
Unsicher schaue ich ihn an. "Danke für die Einladung. War ein schöner Ausflug", sage ich und frage mich im gleichen Atemzug wieso ich so eine Scheiße erzähle.
"Fand ich auch", gibt Walid zurück, doch auch er wirkt nicht glücklich.
Er greift nach meiner Hand und drückt sie kurz. "Mach's gut", sage ich schnell, lächele ihm zu und springe aus dem Auto.
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Meine Lieben,
Was sagt ihr zu der aktuellen Situation von Walid und Lilli?
Wie wird es wohl weitergehen?
Und was sagt ihr zu Maxims Nachricht? Schon süß, oder?
A.
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