9.

"Maxim", stöhne ich leidend. "Bitte nicht schon wieder."

"Ich will gar nicht mit dir diskutieren und ich will dir nichts vorschreiben, ich will einfach nur an deine Vernunft appellieren. Ich mag es eh nicht wenn du diese lange Strecke abends alleine fährst, aber in deiner heutigen Verfassung habe ich da wirklich Bauchschmerzen bei. Bitte tu mir den Gefallen und bleib hier. Ich habe oben ein Gästezimmer wo du schlafen kannst oder du kannst in mein Schlafzimmer und ich gehe rüber, wie du willst."

"Ich habe doch gar keine Sachen dabei, keine Klamotten, nix", setze ich dem nachdenklich entgegen, obwohl ich zugeben muss, dass ich weder Lust habe jetzt noch 230 Kilometer zu fahren noch zuhause auf Abbas zu treffen, der vielleicht schon erfahren hat was heute passiert ist und mich dann dementsprechend mit demnächsten Theater empfängt.

"Na und? Ich habe einen ganzen Schrank voll Klamotten an dem du dich bedienen kannst und dir was zum Schlafen nehmen kannst, eine frische Zahnbürste habe ich auch für dich.."

Ich gebe mich geschlagen. "Na gut, wenn du unbedingt willst", sage ich grinsend. Maxim kneift mir wissend in die Wange. "Du willst das doch selbst."

Wir schauen noch gemütlich einen Film zusammen im Wohnzimmer bevor wir in die obere Etage gehen und er mir das Gästezimmer zeigt. Es ist schönes kleines Schlafzimmer mit einem 1,60m breiten Boxspringbett, zwei Nachttischen, einer breiten Kommode aus hellem Eichenholz auf der ein kleiner Fernseher steht und ein dazugehöriger Kleiderschrank.

"Ich denke, hier kann man's aushalten", gebe ich zu und lächele ihn an. "Danke Maxim, das ist wirklich lieb von dir."

Genervt rollt er mit den Augen. "Hör auf dich ständig zu bedanken, okay?"

Ich hole mir aus seinem Ankleidezimmer einen dunklen Nike Hoodie mit der passenden Shorts und verschwinde ins Badezimmer. Ich wasche mein Gesicht, binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ziehe Maxims Sachen an, die mir zwar viel zu groß aber dadurch auch total gemütlich sind.

"Du siehst aus wie ein Zwerg in meinem Zeug", kommentiert er amüsiert als ich in den geräumigen Flur trete. "Dabei bin ich gar nicht so klein für eine Frau", protestiere ich und verteidige meine 1.70m, die trotzdem neben einem 1.95m großen Hünen wie ihm verhältnismäßig klein wirken.

"Stimmt", pflichtet er mir bei. "Ich wünsche dir eine gute Nacht. Wenn du was brauchst sag mir Bescheid, okay?", fragt er fürsorglich und sieht mir tief in die Augen. Ich nicke ihm zu. Maxim zieht mich kurz an sich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Schlaf gut."

Kurz darauf lasse ich mich in die weichen Daunenkissen sinken und versuche vergeblich zur Ruhe zu kommen denn meine Gedanken überschlagen sich.

Begehe ich gerade einen folgenschweren Fehler?

Wie soll es jetzt für mich weitergehen?

Ich muss mit Walid reden, so viel steht fest. Ich kann die Beziehung und auch die bestehende Verlobung nicht mehr aufrecht erhalten. Ich kann ihm nicht mal mehr in die Augen sehen. Wenn einmal der Respekt zwischen zwei Menschen verloren geht kann es nur noch schlimmer werden.

Aber obwohl ich mir diesbezüglich ziemlich sicher bin habe ich Angst davor wie das Gespräch verlaufen wird und ich habe auch Angst vor der Zukunft.

Ich halte Walid mittlerweile für brandgefährlich und unberechbar und kann mir vorstellen, dass er mich nicht einfach so gehen lässt. Er wird um mich kämpfen wollen und wenn er merkt, dass seine Rettungsversuche nicht zu Erfolg führen, wird es bestimmt böse enden. Er wird mir Steine in den Weg legen, er könnte überall rum erzählen, was ich für eine Schlampe bin, er könnte meinen Ruf beschmutzen, was vor allem für meine Brüder und meinen Vater schrecklich wäre und das weiß er. Er kennt mich, er kennt meine wunden Punkte. Ich habe ihm vertraut und dadurch hat er jetzt genug gegen mich in der Hand um mich zu vernichten oder mir zumindest maßgeblich zu schaden.

Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Auch die Situation mit Abbas belastet mich und ich weiß nicht  wie es zwischen uns weitergehen soll. Ich bin zutiefst gekränkt und verletzt, aber er ist mein Bruder. Er war immer der Mensch, der mir am nahesten stand und der mein ganzes Leben lang an meiner Seite. Ich kann und will ihn nicht komplett aus meinem Leben streichen. In unseren Adern fließt schließlich das gleiche Blut.

Kurz vor Mitternacht halte ich es im Bett nicht mehr aus. Ich bin furchtbar unruhig, das Gedankenkarussel dreht sich unaufhörlich und ich entscheide mich dazu mir eine Flasche Wasser aus der Küche zu holen.

Auf leisen Sohlen tappse ich durch den Flur, darauf bedacht Maxim nicht zu wecken und laufe die Treppen runter ins Erdgeschoss. Ich suche mir ein Glas und nehme aus dem Kühlschrank eine Flasche Sprudel mit nach oben.

Ich will gerade wieder ins Gästezimmer verschwinden als Maxim ruft: "Lilli? Wieso schleichst du hier rum? Schlafwandelst du?"

Ich schiebe vorsichtig die Tür zu seinem Schlafzimmer auf und betrachte das Zimmer in dem dämmrigen Licht der kleinen schwarzen Nachttischlampe.

Über dem schwarzen Kingsize-Bett hängt eine große Leinwand mit einem abstrakten Bild in weiß, schwarz, grau und silber. Die Wände sind in grauer Betonoptik und das Interieur ist minimalistisch im Industrial-Style gehalten. Ein paar Sukkulenten, ein Schädel an der Wand und viel schwarzes Metall. Stilvoll und edel, trotzdem sehr maskulin.

"Was ist los? Kannst du nicht schlafen?", fragt er einfühlsam, rutscht ein wenig und klopft neben sich auf die Matratze.

Sein Oberkörper ist nackt, seine Beine ebenfalls, vermutlich trägt er nur eine Boxershorts und sein Körper wird nur spärlich von dem weißen Bettzeug bedeckt.

"Nein, ich komme irgendwie nicht zur Ruhe", gebe ich zu und setze mich zaghaft auf den Rand der Matratze.

"Zu viele Gedanken im Kopf, hm?", schlussfolgert Maxim treffsicher und beobachtet mich aufmerksam aus seinen hellblauen Augen. Sein mittelkurzes blondes Haar ist ein wenig verstrubbelt und nimmt seinen kantigen Gesichtszüge ein wenig die Härte.

"Ja, genau. Ich kann das irgendwie nicht abschalten."

Maxim legt seine Arme um meine Taille und zieht mich bestimmt in seine Arme. Ich versteife mich erst ein wenig, lasse es dann jedoch zu und drücke mich schutzsuchend an seine harte Brust. "Du bist aber nicht besonders kuschelig", meckere ich leise.

"Stimmt, an dir ist mehr Kuschelspeck, nicht wahr?", neckt er mich und kneift in meinen schlanken Bauch. Dann zieht er seine Arme etwas enger um meine Taille und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.

Bisher habe ich nur neben Walid geschlafen und ich habe nicht besonders viel Erfahrung damit, "fremden" Männern so nah zu sein  aber Maxim gibt mir ein gutes Gefühl. Er ist nicht aufdringlich und scheint keine Erwartungen an mich zu stellen. Er lässt mich sein wie ich bin und ist einfach für mich da.

Maxims Finger streichen sanft über mein Haar und meine Wange und ab und zu drückt er mir einen sanften Kuss auf die Stirn bis ich ruhig in seinen Armen eingeschlafen bin.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr dazu, dass Lilli und Maxim jetzt doch zusammen eingeschlafen sind?

Und was haltet ihr von Lillis Entscheidung Walid zu verlassen?

A.

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