7.

"Abbas steckt da auch mit drin."

"Das kann nicht stimmen", entfährt es mir und ich schüttele entschieden den Kopf.

"Doch, Lilli. Wohl noch nicht so lange, aber er hängt mit drin. Er wäscht in seinen Läden einen Teil des Schwarzgeldes und bekommt dafür wahrscheinlich einen Anteil. Kann sein, dass er da auch noch anderweitig finanziell beteiligt ist, dass er Geld investiert hat oder so."

"Woher willst du das wissen?", frage ich ihn misstrauisch.

Hätte ich nicht etwas davon mitbekommen müssen? Hätte es mir nicht auffallen müssen, dass irgendwas nicht stimmt? Ich kenne meinen Bruder schließlich so lange ich lebe und wir wohnen sogar zusammen.

"Ich kenne Leute, die Leute kennen", antwortet er mit einer Floskel. Es überrascht mich nicht, dass er seinen Informanten schützen will, aber das macht es für mich schwerer ihm zu glauben.

Verloren starre ich ins Leere und wünsche mir, dass das alles nur ein Alptraum ist aus dem ich gleich aufwache.

Maxim dreht mich sanft zu sich und sieht mir tief in die Augen. "Es tut mir leid, ich wünschte, ich hätte dir was schöneres erzählen können", erklärt er mitleidig.

Tränen füllen meine Augen und mein Herz wird schwer. "Mein ganzes Leben liegt in Scherben", sage ich mit brüchiger Stimme. "Das mit Walid tut schon weh, aber immerhin habe ich früh genug sein wahres Gesicht erkannt, um noch einen Rückzieher machen zu können. Wir sind nicht verheiratet und haben keine Kinder, elhamdulillah, eine Verlobung kann man lösen. Die Drogengeschäfte sind für mich nur die Kirsche auf der Torte, mein Entschluss stand eigentlich schon nach seinem Verhalten gestern fest. Wo soll das denn noch hinführen? Bricht er mir nächstes Mal die Nase?
Schlimmer ist für mich, dass Abbas auch daran beteiligt ist. Es fühlt sich gerade an, als sei mein ganzes Leben eine einzige Lüge", schluchze ich während mir die ersten Tränen übers Gesicht rinnen.

"Ach Prinzessin", seufzt Maxim traurig und zieht mich sanft in seine tätowierten Arme.

"Ich schmiere dich mit meiner Schminke voll", warne ich ihn mit Blick auf seinen weißen Balenciaga-Hoodie, der vermutlich viel zu teuer war, als dass ich ihn mit meinen Tränen aus Mascara einsaue.

"Ist mir scheißegal", stellt er klar und drückt mein nasses Gesicht behutsam an seine Schulter.

Einen Moment lang sitzen wir nur so da und ich weine an Maxims Schulter. Er streicht mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und redet beruhigend auf mich ein. "Das wird schon alles, Lilli. Wir finden einen Weg, okay? Du bist nicht alleine."

"Ich fühle mich aber alleine", jammere ich, was Maxim ein sanftes Lächeln entlockt. Er legt mir seine große Hand an die Wange und streichelt leicht mit seinem Daumen über meine weiche Haut. "Du bist aber nicht alleine. Ich bin hier. Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass meine Tür für dich immer offen steht und das ist an keine Bedingungen geknüpft. Ich mag dich gerne, du liegst mir am Herzen."

Seine warmen Worte berühren mich und ich hebe leicht den Kopf um ihn anzusehen. Sein maskulines Gesicht wirkt ganz weich und in seinen blauen Augen liegt Ehrlichkeit während seine Hand noch immer auf meiner Wange ruht.

"Danke", flüstere ich leise.

"Du brauchst mir nicht zu danken", gibt er entschieden zurück.

Ich nehme die Kordeln seiner Kapuze in meine Hand und lasse sie gedankenverloren durch die Finger gleiten.

Ich bin froh, dass ich gerade nicht alleine bin. Maxim fängt mich auf und es tut gut, sich endlich mal fallen lassen zu können, ohne Angst zu haben, dass mir meine Schwäche nur wieder als Fehltritt ausgelegt werden könnte.

Maxims Daumen wandert zu meinem Mund und streift leicht über meine Unterlippe.

Erneut sehe ich auf und verliere mich für einen kurzen Moment in dem klaren blau seiner Augen.

Wieso ist mir eigentlich noch nie aufgefallen wie schön er ist?

Ich weiß nicht, ob es das Gefühlschaos in mir ist oder die Sehnsucht nach Nähe, aber Maxim zieht mich plötzlich magisch an.

Seine Finger hinterlassen ein aufregendes Kribbeln auf meiner Haut und mein Herz trommelt hektisch gegen meine Brust.

Wie in Zeitlupe lehne ich mich langsam nach vorne und überbrücke die letzte Distanz zwischen uns um meine Lippen vorsichtig auf seine zu drücken.

Er scheint einen Moment mit sich zu hadern und hält inne bevor er meinen Kuss zärtlich erwidert. Unsere Lippen bewegen sich langsam und er schmeckt süß, ein wenig nach Minze.

Sehnsüchtig vergräbt er seine Hand in meinen langen blonden Haaren und drückt mich etwas näher an sich.

Ich weiß, dass es falsch ist Maxim zu küssen obwohl er seit jeher der größte Streitauslöser zwischen Walid, Abbas und mir ist, aber wieso fühlt sich etwas das falsch ist so wahnsinnig gut an?

Der Kuss ist nicht leidenschaftlich, hat nichts sexuelles an sich, er ist ruhig und liebevoll und lullt mich eine zartrosane Zuckerwattewolke, in der Sorgen und Ängste keinen Platz haben. Es fühlt sich an wie dieses wohlig warme Gefühl von Alkohol, wenn die ersten Hemmungen fallen und man sich fühlt als würde man schweben.

"Du weißt, dass das falsch ist?", nuschelt Maxim in den Kuss hinein.

"Mach es nicht kaputt", bitte ich mit meinen Lippen an seinen.

"Ich denk gar nicht dran", entgegnet er, grinst kurz und küsst mich dann erneut, diesmal noch inniger.

Als wir uns voneinander lösen bleibt der tiefe Fall überraschenderweise aus. Kein schlechtes Gewissen, keine Vorwürfe an mich selbst. Der Kuss war zu schön als dass ich ihn bereuen könnte.

"Denk nicht, dass ich dich ausnutze", spreche ich den einzigen Gedanken aus, der mich belastet.

Ich will nicht, dass er denkt, ich benutze ihn nur um mich über Walid hinweg zu trösten. Natürlich kann man in diesem Moment auch nicht davon sprechen, dass ich ernste Absichten habe, ich muss erstmal mein Leben neu ordnen und verarbeiten, was alles passiert ist, bevor ich über sowas irgendwann mal wieder nachdenken kann, aber Maxim tut mir gut und wieso sollte ich mir das verbieten?

Trotzdem will ich ihm keine falschen Hoffnungen machen und von Anfang an mit offenen Karten spielen.

"Mach dir mal keine Sorgen um mich, ich komme schon klar", beruhigt er mich und zwinkert mir selbstsicher zu.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr dazu, dass Lilli Maxim geküsst habt?

Meint ihr, das könnte ihr in irgendeiner Art noch zum Verhängnis werden?

A.

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