6.

Es ist bereits früher Abend als ich meinen weißen Porsche auf Maxims Einfahrt in Stuttgart parke.

Der Hausherr kommt mir freudestrahlend entgegen und empfängt mich wie eh und je mit offenen Armen.

"Hallo Prinzessin, willkommen zurück in deinem Schloss", begrüßt er mich grinsend mit ausladender Geste.

Ich lasse mich von ihm in eine herzliche Umarmung ziehen und genieße für einen kurzen Moment seine Nähe und die Wärme die er ausstrahlt.

Seit ich in meinem Freundeskreis offenbar der Antichrist bin, fühle ich mich wahnsinnig einsam. Angesichts dessen, was ich gerade durchmache, fällt mir das gleich doppelt so schwer.

Maxim führt mich rein und wir setzen uns auf seine geräumige Couch.

"Was verschafft mir die Ehre?", fragt er direkt und mustert mich neugierig.

"Ich wollte mit dir reden", räume ich ehrlich ein. Keine Spielchen, das hat er nicht verdient.

"Du willst die Wahrheit wissen", schlussfolgert er treffsicher. Ertappt nicke ich.

"Ich sage dir die Wahrheit, wenn du mir auch die Wahrheit sagst", schlägt er einen Deal vor.

"Welche Wahrheit?", frage ich irritiert. Wenn er davon ausgeht, ich könnte ihm irgendwelche spannenden Informationen über Abbas' oder Walids Geschäftsleben erzählen, dann muss ich ihn leider enttäuschen.

"Was ist das mit Walid und dir? Seid ihr zusammen oder nicht?"

Ich schlucke hart. Ich hätte nicht gedacht, dass sich unser Gespräch gleich zu Beginn in diese Richtung entwickelt, aber wer kann es ihm verübeln? Nach der Szene, der er gestern beigewohnt hat, kann man auch nur Fragezeichen im Kopf haben.

"Eigentlich ja. Wir haben uns letzte Woche sogar verlobt", gebe ich zu.

Maxim zieht die Augenbrauen hoch und mustert mich kurz. "Du siehst aber nicht wie eine glückliche verlobte Frau aus und an deinem Finger prangt kein überdimensionaler Diamantring. Ist Walid pleite?", feixt er.

"Wir haben uns einen Tag nach der Verlobung gleich gestritten und ich habe den Ring wieder abgelegt", erzähle ich bereitwillig. Die Worte auszusprechen tut weh, aber es wirkt auch befreiend.

"Was ist denn passiert, dass du so schnell einen Rückzieher gemacht hast?", hakt er interessiert nach und gießt mir Cola in ein Glas.

"Versprichst du mir, dass das unter uns bleibt?", frage ich ihn vorsichtig. Ich bin misstrauisch geworden. Ich weiß nicht mehr, wem ich überhaupt noch vertrauen kann, aber gleichzeitig brennt es mir auf der Seele, endlich mal mit jemandem über alles zu reden.

"Versprochen", beteuert er.

"Ich habe mich mit Abbas gestritten wegen einer Belanglosigkeit. Wir waren alle in Beirut und ein Typ im Hotelgym hat mich angesprochen. Wir haben uns kurz ganz unverfänglich unterhalten bis Abbas dazu kam und mir total die Szene gemacht hat. Ich habe ihm die Meinung gesagt und bin abgehauen und plötzlich wurde mir alles zu viel. Die ständigen Bevormundungen, die Vorschriften, was ich zu tun und zu lassen habe, das alles hat mich so eingeengt, dass ich nur noch weg wollte. Ich habe mir meine Tasche geholt und wollte erstmal weg, ein bisschen spazieren oder so, doch auf dem Flur hat Abbas mich abgepasst und die Situation ist komplett eskaliert. Er hat mich angeschrien, mich zur Sau gemacht und auf mich eingeschlagen", erzähle ich mit brüchiger Stimme.

Schockiert sieht Maxim mich an. "Echt jetzt? Was soll denn der Scheiß? Du warst doch immer sein wunder Punkt, wieso geht er jetzt selbst auf dich los?"

Schulterzuckend antworte ich: "Wenn ich das wüsste. Es war nicht das erste Mal, weißt du. Er hat das früher nie getan, erst seitdem ich mit Walid zusammen bin hat das plötzlich angefangen. Nach unserem Treffen damals hat er mir das erste Mal eine Ohrfeige gegeben, das habe ich dir ja erzählt."

Maxim nickt wissend und schweigt.

"Jedenfalls gab es total das Palaver mitten im Hotelflur. Nach und nach sind alle dazu gekommen und Walid ist auf Abbas los gegangen. Ich habe im Eifer des Gefechts etwas gesagt und er hat es mitbekommen. Es muss ihn wohl sehr verletzt haben. Er wollte dann mit mir unter vier Augen reden, hat mich aber nur runtergemacht. Ich habe den Ring abgelegt, meine Sachen gepackt und bin Hals über Kopf abgehauen und zurück nach Deutschland geflogen. Und was gestern passiert ist weißt du ja."

"Naja, zum Teil. Ich war schockiert, wie er mit dir geredet hat. Er hat dich vor allen Leuten beleidigt und gedemütigt, wieso lässt du dir das gefallen?"

"Habe ich ja nicht", entgegne ich.

"Du bist mit ihm abgehauen um mit ihm zu reden", erinnert er mich. "Das hättest du nach der Aktion gar nicht mehr machen sollen. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, Lilli, aber ich bin auch nicht in der Position dir Vorschriften zu machen. Trotzdem weiß ich, wie Walid sein kann.."

"Ich jetzt auch", entfährt es mir schneller als ich denken kann.

"Was heißt das?"

"Es war eigentlich sinnlos mit ihm mit zu fahren. Er hat gesagt, dass ich es verdiene, dass er mich Schlampe und Hure nennt, weil ich mich wie eine verhalte und als er dann noch etwas über meine Mutter gesagt hat ist mir der Geduldsfaden gerissen. Ein Wort gab das andere und es endete damit, dass er mir eine Ohrfeige verpasst hat."

Entrüstet schüttelt Maxim den Kopf. "Das kann doch alles nicht wahr sein."

Er rutscht über die Couch, überbrückt die letzte Distanz zwischen uns und zieht mich schützend an sich. Haltsuchend lege ich meinen Kopf an seine starke Brust und lasse mir von ihm über den Kopf streicheln während mir Tränen in die Augen steigen.

Es fühlt sich gut an ihm nah zu sein. Endlich ist da jemand, der mich auffängt und mir das Gefühl nimmt mit der ganzen Scheiße alleine zu sein.

"Das tut mir leid für dich, Lilli. Wenn ich etwas für dich tun kann, lass es mich wissen. Du kannst auch erstmal bei mir unterkommen wenn du willst."

"Danke", flüstere ich leise und drücke mich noch ein wenig näher an ihn. Die Ruhe, die er ausstrahlt, tut mir gut. So frech und so direkt er auch sein kann, er kann auch anders. Er ist kein Clown, mit dem man nicht ernsthaft reden kann und das mag ich an ihm.

"Er handelt im großen Stil mit Drogen", sagt Maxim irgendwann leise.

Ich löse mich alarmiert von ihm und starre ihm schockiert in die Augen. "Das ist nicht wahr?", frage ich ungläubig.

"Doch. Er lässt auch in seinen Läden verkaufen, aber hauptsächlich hat er Großabnehmer und wäscht das Geld mit den Clubs und Shishabars."

Meine Augen weiten sich.

"Wieso hast du mich damals nicht gewarnt?", frage ich ihn aufgebracht.

"Weil du ihn geliebt hast und ich den Eindruck hatte, er wäre gut zu dir. Ich bin keine Ratte, weißt du. Ich habe kein Interesse daran, mich an ihm zu rächen. Damals hat wirklich plötzlich eine größere Summe Geld gefehlt. Ich habe die Bücher gewälzt um herauszufinden, wie das sein kann und dadurch herausgefunden, dass er mit Drogen dealt und das Schwarzgeld in unserem gemeinsamen Laden wäscht. Ich habe ihn zur Rede gestellt. Das ist etwas, was ich einfach nicht tolerieren kann, schon gar nicht, wenn er es hinter meinem Rücken macht. Er ist ausgerastet, hat mich wüst beschimpft und das ganze ist in einer handfesten Schlägerei geendet. Ich habe mich von ihm ausbezahlen lassen und meine Teilhaberschaft aufgegeben. Er hat all unsere Freunde mit Lügen und Manipulation auf seine Seite gezogen, auch Abbas. Er hat es so dargestellt als hätte ich Geld geklaut und hat dafür gesorgt, dass ich in München keinen Fuß mehr auf den Boden kriege, sodass ich dann nach Stuttgart gegangen bin. Versteh mich nicht falsch, ich habe keine Angst vor ihm, ich denke das hast du gesehen, aber ich wollte einfach meine Ruhe. Ich hatte keine Lust auf diese Machtkämpfe mit ihm."

Jedes seiner Worte ergibt Sinn und ich glaube ihm. Unfassbar, dass ich mich so in Walid getäuscht habe.

"Wieso hast du ihn nicht bei der Polizei verpfiffen?", hake ich nach.

"Verrat liegt mir einfach nicht im Blut", stellt er klar. "Nur weil er sich wie eine Ratte verhält, muss ich mich nicht mit ihm auf eine Stufe stellen. Mir geht's heute gut und ich kann jeden Morgen in den Spiegel sehen. Alles was ich habe, habe ich mir selbst erarbeitet und das auf legalem Weg."

Nachdenklich nicke ich.

"Ich hätte nicht gedacht, dass Abbas zulassen würde, dass dir jemand sowas antut. Er ist zwar sehr leicht zu beeinflussen, aber er würde nie was auf dich kommen lassen, deshalb dachte ich, Walid hätte diese ganze Sache vielleicht hinter sich gelassen, aber er steckt noch tiefer drin als je zuvor, das habe ich vor kurzem herausgefunden", erklärt er offen.

"Weiß Abbas davon? Immerhin glaubt er bis heute, dass du der Böse in der ganzen Sache warst."

Die Frage brennt mir schon die ganze Zeit auf der Seele. Hat mein eigener Bruder zugelassen, dass ich mich mit einem Drogendealer verlobe? Hat er mich mit offenen Augen in mein Unglück rennen lassen und aus der ersten Reihe applaudiert? Oder hat Walid ihn genau so getäuscht wie mich?

Meine Gedanken überschlagen sich.

"Abbas steckt da auch mit drin."

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Meine Lieben,

Das war ja mal ein Geständnis! Glaubt ihr Maxim?

Und inwiefern könnte Abbas da mit drin stecken?

A.

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