47.
Das Haus ist genau so leer wie ich nachdem Maxim gegangen ist.
Seine Abwesenheit kann ich physisch spüren und sie tut weh.
Wieder und wieder überdenke ich unseren Streit.
Habe ich was falsches gesagt?
Habe ich überreagiert?
Ich wusste doch von Anfang an, dass es falsch ist, in sein Handy zu schauen und trotzdem konnte ich es nicht lassen, weil ich mir erhofft habe, Antworten zu finden. Antworten habe ich jetzt immer noch nicht, stattdessen habe ich Maxims Vertrauen gebrochen und einen riesigen Streit angezettelt, dabei war das nun wirklich das letzte, was ich wollte.
Er hatte Recht, ich hätte ihn einfach darauf ansprechen sollen und nach dieser Charleen und ihrer auffälligen Nachricht fragen sollen. Aber andererseits: wenn er wirklich ein Verhältnis mit ihr hätte, würde er das ja wohl kaum zugeben, oder?
Ich stehe noch immer verloren im Ankleidezimmer und streiche mir eine meiner blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Tränen steigen mir in die Augen. Ich fühle mich einfach nur schrecklich.
Maxim ist mir mittlerweile so wichtig geworden; er ist mein sicherer Hafen, der Mensch, bei dem ich mich am meisten wohlfühle, doch statt ihm das mal genau so zu sagen, poche ich immer nur darauf, dass wir nicht zuammen sind und dass ich mich nicht an ihn binden will.
Wie muss Maxim sich damit fühlen?
Ich lasse mich auf den flauschigen Teppichboden sinken und lehne meinen Kopf gegen die Schranktür.
Er hat Recht, wenn er sagt, dass er alles dafür tut mir zu zeigen, dass ich ihm wichtig bin.
Aber kann man das auch von mir behaupten? Wohl eher nicht..
Was mache ich, wenn es ihm jetzt reicht? Wenn er meine "Spielchen" und Eskapaden satt hat und auf Abstand gehen will?
Ich kann mir ein Leben ohne Maxim gerade gar nicht mehr vorstellen.
Ich liebe es mit ihm zu sein. Er tut mir gut und ich habe das Gefühl, dass er die besten Seiten an mir zum Vorschein bringt. Mit ihm ist alles so leicht, er gibt mir Sicherheit und bindet mich mit einer völligen Selbstverständlichkeit in sein Leben ein.
Wieso schaffe ich es dann noch nicht mal, mich klar zu ihm zu bekennen?
Liegt es wirklich nur an den schlechten Erfahrungen mit Walid oder gibt es noch andere Bedenken, die mich so hemmen?
Ich schließe die Augen, atme tief durch und versuche mich zu beruhigen. Trotzig wische ich mir die Tränen mit dem Ärmel meines Shirts aus dem Gesicht.
Ich bin doch selbst an dieser verzwickten Situation Schuld. Ich habe kein Recht dazu, jetzt hier zu sitzen und rumzuheulen.
Doch je länger Maxim weg bleibt, desto mehr wächst in mir die irrationale Angst heran, er könnte nicht mehr wiederkommen. De facto ist das völliger Schwachsinn, schließlich sitze ich gerade in seinem Haus, aber mein Herz tut weh und je länger er weg bleibt und der Streit wie eine unüberwindbare Mauer zwischen uns steht, desto schlimmer wird es.
Ich habe mein Zeitgefühl völlig verloren. Ich weiß nicht, wann Maxim gegangen ist und wie lange er schon weg ist. Irgendwann rufe ich ihn an, doch er geht nicht dran. Frustriert stecke ich mein Handy in die Hosentasche meiner Jeans.
Wie lange will er mich jetzt ignorieren?
Sein Verhalten ist völlig neu für mich. Es ist unser erster richtiger Streit und dass er nicht in der Lage ist, diesen mit mir zusammen aus der Welt zu schaffen, lässt mich auch ein wenig an ihm und an unserer Beziehung zweifeln.
Andererseits muss man auch das Streiten erst lernen, wir müssen erst eine gute Streitkultur entwickeln. Und dass Maxim so beherrscht ist, sagen zu können, wenn ihm alles zu viel ist und sich erstmal aus der Situation zu entziehen um sich zu beruhigen ist doch eigentlich was gutes.
Hätte Walid diese Fähigkeit auch gehabt, wäre es zwischen uns vielleicht niemals so eskaliert.
Mir fällt ein Stein, ein riesiger Felsbrocken vom Herzen, als ich höre, dass unten ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und die Haustür aufgeschlossen wird.
Mittlerweile ist es schon seit geraumer Zeit dunkel, aber ich sitze noch immer auf dem dunklen Hochfloorteppich im Ankleidezimmer, an einen der Schränke gelehnt und erhebe mich nicht, als ich Maxims schwere Schritte auf der Wendeltreppe höre.
Mit zügigen Schritten läuft er den Flur entlang und wirft nur einen flüchtigen Blick im Vorbeigehen ins Ankleidezimmer. Als er mich wider Erwarten auf dem Fußboden entdeckt, stockt er und kommt auf mich zu.
"Wieso sitzt du da auf dem Boden?", fragt er mich sanft. Von seiner Wut ist nicht mehr viel übrig geblieben, sie scheint verebbt zu sein. Stattdessen wirkt er besorgt und geht vor mir in die Knie.
"Keine Ahnung", antworte ich wahrheitsgemäß und schlucke schwer. Wieder steigen mir Tränen in die Augen, doch ich versuche sie tapfer wegzublinzeln. Ich will jetzt nicht vor ihm anfangen zu heulen.
Max reicht mir versöhnlich eine Hand und zieht mich mit sich hoch. Auch wenn es nur eine kleine Geste ist, gibt mir dieses bisschen Nähe in dem Moment viel. "Komm mal mit", fordert er mich auf und schiebt mich behutsam vor sich her ins Schlafzimmer.
Er bugsiert mich auf die Matratze seines Kingsize-Bettes und lässt sich lässig neben mir nieder.
"Es tut mir leid", gebe ich ohne Umschweife und mit weinerlicher Stimme zu. Ich sehe ihn aus meine großen dunklen Bambi-Augen an und beiße mir verunsichert auf die Unterlippe.
"Mir tut es auch leid", erwidert Maxim und legt eine seiner großen tätowierten Hände liebevoll auf meinen schmalen Oberschenkel. "Nichtsdestotrotz meinte ich das schon ernst, was ich gesagt habe. Du lässt mich am langen Arm verhungern und ich weiß langsam nicht mehr was ich tun soll."
"Ich weiß", gestehe ich reumütig. "Es tut mir wirklich leid. Ich bin einfach nur so überfordert. Von der Situation, von meinen Gefühlen, von allem."
"Es fühlt sich ganz oft so an, als ob ich dein zerbrochenes Herz wieder zusammen setzen will, aber jedes Mal schneide ich mich nur tiefer an den Scherben", erklärt er nachdenklich.
Ich lege den Kopf schief und sehe ihn traurig an. Ich will nicht, dass er sich meinetwegen so fühlt. Ich will ihn nicht verletzen, dazu mag ich ihn viel zu sehr. "Willst du, dass wir das mit uns lieber beenden?"
"Schwachsinn, du Dummkopf", gibt er entschieden zurück. "So leicht gebe ich nicht auf. Ich will dich ja auch gar nicht unter Druck setzen, aber ich würde mir einfach wünschen, dass wir langsam zumindest einen kleinen Schritt nach vorne machen. Du willst das doch auch, sonst würdest du ja nicht so eifersüchtig sein." Ein leichtes, aber überlegenes Schmunzeln schleicht sich auf sein Gesicht.
Unsicher spiele ich mit dem Saum meines Shirts. Seine Worte beruhigen mich, aber doch gibt es da immer noch etwas, das mich quält. "Wer ist Charleen?", frage ich deshalb vorsichtig. Diese Frage brennt mir noch immer auf der Seele.
"Charleen arbeitet im Maximum. Sie hatte sich gestern mit Mara in den Haaren und ich habe mich auf Charleens Seite gestellt weil sie im Recht war. In der Nachricht, die du gelesen hast, hat sie sich offensichtlich dafür bedankt. Am Samstagmorgen haben wir ein Teammeeting, das meinte sie mit "nächstes Treffen". Also alles völlig harmlos, einfach nur Geschäftsscheiß, für den du dich bekloppt gemacht hast", erklärt er mit ruhiger Stimme.
Ich senke meinen Blick und schaue beschämt auf meine Hände. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass seine Version der Geschichte stimmt. Sie klingt logisch und schlüssig und außerdem habe ich Maxim bisher nie als Lügner wahrgenommen. Der Streit, den ich vom Zaun gebrochen habe, war also völlig unnötig.
"Tut mir leid", nuschele ich erneut. "Das sah einfach so eindeutig aus."
"Kann ich verstehen, vor allem da ich weiß, was du damals auf Walids Handy gefunden hast. Aber wenn dir in Zukunft etwas nicht passt, dann rede bitte einfach mit mir. Ich bin mir sicher, dass wir solche Missverständnisse dann ganz schnell aus dem Weg schaffen können ohne dass es so ausarten muss. Ich habe auch kein Problem damit dir meine Verläufe offen zu legen, du hast ja schließlich sogar meinen Pin, aber wenn du hinter meinem Rücken in meinem Handy rumschnüffelst finde ich das echt uncool. Damit zeigst du mir nicht nur, dass du mir nicht vertraust, sondern du brichst auch mein Vertrauen."
Ich nicke schweigend. "Du hast Recht", räume ich ein. Mir ist klar, dass das eine absolute Nullnummer war.
"Aber geh bitte nicht einfach, wenn wir uns streiten. Ich kann damit nicht umgehen", stelle ich klar.
"Ich weiß, dass das in dem Moment scheiße für dich war, aber wegen allem was du durchgemacht hast, wollte ich nicht vor dir ausflippen und ich habe gemerkt, dass es jeden Moment dazu kommt. Ich habe in der Küche gesehen, dass du Angst vor mir hattest, als ich dich an meinem Handy erwischt habe. Ich habe diese Angst in deinen Augen gesehen und wie du zurück gewichen bist. Ich kann es dir nicht verübeln, auch wenn ich niemals meine Hand gegen dich heben würde. Aber ich kann auch böse werden und deine Worte haben mich ziemlich getroffen. Da finde ich es besser abzuhauen und mich erstmal zu beruhigen, anstatt dass wir uns beide hochschaukeln, anschreien und es dann irgendwann nur noch darum geht, wer wen mehr verletzt", erklärt er sich.
"Danke", flüstere ich leise. Als Maxim mich dann an sich zieht überkommt mich eine Welle der Erleichterung.
"Ich hatte wirklich Angst, dass du mich nicht mehr willst", murmele ich in seinen Sweater und lege meine Arme um seinen Bauch.
Maxim schiebt mich leicht von sich weg und sieht mir belustigt in die Augen. "Weil du in mein Handy geschaut hast? Da muss schon deutlich mehr passieren, Lilli. Ich habe gesagt ich gehe jeden Weg mit dir und ich halte mein Wort. Was wäre ich für ein Mann, wenn ich bei der ersten Schwierigkeit gleich aufgeben würde?"
Ich antworte ihm nicht, sondern presse stattdessen meine Lippen erleichtert auf sein.
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Meine Lieben,
Glaubt ihr Maxims Geschichte rundum Charleen?
Und was schätzt ihr, wie es jetzt weiter gehen wird mit Lilli und Maxim? Lange geht die Geschichte jedenfalls nicht mehr..
A.
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