46.

Die Woche verläuft ruhig. Ich gehe zum Eislauftraining und erledige einige Dinge für mein bevorstehendes Studium, während Maxim viel arbeitet und nur selten zuhause ist.

Wir haben uns gut miteinander eingelebt und ich genieße es sehr, wenn er abends nachhause kommt und wir Zeit miteinander verbringen. Das Thema Wohnungssuche schweigen wir zwar tot, aber erledigt hat es sich für mich trotzdem noch nicht. Ich klicke mich weiterhin regelmäßig durch Wohnungsanzeigen und speichere mir die besten von ihnen ab, doch wirklich weiter bringt mich das nicht.

An diesem Abend habe ich für uns gekocht und als Maxim heim kommt essen wir zuammen. Ich habe  Spaghetti Bolognese gemacht, weil Maxim mal erzählt hat, dass das sein Lieblingsgericht aus der Kindheit ist.

Er freut sich total und bedankt sich überschwänglich bei mir, als er den gedeckten Tisch mit den prall gefüllten Tellern sieht. Wir essen, sitzen zusammen und lachen, die Welt ist in Ordnung, bis er duschen geht und sein Handy irgendwann auf dem Esstisch mehrmals rhythmisch vibriert.

Reflexartig werfe ich einen Blick darauf.

Eingehender Anruf
Charleen

Mein Magen zieht sich zusammen und ich reibe nervös meine Hände aneinander.

Wer ist Charleen und wieso ruft sie ihn an?

Das Display verdunkelt sich wieder. Charleen hat offensichtlich aufgegeben.

Ich trete nervös von einem Fuß auf den anderen und hypnotisiere das Handy auf dem breiten Echtholztisch.

Es juckt mir in den Fingern in sein Handy zu schauen und nachzusehen, wer Charleen ist. Schreiben die beiden miteinander? Und wenn ja - was schreiben sie miteinander? Muss ich mir Sorgen machen?

Erneut erzeugt sein Handy ein brummendes Geräusch auf dem Esstisch.

Charleen
Max, ich wollte mich nochmal für gestern Abend bedanken. Nächstes Treffen am Samstagmorgen steht, ja? 😘

Mein Herz beginnt zu rasen und ich starre ungläubig auf die schwarzen Buchstaben, die plakativ in der Benachrichtigungsleiste stehen.

Ich nehme Maxims Handy in die Hand und meine Gedanken überschlagen sich. Ich muss einfach wissen, wer Charleen ist und was gestern Abend war, dass sie sich dafür bedankt, schließlich hat Maxim mir erzählt, er sei arbeiten gewesen.

Ich bin mir sicher, dass ich die Antworten auf meine Fragen in dem WhatsApp Verlauf mit ihr finden kann, doch gleichzeitig ringe ich mit Gewissensbissen. Ich weiß, dass es falsch ist, in seinem Handy rumzuschnüffeln. Ich habe kein Recht dazu.

Und trotzdem kann ich nicht anders.

Als mein Handy tagelang ausgeschaltet war, hat Maxim mir öfter mal seins gegeben um schnell was bei Google nachzuschauen oder mal einen Anruf zu tätigen. Ich kenne also sein Passwort und deshalb ist es mir ein leichtes, sein Handy zu entsperren.

Mit zitternden Fingern zeichne ich ein spiegelverkehrtes Z auf Maxims Handydisplay, woraufhin es kurz aufblinkt und dann das Hauptmenü anzeigt.

Ich klicke langsam, fast in Zeitlupe auf das WhatsApp Icon und überfliege die Übersicht. Lilli, Luca, Timon und ganz oben mit einer ungelesenen Nachricht: Charleen. Ich öffne den Verlauf und sehe mir zuerst ihr Profilbild an.

Charleen hat lange blonde Haare und blaue Augen. Sie grinst selbstbewusst in die Kamera, trägt einen schwarzen Hoodie und legt den Kopf schief.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und gehe wieder in den Chat. "Max, ich wollte mich nochmal für gestern Abend bedanken. Nächstes Treffen am Samstagmorgen steht, ja? 😘", lese ich erneut.

Ich will weiter hochscrollen, als plötzlich eine tiefe Stimme die Stille durchbricht, indem sie fragt: "Was machst du da?"

Ich zucke erschrocken zusammen, sperre blitzschnell das Display und lege Maxims Handy zurück auf den Esstisch, bevor ich zu ihm herum fahre.

Er hat mich inflagranti erwischt.

Maxim steht am Fuß der Treppe, nackt, nur mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen und mustert mich kritisch.

Mein Herz rast und ich starre ihn aus großen Augen an. Ich fühle mich ertappt und habe ein schlechtes Gewissen, aber ich habe auch Angst davor, was als nächstes passiert.

Genau so war die Situation mit Walid, bevor er so ausgerastet ist und mich verprügelt hat. Was, wenn Maxim jetzt auch die Kontrolle verliert und ausflippt?

Er löst sich und kommt mit langsamen Schritten auf mich zu. Seine feuchten Füße hinterlassen zarte Fußabdrücke auf dem dunklen Fliesenboden.

"Lilli?", spricht er mich direkt an und sieht mir tief in die Augen. Seine Stimme ist ruhig und erst jetzt merke ich, dass ich in eine Schockstarre verfallen bin und ihm noch immer nicht geantwortet habe.

"Ich.. ähm.." stammele ich und weiche instinktiv zurück. "Tut mir leid", sage ich schnell und hebe entschuldigend die Hände hoch.

"Was tut dir leid?", hakt er nach.

"Dass ich in deinem Handy rumgeschnüffelt habe", gebe ich sofort zu und beiße mir unsicher auf die Unterlippe.

Maxim zieht die Augenbrauen zusammen und sieht mich skeptisch an. Erneut macht er einige Schritte auf mich zu und greift nach meiner Hand. Im ersten Moment will ich beinahe ausweichen, doch er nimmt meine Hand sanft in seine und zieht mit leicht an sich.

"Und wieso hast du in mein Handy geschaut?", hakt er weiter nach und fixiert mich mit einem durchdringenden Blick.

Er scheint nicht wütend zu sein. Ich hätte gedacht, er macht mir jetzt eine riesige Szene, doch das tut er nicht. Er scheint eher verwundert zu sein und mein Verhalten nicht nachvollziehen zu können.

"Dich hat ein Mädchen angerufen und dann hat sie dir geschrieben. Ich wollte wissen wer sie ist und wieso sie dir für gestern Abend dankt", gebe ich zu.

"Und wieso hast du mich dann nicht einfach gefragt? Denkst du, wenn ich was zu verheimlichen hätte, würde ich mein Handy hier offen liegen lassen, obwohl ich weiß, dass du den Pin kennst?", fragt er offensiv und sieht mich prüfend an.

Ich fühle mich von ihm vorgeführt und belächelt und das macht mich wahnsinnig wütend.

"Sie hat dir geschrieben, dass sie sich nochmal für gestern Abend bedanken will. Das ist so eindeutig, was soll ich da noch fragen?", fahre ich ihn an.

"So eindeutig, dass du in mein Handy schaust um herauszufinden, was es mit der Nachricht auf sich hat, hm?", entgegnet er provokant.

Wütend funkele ich ihn an. "Ich dachte du interessiert dich für niemand anderen als für mich? Wieso schreibst du dann solche Sachen mit dieser Frau? Das ist doch die eigentliche Frage."

"Wir sind nicht zusammen und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass du das ändern willst. Wir haben über dieses Thema geredet und ich habe dir mein Wort gegeben, dass es keine anderen Frauen gibt, also wieso schnüffelst du in meinem Handy? Findest du das fair?", erwidert er nun doch aufgebracht.

"Weil du dein Wort ja ganz offensichtlich nicht hältst", keife ich. "Und wenn du dich so benimmst brauchst du dich auch nicht zu wundern, dass ich nicht mit dir zusammen sein will", entfährt es mir wütend.

Maxim sieht mich aus seinen hellblauen Augen ungläubig an.

"Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Ich spiele dein Spiel die ganze Zeit mit. Ich habe dir gesagt, dass ich dir keinen Druck machen will und das meine ich auch so, aber wie lange willst du mich noch hinhalten? Wir sind doch längst zusammen, ob du es so nennst oder nicht. Ich spreche von dir immer als meine Freundin, aber wenn du so ein Problem damit hast endlich Nägel mit Köpfen zu machen, solltest du mal darüber nachdenken, woran das liegt? Du stößt mir jedes Mal vor den Kopf; ist das gleiche wie mit der Wohnung. Du willst doch selbst hier bleiben wenn du ehrlich bist, aber du wehrst dich die ganze Zeit dagegen. Ich zeige dir jeden Tag wie sehr ich dich will und dass du mich auch willst ist unübersehbar, sonst würde dich eine Nachricht auf meinen Handy wohl kaum so dermaßen beunruhigen, oder? Ich habe dir gesagt, dass sich freundschaftliche oder geschäftliche Kontakte zu Frauen nicht umgehen lassen und das lasse ich mir auch nicht verbieten, aber es scheint, als hätten wir ganz andere grundlegende Probleme als so eine dumme Nachricht."

Dann wendet er sich von mir ab und läuft zur Treppe.

"Was machst du?", rufe ich ihm zornig hinterher.

Will er mich jetzt einfach hier stehen lassen?

"Was ich mache? Ich werde mich anziehen und dann hau ich ab. Ich muss hier raus, bevor ich durchdrehe", knurrt er durch seine zusammen gebissenen Zähne. Seine blauen Augen blitzen bedrohlich auf und seine markanten Kiefer sind fest aufeinander gepresst.

"Du kannst doch jetzt nicht gehen!?", spucke ich ihm ungläubig entgegen.

Maxim lässt sich davon jedoch nicht beirren und läuft stur die Treppen hoch. Fassungslos folge ich ihm in die erste Etage.

Max zieht wahllos einen seiner zahlreichen Hoodies aus dem Schrank und stülpt ihn sich über den Kopf.

"Wieso ignorierst du mich jetzt? Das ist respektlos", stelle ich klar und kann vor Wut kaum noch an mich halten.

Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand so kalt und ignorant mir gegenüber ist. Bisher kannte ich es eher, dass es endlose Diskussionen gibt, die in der Regel zu einer totalen Eskalation führen, aber so im Streit auseinander zu gehen widerstrebt mir.

Maxim atmet tief durch, zieht erst eine Boxershorts und dann eine Jogginghose über seinen knackigen Hintern, bevor er sich zu mir umdreht und mich kurz schweigend und ein wenig ratlos mustert.

"Lilli, ich bin kurz davor gleich wirklich respektlos zu werden und das will ich nicht. Ich bin enttäuscht von dir, ich bin wütend und meeke, dass ich gleich bdie Nerven verliere. Vielleicht ist es nicht richtig, jetzt einfach abzuhauen, aber gerade weiß ich mir nicht anders zu helfen." Maxim spricht beherrscht, doch ich sehe ihm an, dass ihn das Überwindung kostet.

"Tu mir den Gefallen und mach dir Gedanken darüber, was du wirklich willst", sind seine letzten Worte, bevor er nach unten stürmt und ich kurz darauf die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen höre.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr dazu, dass Lilli einfach in Maxims Handy geschaut hat? Findet ihr das okay oder wäre das für euch ein absolutes No Go?

Und was sagt ihr zu Maxims Verhalten während des Streits und dass er einfach gegangen ist?

A.

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