42.

Maxim wartet gar nicht erst auf meine Antwort sondern läuft zielstrebig Richtung Ausgang, dicht gefolgt von dem Securitymann mittleren Alters, der indes seine schwarzen Lederhandschuhe über die kräftigen Hände streift.

Oh Gott, das sieht gar nicht gut aus. Ich fürchte, das gibt gleich eine große Katastrophe.

Ich stehe verloren im Eingangsbereich herum und bin froh, dass noch keine Gäste da sind, denen die Szenerie meines gestörten Exfreundes nun den Abend ruiniert. Der offizielle Beginn der Veranstaltung ist zum Glück erst in knapp zwei Stunden.

Nervös tippele ich von einem Bein aufs andere, bis ich Walids schneidende Stimme lautstark brüllen höre: "Das geht dich gar nichts an."

Ich weiß, dass es falsch ist, schließlich hat Maxim mich eindringlich darum gebeten hier drinnen zu bleiben, aber meine Beine tragen mich wie ferngesteuert zum Ausgang. Ich verharre im Türrahmen mit  uneingeschränktem Blick auf Walid, der sich vor Maxim aufbaut und wild gestikuliert.

"Sie ist das selbst Schuld. Denkst du nur weil du sie gefickt hast, hast du jetzt das Recht mir irgendwas zu sagen, du kelb? Ich habe sie gestern selbst noch gebumst, hat sie dir das auch gesagt, die kleine Sharmuta?", brüllt Walid und mir fällt fast alles aus dem Gesicht. Wie kann er so dreist lügen?

Ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem seine Beleidigungen mich kalt lassen, aber diese ekelhafte Unterstellung trifft mich hart.

Sofort kommt die Angst in mir hoch, dass Maxim ihm glauben könnte, schließlich war ich gestern wirklich in München.

Ich trete noch ein paar Schritte nach draußen in die Kälte. Ich habe nicht mal eine Jacke über meinem dünnen Kleid und friere, aber das hält mich nicht davon ab.

"Guck mal Walid, du stehst hier von meinem Laden und schiebst Welle, dabei weißt du genau, dass man sowas nicht macht, aber was ich viel schlimmer finde, ist, dass du dem Mädchen auflauerst und sie verfolgst und zur Krönung palaverst du hier rum und beleidigst sie? Schämst du dich nicht? Sie hat sich von dir getrennt, dann nimm es doch wie ein Mann und lass sie einfach in Ruhe", erklärt Maxim mit ruhiger Stimme, doch ich sehe ihm an, wie sehr er sich zusammen reißt. Allein die Tatsache, dass ausnahmsweise kein provokantes Grinsen sein Gesicht ziert, zeigt wie angespannt er ist.

"Sie hat sich von mir getrennt? Du hast sie mir doch weggenommen, du Ehrenloser, schon als wir noch zusammen waren, dabei wollten wir heiraten. Du hast dich die ganze Zeit zwischen uns gestellt!", brüllt Walid und tritt noch einen Schritt  näher auf ihn zu.

" 'n scheiß hab ich! Lilli hat sich von dir getrennt, weil du sie betrogen und verprügelt hast, das ist ehrenlos! Ich habe mich immer von ihr fern gehalten, als ihr noch zusammen wart."

"Ist klar, und was war in der Nacht, in der sie bei dir geschlafen hat? Willst du mir sagen, da hast du sie nicht gefickt?" Er lacht abfällig.

Mit zitternden Beinen laufe ich zu den beiden herüber und greife verzweifelt nach Maxims Hand. "Bitte komm wieder mit rein", flehe ich ihn an und sehe ihn aus meinen großen schwarzen Augen an.

Walids Kopf schnellt zu mir herum und seine Augen blitzen bedrohlich auf. "Schämst du dich nicht?", knurrt er und kommt auf mich zu.

Automatisch zucke ich zuammen und mache mich klein.

"Geh wieder rein, Lilli", bittet Maxim mich ruhig, doch ich höre das leichte Zittern in seiner Stimme.

Walids Hand schnellt nach vorne, er will vermutlich meinen Kopf hochdrücken damit ich gezwungen bin ihn anzusehen, doch ich weiche instinktiv zurück, aus Angst, er würde mich wieder schlagen.

Maxim reagiert blitzschnell. Er schubst Walid grob an der Schulter zurück und schiebt mich gleichzeitig schützend hinter seinen breiten Rücken.

"Fass sie nicht an", stellt er klar und wird nun deutlich lauter.

"Juckt dich nicht, was ich mir ihr mache. Wenn ich will, ziehe ich sie gleich an den Haaren in mein Auto und schleppe sie wieder mit nach München, oder wer will mich daran hindern?", erwidert Walid und lacht wieder sein irres Lachen.

Und dann eskaliert die Situation völlig. "Ich hindere dich daran. Du wirst ihr nie wieder ein Haar krümmen, nur über meine Leiche", knurrt Maxim.

"Nichts lieber als das", erwidert Walid und schlägt Maxim mit der Faust gegen die Wange. Ich stoße einen hellen Schrei aus und schlage mir erschrocken die Hände vor den Mund.

Maxim schlägt zurück, haut Walid ebenfalls mit der Faust gegen den Kopf. Ich stehe fassungslos in der Eiseskälte und sehe, wie nun das erste Blut fließt. Tränen laufen über meine Augen und ich schluchze laut auf. Plötzlich werde ich von dem Türsteher, der mir vorhin schon nach drinnen gefolgt ist, sanft aber bestimmt nach hinten gezogen.

"Ich bringe dich rein", entscheidet er in einem Tonfall, der klar stellt, dass er keine Diskussion duldet. "Ich kann jetzt nicht rein", stammele ich und will mich wieder zu den beiden Männern drehen, die sich ein paar Meter von mir entfernt prügeln, doch Gino schiebt mich energisch weiter und gegen den Mann, der schätzungsweise zweieinhalb Mal so schwer ist wie ich,  habe ich keine Chance.

"Wieso geht denn keiner von euch dazwischen?", frage ich aufgelöst mit Blick auf die vier anderen Sicherheitsmänner, die neben der Eingangstür stehen und die Schlägerei entspannt, fast schon amüsiert
beobachten.

"Weil das nicht richtig wäre. Die beiden müssen die Sache jetzt einmal untereinander klären und dann ist auch gut. Wenn einer von uns jetzt dazwischen geht, sieht es aus, als könnte Maxim sich nicht alleine wehren."

Ich verstehe nicht, was er da sagt und sehe ihn fragend an.

"Das kannst du nicht verstehen, Mäuschen. Das ist so'n Männerding."

"Ihr könnt doch nicht einfach zusehen, wie die sich da halb tot schlagen", rufe ich hysterisch und Tränen laufen über meine Wangen.

"Lilli ist richtig, oder?", hakt er nach und bugsiert mich unbeirrt durch die Tür. "Ja", antworte ich leise. "Lilli, vertrau mir. Die beiden wissen schon was sie tun. So wie ich das rausgehört habe, hat der Junge mal eine Tracht verdient."

"Aber Maxim doch nicht", protestiere ich.

"Kilian, bring dem Mädchen mal was zu trinken", ruft Gino zur Bar rüber und schiebt mich dann auf eins der Sofas.

"Max weiß schon was er tut. Das ist nicht seine erste Schlägerei und vermutlich auch nicht die letzte", erklärt er pragmatisch.

Ich raufe mir verzweifelt durch mein blondes Haar und zupfe nervös an dem Saum meines Kleides herum.

Ein dunkelblonder Mann in Maxims Alter tritt neben mich und stellt ein Glas Cola vor mich auf den Tisch. Schweigend reicht er mir ein paar weiße Servietten und lächelt mich aufmunternd an. "Wird schon alles", kommentiert er mit ruhiger Stimme.

Dass Maxims Mitarbeiter alle so dermaßen ruhig und abgeklärt auf die Schlägerei reagieren, die gerade vor der Tür stattfindet und die sich für mich anfühlt wie ein Weltuntergang, macht mich fassungslos.

Wie können die das alles so runterspielen?

"Trink mal einen Schluck, bevor du uns hier gleich kollabierst", fordert Gino mich auf und deutet mit einem Kopfnicken auf das Glas vor mir.

Ich folge seiner Anweisung und nehme einen Schluck Cola. Mein Herz rast noch immer und ich habe das Gefühl, dass es mir gleich aus der Brust springt.

Meine Hände zittern so stark, dass mir das Glas fast aus der Hand rutscht, als ich es zurück auf den Tisch stelle.

Die nächsten Minuten sind quälend lang bis endlich die Eingangstür aufgeht und Maxim den Club betritt.

Erleichtert springe ich vom Sofa auf und laufe auf ihn zu. Seine Nase blutet und er hält sich seine rechte Hand, doch alles in allem sieht er weniger mitgenommen aus, als ich erwartet habe.

Ich will ihm in die Arme fallen, doch er hält abwehrend seine Hände hoch. "Warte kurz, Babe, ich muss erstmal mein Gesicht waschen bevor ich hier alles vollblute", erklärt er grinsend und verschwindet zu den Toiletten.

"Sage ich doch", kommentiert Gino schulterzuckend und grinst mich überlegen an. "Versuch dich wieder zu beruhigen. Alles ist gut. Sind nur ein paar Kratzer."

Es dauert ein paar Minuten bis Maxim wieder zu mir an den Tisch kommt. Sein Gesicht ist wieder sauber, seine Hand im Bereich der Knöchel aber ordentlich geschwollen. Sein Hemd sieht mitgenommen aus; es ist zerknittert, hängt an einigen Stellen aus der Hose und hat im Brustbereich ein paar Blutspritzer abbekommen.

"Danke, dass du sie reingebracht hast, Gino. Du hast genau richtig gehandelt", lobt Maxim den breiten Securitymann zufrieden und schlägt ihm anerkennend auf die Schulter.

Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich hoch. "Komm mal mit hoch Prinzessin, ich brauche ein sauberes Hemd."

Wir gehen die Treppen hoch in Maxims Büro. Er schließt die Tür hinter mir und sieht mir für einen Moment nur schweigend in die Augen, bis mir erneut die Tränen kommen und er mich seufzend an seine Brust zieht.

"Es tut mir leid, dass das alles passiert ist. Dass Walid da vor dem Haus auf dich gewartet hat und dich bis hierhin verfolgt hat; dass du solche Panik hattest.. Ich bin froh, dass dir nicht noch was schlimmeres passiert ist", spricht er leise in mein Haar und hält mich ganz fest an sich gedrückt.

"Nein, Maxim, es tut mir leid! Es tut mir leid, dass er dich geschlagen hat. Es tut mir leid, dass ich dich immer wieder in so eine Scheiße mit reinziehe", schluchze ich.

"Lilli, ich bitte dich", sagt Maxim leidend und hebt mein Kinn sanft an. Traurig sehe ich ihm in seine blauen Augen. "Das ist nicht deine Schuld. Und glaub mir, ihn hat es schlimmer erwischt als mich", sagt er zufrieden und zwinkert mir zu.

Ich schüttele nur gedankenverloren den Kopf. "Er ist mir einfach in der Dunkelheit vor's Auto gesprungen", erzähle ich und starre dabei auf meine Füße, die noch immer völlig unpassend in Sneakers stecken. "Elhamdulillah habe ich rechtzeitig die Zentralverriegelung reingemacht. Wer weiß, was er sonst mit mir gemacht hätte."

"Er wird nie wieder irgendwas mit dir machen, hörst du? Ich habe das mit ihm geklärt", stellt er klar.

Plötzlich fällt mir wieder ein, was Walid Maxim erzählt hat. "Ich habe nicht mit ihm geschlafen, Maxim. Seit wir beide wieder Kontakt haben, habe ich nicht einmal mit ihm geschlafen, wallah", beteuere ich.

Maxim schmunzelt. "Weiß ich doch. Da habe ich nicht eine Sekunde dran gezweifelt", sagt er und küsst mich liebevoll.

"Ich muss noch ein paar Sachen klären, dann fahren wir nachhause, okay? Gib mir nur eine halbe Stunde."

Irritiert sehe ich ihn an. "Wieso das denn? Dein Event geht doch gleich los."

"Ja, aber du willst bestimmt nicht mehr bleiben und ich will dich nicht alleine nachhause lassen."

Jetzt bin ich es, die Maxim anlächelt. Ich greife nach seiner Hand und drücke sie kurz. "Nein, Maxim. Ich lasse mich nicht mehr von ihm klein kriegen. Jetzt erstrecht. Ich habe mich auf diesen Abend gefreut und das lasse ich mir nicht von Walid kaputt machen."

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Meine Lieben,

Je näher wir dem Ende kommen, desto länger werden die Kapitel irgendwie 😂

Was sagt ihr zu Walids Aussagen über Lilli?

Und wie findet ihr eigentlich Gino?

Hoffen wir mal, dass das jetzt das letzte Zusammentreffen mit Walid war..

A.

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