3O.
Abbas sieht auf, nickt Maxim kurz zu und sieht mich dann an, als hätte er gerade einen Geistesblitz gehabt. "Was machst du eigentlich hier?"
"Als ich von Walid geflüchtet bin, wusste ich einfach nicht, was ich machen soll. Ich konnte keinen von euch anrufen, ich hatte Angst, dass dann alles nur noch schlimmer wird, deshalb habe ich Maxim angerufen. Er war zum Glück in der Nähe und ist sofort gekommen. Er hat mich angezogen, ist mit mir ins Krankenhaus gefahren und hat mich dann mit hier hin genommen."
"Geflüchtet?", fragt Abbas schockiert.
"Ja. Walid hat ja wie von Sinnen auf mich eingeprügelt bis Zeyd runter kam. Der hat zwar mehr oder weniger versucht Walid davon abzuhalten, was zwar nicht geklappt hat, aber immerhin hat er ihn so abgelenkt, dass ich abhauen konnte."
"Zeyd weiß also auch davon?"
"Ja, deshalb wundert es mich ja, dass noch nichts davon mitbekommen hast."
"Nein man, die haben das vor mir verheimlicht, die Bastarde", schimpft er wütend.
Maxim hat mittlerweile mit ein wenig Abstand neben mir auf der Couch Platz genommen. Ich rechne es ihm hoch an, dass er vor meinem Bruder aus Respekt die nötige Distanz zu mir wahrt und nicht wie sonst meinen Körperkontakt sucht. Das zeigt einmal mehr, wie feinfühlig und empathisch Maxim ist.
"Ich habe mich zwar schon gewundert, wieso ich im Moment so wenig von Walid höre, aber ich bin anfangs noch davon ausgegangen, dass du die ganze Zeit bei ihm bist. Dein Handy ist ja aus, ich konnte dich nicht erreichen und als ich dann vor zwei Tagen bei Walid im Laden war, habe ich erst erfahren, dass du gar nicht bei Walid warst und dass ihr euch gestritten habt. Er hat nichts davon gesagt, dass ihr euch endgültig getrennt habt und schon gar nicht davon, dass er dich verprügelt hat, dieser Hurensohn, sonst hätte ich ihn gleich auf der Stelle mit meinen bloßen Händen umgebracht", redet Abbas sich in Rage.
Ich nehme einen Schluck Kaffee und Abbas tut es mir gleich, bevor er weiter redet.
"Ich habe dann eins und eins zusammengezählt und wusste, wo ich dich suchen muss", sagt er und wirft Maxim einen düsteren Blick zu.
Der reagiert souverän wie eh und je und zuckt mit den Schultern. "Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich sie alleine, halbnackt und verletzt nachts auf der Straße hätte sitzen lassen?"
"Natürlich nicht, aber du hättest mir Bescheid geben müssen", wirft Abbas ihm vor.
"Das wollte ich aber nicht, Abbas", mische ich mich wieder ein. "Ehrlich gesagt warst du in dem Moment die letzte Person, mit der ich reden wollte. Ich wusste mir nicht anders zu helfen als Maxim anzurufen. Er hat mich ins Krankenhaus geschleppt und zur Polizei, er hat sich um mich gekümmert und er hat mir auch nahe gelegt dich anzurufen."
Abbas nickt schweigend. Dann hebt er den Kopf und fixiert Maxim mit einem eindringlichen Blick. Ruckartig steht er auf und mir rutscht augenblicklich das Herz in die Hose. Ich habe schon Angst, dass Abbas jetzt auf Maxim einschlägt, da hält er ihm überraschend die Hand hin. "Danke."
Maxim steht vom Sofa auf und reicht ihm ebenfalls die Hand. "Nicht dafür."
Die beiden setzen sich wieder hin und Abbas richtet sein Wort wieder an mich. "Also.. Seid ihr jetzt zusammen oder was?"
Mein Herz setzt einen Schlag aus. "Nein, sind wir nicht", antworte ich kleinlaut.
Abbas' skeptischer Blick brennt sich in meine Haut.
"Hast du Walid mit ihm betrogen Lilli? Sei ehrlich zu mir. Es juckt mich nicht, nachdem was er getan hat, hätte er das sogar verdient, aber ich will die Wahrheit wissen."
"Nein, ich schwöre bei Gott, wallah, ich habe ihn nie betrogen. In der Nacht wo ich damals bei Maxim geschlafen habe, bin ich wirklich einfach nur auf der Couch eingeschlafen."
"Das stimmt, sie musste ihr Handy aufladen, deshalb habe ich sie mit zu mir genommen. Ich habe keine Geschwister, aber ich hätte mir auch gewünscht, dass jemand das für meine Schwester tut. Ich wusste, dass sie Walids Freundin ist, aber ich scheiße auf ihn. Nach allem was er mir angetan hat bin ich ihm nichts mehr schuldig. Du hast dich zwar von ihm beeinflussen lassen und ich weiß, dass du auch keine gute Meinung von mir hast, aber du hast mir auch nie Unrecht getan. Ich bin loyal, auch wenn du mir das nicht glaubst. Sie hat getrunken, sie war 300 Kilometer von zuhause weg, ihr Akku war leer,-" "- und sie hat dir gefallen", fällt Abbas ihm ins Wort.
"Natürlich hat sie mir gefallen. Ich würde lügen, wenn ich was anderes behaupten würde. Sie hat mir schon gefallen, bevor ich wusste wer sie ist. Ja, ich habe sie angeflirtet, aber mehr auch nicht. Ich habe ihre Situation kein bisschen ausgenutzt. Ich habe ihr auch dazu geraten, sich wieder mit Walid zu versöhnen weil sie mir versichert hat, dass sie ihn liebt, obwohl ich nichts von ihm halte. Ich habe sie damals sogar angelogen und ihr die selbe Geschichte erzählt, die Walid euch erzählt hat. Dass er mich verdächtigt hat, Geld geklaut zu haben und wir uns deshalb zerstritten haben. Du kannst mir viel vorwerfen, bestimmt habe ich mich auch nicht immer richtig verhalten, aber ich habe deine Schwester nie schlecht behandelt."
"Du hast also kein Geld von eurem gemeinsamen Club unterschlagen?", hakt Abbas misstrauisch nach.
"Nein, man. Wieso sollte ich? Ein eigener Club war immer mein Traum, als ob ich das für ein paar Tausend Euro aufs Spiel setzen würde. So blöd kann keiner sein. Es hat damals wirklich Geld gefehlt, und als ich überprüfen wollte wo das hin ist, habe ich herausgefunden, dass Walid in unserem gemeinsamen Laden hinter meinem Rücken Schwarzgeld wäscht. Drogengeld. Wir haben uns zerstritten und er hat euch allen die Geschichte von der klauenden illoyalen Ratte verkauft."
"Aber wieso bist du dann aus München abgehauen und nach Stuttgart gegangen? Das war wie ein Schuldeingeständnis."
"Mir ist klar, dass das für euch so ausgesehen haben muss, aber Walid hat mir in München alles genommen: den Club, unsere gemeinsamen Freunde, mein Gesicht. Er hat mich vor allen Leuten schlecht gemacht. Ich hatte einfach keine Lust auf jahrelange Machtkämpfe, bei denen dank Walids Temperament am Ende noch einer von uns drauf gegangen wäre, deshalb habe ich einfach nachgegeben und mir in Stuttgart etwas neues aufgebaut", erklärt Maxim, was er auch schon mir erzählt hat.
"Ziemlich erfolgreich, wie ich gesehen habe. Villa, Rolex, Ferrari", kommentiert Abbas anerkennend.
"Es läuft gut für mich, ich kann mich nicht beschweren", räumt Maxim grinsend ein und hat wieder seinen typischen schelmischen Blick aufgelegt.
Auch Abbas muss lachen, wird dann jedoch wieder ernst. "Scheint als müsse ich mich bei dir entschuldigen. Tut mir leid, dass wir dir damals nicht mal die Chance gegeben haben, dich zu erklären. Ich kann gar nicht glauben, dass wir uns so sehr in Walid getäuscht haben, vor allem ich. Ich habe ihm zu einhundert Prozent vertraut, er war wie ein Bruder für mich, ich habe ihm meine Schwester anvertraut und ich habe mich selbst sogar seinetwegen gegen sie gestellt. Scheint, als war ich fast genau so ein Arsch wie Walid."
"Das stimmt", stimme ich ihm nüchtern zu.
"Es tut mir alles so leid, Lilli. Alles. Bitte verzeih mir", fleht er leise und geht vor mir in die Hocke. Sanft nimmt er meine Hände und sieht mir tief in die Augen.
"Lass mir etwas Zeit", bitte ich ihn traurig.
"Okay. Aber komm bitte wieder mit nachhause."
"Ich will nicht mehr nachhause, Abbas. Ich kann da einfach nicht mehr hin. Ich will nicht in Walids Nähe sein, ich habe Angst vor ihm. Was wird er tun, wenn wir uns irgendwo über den Weg laufen? Schlägt er mich dann wieder zusammen oder sticht er mich dieses Mal direkt ab?"
"Mach dir darum mal keine Sorgen", knurrt er. "Den knöpfe ich mir noch persönlich vor. Der wird dir nie wieder was tun."
"Nein, lass das bitte, Abbas. Das führt doch zu nichts. Ich habe ihn angezeigt und er wird seine gerechte Strafe bekommen."
"Aber bei uns regelt man das nicht mit Anzeigen, Lilli. Das ist Ehrensache, das weißt du genau", entgegnet Abbas wild entschlossen.
"Nein, Abbas. Lass das bitte. Das hilft keinem von uns. Ich will dich wirklich nicht in Stadelheim besuchen müssen."
"Aber wo willst du denn hin, wenn nicht nachhause?", wechselt Abbas wieder das Thema. "Es ist ja auch keine Dauerlösung, dass du jetzt bei Maxim bleibst."
Ich breche unwillkürlich in schallendes Gelächter aus, während Maxim neben mir nur ungläubig den Kopf schüttelt. Ich muss so sehr lachen, dass mir die Tränen kommen.
Abbas sieht verständnislos zwischen Maxim und mir hin und her, während ich erfolglos versuche mich zu beruhigen.
"Ihr seid sowas von gleich", schimpft Maxim. "Wieso geht das nicht? Lilli erzählt mir das auch die ganze Zeit, nur kann sie mir keine Gründe dafür nennen."
"Das geht nicht, das ist haram. Ihr seid nicht verheiratet, nicht mal verlobt. Sie kann nicht einfach so bei einem fremden Mann bleiben", argumentiert Abbas.
Wieder muss ich lachen. "Jetzt plötzlich kommst du Alman mit Tradition, Ehre, haram und halal. Bei Walid hab ich auch ein paar Wochen gewohnt, da hast du das nicht in den Mund genommen."
Dann wende ich mich an Maxim. "Es geht mir eher um den Anstand. Das ist dein Haus, du bezahlst alles, und ich kann mich hier nicht einfach ins gemachte Nest setzen und auf deine Kosten leben. Das wollte ich dir vorhin auch schon erklären, bis unser Gespräch unterbrochen wurde."
"Du kannst ja Miete zahlen", erwidert Maxim trocken.
Abbas will gerade etwas sagen, doch ich komme ihm zuvor. "Ich denke ich werde mir einfach eine eigene Wohnung suchen, unabhängig von euch beiden."
"Aber schon in München oder?"
"Ya rayyal", stöhne ich. Auch wenn Abbas und ich wenig und schlechtes Arabisch sprechen, so rutschen uns bestimmt Ausdrücke vor allem in Diskussionen dann doch des Öfteren mal raus. "La yujad fikra."
Abbas streicht sich durch sein dichtes schwarzes Haar. "Also wie stehen die Chancen, dass ich dich jetzt mit nachhause nehmen kann?", versucht er es noch einmal und ich sehe den kleinen Hoffnungsschimmer in seinen Augen.
"Gut, wenn es darum geht, dass ich ein paar Sachen und mein Auto hole, aber dann werde ich wohl wieder zurück fahren und erstmal noch ein paar Tage hier bleiben."
Maxim schenkt mir ein zufriedenes Lächeln, während Abbas trocken antwortet: "Dann habe ich ja drei Stunden Zeit, in denen du mir nicht entkommen kannst, um dich zu therapieren."
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Meine Lieben,
Was sagt ihr dazu, dass Abbas und Maxim sich endlich mal mehr oder weniger ausgesprochen haben?
Meint ihr, Abbas und Lilli werden sich wieder richtig versöhnen? Und denkt ihr, sie können an ihr gutes Verhältnis anknüpfen oder wird es nie wieder werden wie vorher?
Und wie wird es für Lilli weitergehen? Die Wohnsituation ist ja ein Dauerthema für sie, bei dem sie bis jetzt zu keiner Lösung kommt. Was würdet ihr euch für sie wünschen?
A.
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