36.

Als ich den Motor meines Wagens starte, verbindet sich mein iPhone automatisch mit dem Boardcomputer und auf dem breiten LCD-Display blinkt eine neue Nachricht von Abbas auf.

"Wow", ist alles, was er geschrieben hat. Ich klicke auf das Telefonhörer-Symbol neben seinem Namen und rufe ihn an. Ein einfaches Wow reicht mir als Antwort nicht aus und ich habe das dringende Bedürfnis mich bei ihm auszukotzen.

"Hi", tönt die tiefe Stimme meines Bruders bereits nach wenigen Sekunden aus den Boxen meines Wagens.

"Wie kann man so frech sein?", falle ich ohne jegliche Art der Begrüßung direkt mit der Tür ins Haus.

"Du hast mich eingefroren, du hast mich aufgetaut. Du hast mich eingetauscht, ich hab' dir auch vertraut", wiederhole ich die Worte, die Walid unter sein großkotzig grinsendes Bild geschrieben hat. "Ich habe ihn eingetauscht, ja? Er tut ja gerade so, als hätte ich ihn betrogen und nicht er mich. Nach allem was er mir angetan hat ist das Hohn und Spott und ein weiterer Schlag ins Gesicht."

Abbas seufzt leise. "Ich weiß. Ich dachte auch, ich muss kotzen, als ich das gelesen habe. Am liebsten hätte ich einen salzigen Kommentar darunter geschrieben."

"Ja ich auch. "Du hast mich 87x in einem Jahr eingetauscht, da habe ich dir auch noch vertraut" zum Beispiel. Und dann sein selbstgerechtes Grinsen.. Ich muss ihn dringend bei Instagram blockieren", knurre ich.

"Ja, besser ist das. Du solltest dir seinen Scheiß gar nicht mehr geben. Aber vorher postest du noch ein richtig schönes Bild von dir, damit er sieht, dass er dich nicht unterkriegen kann. Er soll ja nicht denken, er hätte irgendwas gewonnen."

"Ja du hast Recht", pflichte ich ihm bei. "Das mache ich morgen direkt."

Es tut mir wirklich gut mich ungefiltert bei Abbas über Walid auszulassen während ich Maxims feuerrotem Sportwagen durch die dunklen Straßen Stuttgarts folge. Ich überlege kurz, ob ich meinem Bruder auch von meinem anderen Problem erzählen soll, entscheide mich jedoch dagegen. Jetzt, wo er gerade dabei ist, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass Maxim ein Teil meines Lebens ist, will ich ihm nicht gleich einen Grund geben, der dagegen spricht.

"Reg dich nicht mehr über ihn auf, Habibte, das ist er nicht wert. Auch er wird seine gerechte Strafe noch bekommen", besänftigt Abbas mich mit ruhiger Stimme.

"Ja, ich weiß. Ich wünsche ihm auch nichts schlechtes, ich wünsche ihm nur, dass er sich irgendwann mal selbst begegnet."

"Gott ist groß", merkt Abbas an.

"Ja", sage ich nachdenklich.

"Mach dir keinen Kopf, alles wird gut, okay?"

Maxim biegt langsam in seine Einfahrt und ich folge ihm mit Schrittgeschwindigkeit.

"Okay. Wir sind jetzt auch bei Maxim angekommen, waren bis gerade noch in seinem Laden. Wir hören uns morgen, okay?"

Die Rücklichter von Maxims Wagen blinken kurz auf und Maxim zeigt mir mit einem Handzeichen an, meinen Wagen neben seinen in die Garage zu stellen. Langsam lasse ich meinen Panamera ausrollen und komme neben ihm zum Stehen.

Ich stelle den Motor ab, woraufhin die Innenbeleuchtung meines Porsche angeht. Ich beobachte Maxim dabei, wie er aus seinem Wagen steigt.

"Okay, machen wir. Und wenn du reden willst ruf mich an, ja?", ertönt wieder Abbas' Stimme.

"Danke Abbas", antworte ich lächelnd.

Maxim öffnet ungeduldig meine Fahrertür und sieht mich misstrauisch an, da ich keine Anstalten mache, auszusteigen.

"Nicht dafür. Bis morgen", verabschiedet sich mein Bruder und legt auf. Ich ziehe den Schlüssel ab und steige aus dem Wagen.

"War das Abbas?", fragt Maxim und tritt neben mich ans Heck der weißen Limousine. "Ja", antworte ich kurz und öffne per Knopfdruck den Kofferraum, in dem ich zwei Reisekoffer und einen großen Louis Vuitton Weekender verstaut habe.

Maxim legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich an sich. Zufrieden grinsend drückt er mir einen Kuss auf die Wange. "Also bleibst du doch noch ein bisschen", stellt er siegessicher fest und spielt damit auf die Menge der Gepäckstücke an. "Ich ziehe mich einfach gerne um", gebe ich ihm einen Korb und zwinkere ihm zu.

Maxim nimmt die beiden Koffer aus meinem geräumigen Kofferraum und bringt sie Gentleman-like zur Haustür. Ich schließe meinen Wagen per Kopfdruck ab und folge ihm mit meiner großen Tasche über der Schulter.

Als ich den minimalistischen Flur betrete, spüre ich wieder eben jene Geborgenheit, die ich zuhause nicht mehr vernommen habe. Der vertraute Geruch gibt mir sofort wieder ein Gefühl von Sicherheit.

Ich streift meine Sneakers von meinen Füßen und stelle sie ordentlich im Flur vor Maxims Schuhschrank. Der tut es mir gleich und lässt meine Koffer achtlos im Flur stehen.

"Komm mal bitte mit", fordert er mich auf. Er steht im Durchgang vom Flur zum offenen Wohnbereich, stützt seine Hände in die Hüften und beobachtet mich aufmerksam.

Sein Tonfall verrät mir, dass er mit mir reden will. Er hat mich ja schon vor dem 92 gefragt, was mit mir los ist, und auch wenn er meinem Wunsch gefolgt ist, dass wir einfach nachhause fahren, scheint er noch immer eine Erklärung für meine angespannte, schweigsame Stimmung zu wollen.

"Okay", antworte ich leise und beiße mir unsicher auf die Unterlippe, während ich den hellen Flur durchquere.

Maxim setzt sich auf die dunkle Couch und ich lasse mich mit ein wenig Abstand neben ihn fallen. Er zieht seine Augenbrauen kritisch zusammen und rückt dann zu mir auf. Er legt seine Hand in meine und fragt: "Erklärst du mir jetzt was mit dir los ist?"

"Was meinst du denn?", hake ich nach.

"Na das fing schon vorhin im Club an. Ich habe mich total gefreut dich wieder zu sehen, du hast mir wirklich gefehlt, aber du warst total verhalten und auffällig still. Und als ich dann abhauen wollte, hattest du plötzlich Tränen in den Augen und wolltest mir nicht sagen wieso. Liegt es daran, dass ich dich so lange warten lassen habe? Das tut mir echt leid, aber der Termin war wirklich wichtig", rechtfertigt er sich und beschert mir damit direkt ein schlechtes Gewissen.

"Nein, es ist nicht deine Schuld", erkläre ich. "Ich habe vorhin bei Instagram gesehen, dass Walid ein Bild hochgeladen hat mit einem fiesen Seitenhieb an mich und das hat mich etwas aus der Bahn geworfen", gebe ich zu.

"Was hat er denn geschrieben?", hakt Maxim nach und streicht mit seinem Daumen leicht über meinen Handrücken.

"Irgendwas mit "Du hast mich eingetauscht, ich hab' dir auch vertraut" oder so", erzähle ich und verdrehe dabei genervt die Augen.

"So ein Spinner", schimpft Maxim und seine hellblauen Augen funkeln bedrohlich. "Scheiß drauf, echt. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber lass ihn labern. Wenn er sich einreden will, dass du ihn mit mir betrogen hast und das der Grund für eure Trennung sei, dann soll es so sein. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt und das ist das Wichtigste."

Ich nicke schweigend.

"Das ist aber nicht alles", vermutet Maxim und sieht mir prüfend in die Augen.

"Wie kommst du darauf?", frage ich scheinheilig nach, obwohl er natürlich richtig liegt. Auch wenn ich nicht darüber reden will was mich bedrückt, hat er es eben auch nicht verdient von mir angelogen zu werden.

"Ich kenne dich jetzt auch schon ein bisschen. Ich habe das Gefühl, dass es etwas mit Mara zu tun hat, kann das sein?"

Ich atme tief durch und fühle mich von ihm ertappt. War meine Eifersucht so offensichtlich? Und wie soll ich ihm meine Gefühle und mein Verhalten erklären ohne übertrieben besitzergreifend zu wirken?

"Frauen wie sie schüchtern mich einfach ein", versuche ich es vorsichtig.

"Was meinst du mit Frauen wie sie?"

"Sie ist so schön, sie wirkt so selbstbewusst und wie jemand, der sich nimmt was er will", erkläre ich Maxim den ersten Eindruck, den ich von Mara gewonnen habe.

Maxim lacht leise. "Ja, das stimmt schon. Sie kann ein richtiges Biest sein, aber eigentlich ist sie eine ganz Liebe. Sie hat damals mit achtzehn im Vanity angefangen zu kellnern neben ihrer Ausbildung, sie hat Kauffrau für Versicherungen und Finanzen oder irgend so 'nen Scheiß gelernt und ist danach voll im Vanity eingestiegen. Sie arbeitet jetzt seit sechs oder sieben Jahren für mich, wie ich vorhin schon sagte mittlerweile als meine Assistentin, weil sie sich über all die Jahre einfach bewiesen hat. Sie ist verlässlich, loyal und gewissenhaft. Sie regelt viel so Buchhaltungskram für mich und ist eine gute Führungskraft, deshalb ist sie auch viel im Maximum. Ich weiß, dass sie den Laden im Griff hat, wenn ich mal nicht da bin", erklärt er mit ruhiger Stimme. "Ich weiß, dass sie manchmal ziemlich einschüchternd wirken kann, dabei hast du sie noch nichtmal in Aktion erlebt, aber ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist, der sich davon unterkriegen lässt. Da hast du doch wirklich keinen Grund zu."

"Ich weiß auch nicht. Ich war halt immer viel mit meinen Brüdern und den Jungs zusammen, da waren selten andere Frauen bei und ich war immer die Prinzessin auf der Erbse. Alle haben mich geliebt, alle haben mich geschützt, und wenn nicht, dann hatte ich gleich mehrere Männer um mich, die für mich in die Bresche gesprungen sind. Ich bin es einfach nicht gewohnt, so für mich alleine zu stehen und mit solchen Situationen konfrontiert zu werden."

"Was für Situationen meinst du denn?", fragt er hellhörig und legt den Kopf ein wenig schief. "Es ist ja nichts passiert. Sie war einfach dabei, auf der Arbeit. Sie hat ja jetzt nix schlimmes gesagt oder getan, oder habe ich was verpasst?"

"Nein, es liegt weniger an ihr sondern mehr an mir und meinen Gedabken", gebe ich vorsichtig zu.

"Was denn für Gedanken?", hakt er wieder irritiert nach. Dann erhellt sich sein Gesicht plötzlich und ich sehe den leichten Ansatz eines Schmunzelns auf seinem Mund. "Bist du etwa eifersüchtig auf Mara?"

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Meine Lieben,

Was sagt ihr zu dem Gespräch zwischen Abbas und Lilli?

Könnt ihr Lillis Aussage "Frauen wie sie schüchtern mich einfach ein" verstehen? Gibt es für euch auch solche Frauen?

Und meint ihr, Lilli wird zugeben, dass sie eifersüchtig ist oder wird sie sich die Blöße nicht geben?

A.

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