25.
"Herr von Maylan? Maxim von Maylan?", ist das erste was ich sage, als wir wieder in Maxims Wagen sitzen.
"Ja. Und?", fragt er verständnislos.
"Ich wusste ja gar nicht, dass du adelig bist", feixe ich grinsend. Maxim lacht leise auf. "Der Urgroßvater meiner Urgroßmutter im 18. Jahrhundert war vielleicht mal adelig", spottet er und startet den Motor.
"Hast du jetzt noch was vor?", frage ich ihn, während er ausparkt.
"Nein, wieso?"
"Wenn du Lust hast, könnten wir ja einen kurzen Abstecher in die Stadt machen. Ich würde mir gerne nochmal ein paar Klamotten holen", schlage ich vor.
Maxim erklärt sich einverstanden und so finden wir uns eine gute halbe Stunde später in der Fußgängerzone der Stuttgarter Innenstadt wieder.
"Suchst du was bestimmtes?", fragt Maxim und läuft neben mir her. Er sieht mal wieder aus wie einem Streetstyle-Blog entsprungen mit seinem blaukarierten Flanellhemd, welches er offen über einem Shirt trägt, zu einer dunklen Jeans und blau gemusterten limitierten Nikes.
Er ist ein richtiger Sneakerfreak und seine Sammlung an limitierten Turnschuhen umfasst in etwa den Wert eines Kleinwagens.
Neben ihm sehe ich in der schwarzen Leggings, einem einfachen weißen Shirt und meiner dicken schwarzen Winterjacke völlig unscheinbar aus.
"Nein, nix bestimmtes. Vielleicht mal 'ne Jeanshose und einen schönen Mantel oder so. Kann ja nicht angehen, dass ich neben dir immer aussehe, als ob ich gerade aus dem Bett komme", spotte ich über meinen eigenen Aufzug.
"Das trifft aber auch maximal auf die letzten paar Tage zu und das aus gutem Grund. Normalerweise bist du doch die Style-Ikone", erwidert er grinsend und kneift mir leicht in die Wange.
"Ja, stimmt schon. Ich muss mir jetzt langsam aber auch echt mal was überlegen. Das ist ja keine Dauerlösung. Vielleicht können wir heute Abend mal zusammen nach Wohnungen schauen", schlage ich vor.
Maxims Gesicht verdunkelt sich ein wenig. "Hältst du es schon nicht mehr mit mir aus?", fragt er und zündet sich eine Zigarette an.
Ich hake mich bei ihm ein und lehne meinen Kopf gegen seinen Oberarm. "Schwachsinn", gebe ich leise zurück. "Aber ich muss mir ja trotzdem langsam mal was überlegen. Ich kann ja jetzt nicht Jahrelang einfach bei dir wohnen."
"Wieso nicht? Ist es nicht normal, dass man im Laufe einer Beziehung zusammenzieht?"
Erschrocken weiche ich ein Stück zurück und sehe ihn aus großen Augen an wie ein Reh im Scheinwerferlicht. "Im Laufe einer Beziehung" hallen seine Worte wie ein Echo durch meinen Kopf. Ich glaube, ich muss da ganz dringend nochmal was klar stellen.
"Würdest du das zwischen uns als eine Beziehung bezeichnen?", frage ich vorsichtig nach und löse mich von ihm. Ich will ihm nicht vor den Kopf stoßen, aber ihn in dem Glauben zu lassen, dass das zwischen uns schon jetzt eine ernsthafte Beziehung ist, will ich auch nicht. Nach allem, was er für mich getan hat, verdient er nichts als die Wahrheit und gerade in dieser speziellen Situation, in der ich Asyl bei ihm suche, kann ich mir vorstellen, dass er sich sonst hinterher ziemlich benutzt fühlt, sollte heraus kommen, dass ich unser Verhältnis ganz anders beurteile als er.
"Keine Ahnung, ich denke wir sind schon mehr als gute Freunde, du bist jedenfalls mehr für mich. Aber ich finde auch nicht, dass man alles immer gleich zwingend kategorisieren muss. Es fühlt sich gut an, was auch immer das zwischen uns gerade ist, und das ist doch die Hauptsache oder?"
Erleichtert atme ich auf. Anscheinend gehen unsere Ansichten doch absolut miteinander d'accord. Besser hätte ich es selbst nicht in Worte fassen können.
"Finde ich gut", erwidere ich lächelnd.
"Und außerdem: Was nicht ist, kann ja noch werden. Ich sprach ja vom Lauf einer Beziehung und nicht davon, an welchem Punkt dieser Reise wir sind", schiebt er selbstsicher hinterher und grinst mich an.
Ich kann nicht anders, als ihn in den Arm zu nehmen. Maxim schnippst seine Zigarette auf den Boden und legt seine Arme schützend um meinen schmalen Körper. Er vergräbt seine Nase in meinem blonden, zusammengebundenen Haar und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe.
"Alles wird gut, Prinzessin, okay?", nuschelt er leise. Ich schlinge meine Arme noch etwas enger um seinen breit gebauten Körper und ziehe ihn an mich. Ich glaube ihm das. Er strahlt eine solche Sicherheit und Gelassenheit aus, dass ich nicht an seinen Worten zweifeln kann.
"Danke. Für alles", murmele ich leise.
Wir stehen mitten in der belebten Innenstadt, doch ich blende alles um mich herum aus. Die Stimmen erlöschen, ich schließe die Augen und nehme nichts mehr wahr als die Wärme die Maxim ausstrahlt, physisch und emotional.
Ich kann gar nicht sagen, wie lange wir so verharren, Arm in Arm, bis wir uns voneinander lösen und beschließen, weiter zu gehen.
Wenig später finde ich mich in der Umkleidekabine des Zara-Stores wieder und habe einige Sachen ausgewählt und an die Haken gehangen. Maxim hat vor der Kabine auf einem Hocker Platz genommen und wartet darauf, dass ich ihm die Sachen präsentiere.
Zuerst ziehe ich eine karierte Hemdjacke aus einem dicken Flanellstoff an. Sie ist in Lila- und Cremetönen gehalten und gefällt mir ziemlich gut. "Und?", frage ich und schiebe den schweren Stoffvorhang beiseite. Maxim sieht von seinem Handy auf und schenkt mir ein warmes Lächeln. "Sieht gut aus", kommentiert er meine Wahl. "Sowas gefällt, mir wie du siehst", erklärt er grinsend und blickt an sich herunter auf seine eigene karierte Hemdjacke.
"Ja, ich dachte, wir gehen ab jetzt im Partnerlook", erkläre ich ebenfalls grinsend und zwinkere ihm zu.
Es tut mir gut, ein bisschen Normalität mit ihm zu erleben und meinen Kopf abzuschalten, nachdem unsere gemeinsame Zeit bisher stets von unerfreulichen Ereignissen überschattet war.
Ich gehe zurück in die Umkleidekabine, ziehe die Jacke aus und stattdessen eine enggeschnittene Skinny Jeans an. Unzufrieden drehe ich mich vor dem Spiegel hin und her. Irgendwie gefällt mir die Hose nicht. Sie sitzt nicht so, wie sie sollte. Sie ist deutlich zu locker und macht auch keinen schönen Po.
Trotzdem, oder gerade deshalb schiebe ich erneut den Vorhang zur Seite und drehe mich demonstrativ vor Maxim um meine eigene Achse.
"Nimm's mir nicht übel, aber die Hose sieht nicht aus", erklärt er ehrlich.
"Sehe ich genau so", antworte ich und nicke ihm zu.
Erleichtert atmet er aus. "Puh, ich dachte schon, ich sage jetzt was falsches und du machst einen Aufstand. Meine Ex wäre schon an die Decke gegangen."
Interessiert drehe ich mich noch einmal zu ihm und sehe ihn prüfend an. "Wie war sie so? Deine Ex, meine ich."
Ich lasse mich in der schlecht sitzenden Jeans auf den Hocker neben ihm fallen und sehe ihn erwartungsvoll an. Der Laden ist sowieso kaum besucht zu dieser frühen Uhrzeit und so will ich die Gelegenheit nutzen, mehr über seine vorherige Beziehung zu erfahren, wenn er dieses Thema eh schon anschneidet.
"Sie war kein schlechter Mensch, sie hat mir auch nichts schlechtes getan, es hat nur einfach nicht gepasst mit uns. Sie hieß Laura und wir haben uns damals kennen gelernt, da sie für mich gekellnert hat. Wir haben uns gut verstanden und waren auf einer Wellenlänge und ziemlich schnell hat sich aus dieser Freundschaft mehr entwickelt. Im Laufe der Zeit hat sich dann aber herauskristallisiert, dass wir einfach zu verschiedene Ansichten in einigen grundlegenden Dingen hatten, sodass ich mich von ihr getrennt habe."
"Was waren das für Dinge?", frage ich neugierig.
"Ein häufiger Streitpunkt zwischen uns war der Umgang mit Geld. Sie hatte nie viel, hat studiert und nebenbei halt bei mir gekellnert. Sie hat schon alleine gelebt und ihren Fokus immer auf ihr Äußeres gelegt. Sie hat ihr gesamtes Geld für Klamotten, Makeup, Friseurbesuche und Beauty-Behandlungen ausgegeben. Wenn sie ein Paar Schuhe unbedingt haben wollte, dann hat sie das einfach auf Raten gekauft, auch wenn sie wusste, dass sie sich das eigentlich nicht leisten kann. Ich hatte deutlich mehr Geld als sie, und auch wenn ich teure Sweater trage und übertrieben überteuerte Turnschuhe sammle, so ist das für mich nicht wichtig. Es ist etwas, was ich mir leiste, weil ich es kann, aber wenn ich morgen kein Geld mehr hätte, wäre es das erste, worauf ich verzichten würde. Bei ihr ging das allerdings so weit, dass sie lieber auf essenzielle Dinge verzichtet hat wie auf Essen oder auch mal die Stromrechnung statt auf Extensions oder Botox.
Im Laufe der Zeit kam heraus, dass sie sich bereits ordentlich verschuldet hat. Sie sah aber trotzdem nicht ein, ihren Lebensstandard mal ein wenig herunterzufahren. Ich habe ihr öfter mal aus der Patsche geholfen, wenn ihr Kühlschrank wieder komplett leer war oder der Energieversorger drohte ihr den Strom abzustellen. Du kennst mich, ich würde weder das Geld zurück verlangen noch irgendeine Gegenleistung erwarten, aber sie hat das nicht nur für selbstverständlich genommen, sondern es auch irgendwann regelrecht von mir erwartet, dass ich sie finanziell unterstütze. Weißt du, wenn man fest zusammenlebt oder lange zusammen ist, dann ist es für mich selbstverständlich, dass ich nicht zwischen "deins" und "meins" unterscheide, aber an dem Punkt waren wir halt noch lange nicht. Ich wollte ihr Freund sein und nicht ihr Hauptsponsor. Sie hat das nicht verstanden, sie hatte kein Verständnis für meine Prinzipien und hielt mich für geizig."
Traurig sehe ich Maxim an. "Das tut mir leid für dich, sowas geht gar nicht. Ich mag es nicht, wenn Menschen Dinge als selbstverständlich ansehen, egal ob materiell, finanziell oder sonstiges. Ich würde immer für mich selbst sorgen wollen und auch wenn ich immer auch von dem finanziellen Polster meiner Eltern lebe, habe ich trotzdem meine Einnahmen durch den Sport, Werbeverträge und sowas."
"Ach weißt du, man kann das auch gar nicht vergleichen. Du wolltest shoppen gehen und wir sitzen hier bei Zara obwohl ich mir sicher bin, dass du dich auch problemlos bei Prada einkleiden könntest. Du brauchst das einfach nicht, genau so wenig wie ich. Für dich sind Luxusgüter auch nur Luxus. Wir haben da einfach die gleichen Ansichten und ich denke auch, dass das nicht anders wäre, wenn wir in einer anderen finanziellen Position wären."
"Das ist wie mit den Autos", ewidere ich nachdenklich.
"Wie meinst du das?"
"Ich liebe schöne, schnelle Autos. Das ist etwas, wo ich wirklich gerne Geld für ausgebe, aber ich würde mir niemals auf Krampf für ein Drittel meines Gehalts einen Benz leasen, den ich dann sowieso immer nur auf Reserve fahren würde, weil er so teuer im Unterhalt ist. Da würde ich mir lieber einen Polo holen und hätte noch Geld zum leben."
"Genau das meine ich. So sehe ich das auch. Aber gerade in unserem Alter haben viele einfach andere Prioritäten und das finde ich ziemlich traurig."
Zustimmend nicke ich. "Du hast vollkommen Recht. Ich gehe mich mal wieder umziehen, sonst sitzen wir morgen noch hier", schlage ich vor und verschwinde wieder in die Umkleidekabine.
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Meine Lieben,
Was sagt ihr zu Laura?
Und was sagt ihr zu Maxims Einstellung zu Geld und Luxus?
Was ist euer Luxus, den ihr euch am liebsten gönnt/gönnen würdet, wenn ihr könntet?
A.
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