I8.
Wir setzen uns auf die kleine schwarze Ledercouch in Walids Büro und ich ergreife schnell das Wort, bevor Walid etwas sagen kann: "Es tut mir leid, was ich getan hab. Es tut mir leid, dass ich kein Verständnis für dich hatte. Und es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Das war wirklich respektlos. Ich weiß selbst nicht, was da in mich gefahren ist. Sowas wird nie wieder passieren. Die ganze Situation ist neu für mich und ich bin damit echt überfordert. Ich glaube, dir geht es genau so, aber anstatt zu streiten und uns zu trennen sollten wir zusammen daran arbeiten und kämpfen. Wir haben beide schlechte Erfahrungen gemacht aber wir müssen die Vergangenheit los lassen, damit unsere Zukunft beginnen kann."
Walid nimmt behutsam meine Hand und sagt: "Ist nicht schlimm. Irgendwie bin ich sogar froh, dass du mir eine Ohrfeige gegeben hast. In dem Moment habe ich gemerkt, wie viel ich dir bedeute, auch wenn das paradox klingt. Wenn ich dir egal wäre, wärst du niemals so ausgerastet und hättest dich vergessen. Jeder Mensch muss mindestens einen Fehler begehen um daraus lernen zu können. Meiner war dich gehen zu lassen an dem Abend. Und ja, mich überfordert die ganze Situation auch. Es sind so viele neue Gefühle und Situationen. Ich glaube ja eigentlich gar nicht, dass du mich belügst oder betrügst. Ich hab einfach nur Angst. Ein gebranntes Kind meidet das Feuer."
Ich antworte versöhnlich: "Ich weiß. Aber durch meine Enttäuschung habe ich da keine Rücksicht drauf genommen. Wir dürfen nicht gegeneinander kämpfen sondern miteinander. Ich werde dir einfach helfen, zu lernen, mir zu vertrauen. Ich will dich nicht verlieren. Ich hatte wirklich Angst, dass es das war mit uns."
"Nein Lilli. Es war so, seitdem ich dich bei der Eröffnungsfeier gesehen habe, es ist so, und wenn du es zulässt, wird es auch immer so sein - in meinem Herzen nur du."
Sowas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt. Gerührt schaue ich Walid in die Augen. Er streicht behutsam eine Haarsträhne hinter meiner Ohr und berührt dabei leicht meine Wange.
Er lässt seinen Blick nicht eine Sekunde von mir und ich versinke in seinen wunderschönen Augen. Er kommt mir noch näher, so nah, dass zwischen uns höchstens noch ein Blatt Papier passen würde.
Ich inhaliere seinen süßen Geruch. Er riecht immer nach einer Mischung aus Haargel und dem Duft One Million.
Zwischen uns funkt es so extrem, dass ich es nicht mehr aushalte. Ich bewege meinen Kopf ein kleines Stück nach vorne, überwinde die letzten Millimeter, die uns noch voneinander trennen und drücke meine Lippen auf seine.
Der Kuss fühlt sich weich wie Wolken an. Sein Bart kratzt leicht über mein Kinn und unsere Lippen bewegen sich synchron. Ich spüre seine Hand, die in meinen Nacken fasst und lege gleichzeitig meine Hände an seine muskulöse Brust.
Auch wenn dieser Kuss nicht unser erster Kuss ist, ist er definitiv der intensivste.
Wir küssen uns sehr lange, bis es plötzlich an der Tür klopft. Walid löst sich missmutig von mir und ruft barsch: "Ja?"
Die Tür öffnet sich und einer von Walids Mitarbeitern sagt: "Chef, bitte entschuldigen Sie die Störung. Wir brauchen Sie dringend unten, es gibt Probleme mit der Zapfanlage."
Walid antwortet: "Ich komme sofort" und der junge Mann schließt wieder die Tür des Büros.
Walid schaut mich entschuldigend an und sagt mit einem schiefen Grinsen: "Du hast es gehört. Die Jungs brauchen ihren Chef."
Ich grinse zurück und antworte: "Nicht schlimm, Baby. Ich muss eh mal langsam zurück zu Kitty."
"Okay Schatz, mach das. Wir sehen uns gleich, ich komme zu euch, wenn ich fertig bin", sagt Walid und küsst mich auf die Wange. Wir laufen noch zusammen die Treppen runter und dann trennen sich unsere Wege.
Ich laufe durch den halben Club um Kitty zu finden und bekomme schon ein schlechtes Gewissen, bis ich sie plötzlich sehe. Lachend und mit einem Champagner-Glas in der linken und einer Zigarette in der rechten Hand sitzt sie an einem Tisch mit zwei anderen Mädels und drei Kerlen.
Sie unterhält sich gerade sehr angeregt mit einem jungen dunkelhäutigen Mann mit einem kurz geschorenen Afro. Ich tippe ihr von hinten auf die Schulter.
Sie dreht sich um und sie ruft laut: "Ah, meine Freundin. Lilli, mein Engel, wo warst du denn?"
Ich antworte lachend: "Bei Walid, wir haben uns ausgesprochen. War ich zu lange weg? Tut mir leid!"
Sie lacht laut auf. "Nein, warst du nicht. Ich wurde gut unterhalten von meinem neuen Freund Troy hier", sagt sie und zeigt auf den jungen Mann neben ihr.
Kittys "neuer Freund Troy" reicht mir daraufhin höflich die Hand.
Ich setze mich neben Kitty und wir stoßen erneut mit Champagner an. Das Gespräch mit Walid hat mich wieder nüchtern gemacht, deshalb ist ein Gläschen noch drin. Kitty hingegen ist alles andere als nüchtern. Da es ihr augenscheinlich aber noch gut geht, steht es mir nicht zu, sie zurechtzuweisen.
Kitty unterhält sich weiter mit dem jungen Mann und ich stelle mich nun der Vollständigkeit halber auch noch den anderen vier Leuten am Tisch vor.
Sie sind wirklich sehr nett und zuvorkommend. Sie bieten mir Getränke an und unterhalten sich angeregt mit mir.
"Guten Abend alle miteinander", höre ich irgendwann Walids tiefe Stimme. Die anderen begrüßen ihn freundlich und ich zwinkere ihm zu.
"Ich habe mich zu Kitty und ihrem neuen Freund Troy gesetzt", informiere ich Walid lachend. "Das ist mein Freund Walid", teile ich den anderen mit.
Walid nickt höflich und gibt einem nach dem anderen die Hand. Dann sagt er höflich: "Wenn ich irgendwas für euch tun kann, sagt es mir bitte."
Cara, eines der Mädels, schaut ihn verwundert an und fragt: "Arbeitest du hier?" Walid unterdrückteein Grinsen und antwortet: "Sozusagen."
Dann wendet er sich wieder mir zu und sagt: "Ich muss noch mal weiter, mein Engel. Bleibt ihr noch lange? Dann kann ich euch gleich nachhause fahren. Ich wollte so in einer Stunde abhauen, da ich früh raus muss. Eher kann ich leider nicht gehen, da ich noch was zu erledigen hab."
Ich überlege gerade das Angebot anzunehmen, als Kitty neben mir plötzlich anfängt zu würgen. Ich schaue sie erschrocken an und in dem Moment kotzt sie hinter die Couch.
Walid zückt völlig unbeeindruckt ein kleines Funkgerät und sagt: "Bitte jemand zum Putzen in den Lounge-Bereich, Tisch 17. Danke." Anscheinend ist sowas sein Daily Business.
Kitty hingegen läuft vor lauter Scham rot an. Sie entschuldigt sich tausend Mal bei Troy und bei mir und bei Walid und auch bei allen anderen.
Walid antwortet nüchtern: "Ach was, passiert. Du glaubst gar nicht wie oft."
Auch Troy nimmt es gelassen, streichelt ihr über den Rücken und sagt liebevoll: "Das ist uns doch allen schon Mal passiert."
Ich sage zu Walid: "Also ich denke, wir hauen dann jetzt sofort ab, wir nehmen einfach ein Taxi, aber danke für dein Angebot."
"Kein Problem Schatz. Passt auf euch auf. Ich habe morgen früh schon um 8 Uhr einen Termin mit einer Innenausstatterin und komme danach zu dir. Ich bringe Brötchen mit, dann können wir zusammen frühstücken, okay?" Ich nicke zustimmend und küsse ihn kurz.
Kitty und ich verabschieden uns von Troy und seinen Freunden und laufen zum Ausgang, wo Walid schon mit unseren Jacken auf uns wartet. Er verabschiedet uns und wir gehen einem der vielen Taxis, die vor dem Club stehen.
Auf dem Weg zum Taxi biete ich Kitty an: "Süße, ich komme mit zu dir. Ich will dich jetzt nicht alleine lassen, wenn es dir nicht so gut geht. Außerdem steht Abbas' Auto eh noch bei dir." Sie stimmt mir zu und ist offensichtlich ziemlich froh darüber, nicht alleine nachhause zu müssen.
Wir steigen in das erstbeste Taxi, setzen uns auf die Rückbank und geben dem grauhaarigen Taxifahrer Kittys Adresse.
Er fährt langsam durch die Stadt und ich frage Kitty währenddessen, woher eigentlich dieser Troy auf einmal kam. Kitty erzählt mir, dass sie getanzt hat und er sie dann antanzte. Sie kamen ins Gespräch und er lud sie ein, sich zu seinen Freunden und ihm zu setzen.
Ich höre ihr interessiert zu. Als sie eine kurze Pause macht, schaue ich nach vorne, um den Preis auf dem Taxameter zu checken. In dem Moment sehe ich einen roten Kleinwagen, der mit erhöhter Geschwindigkeit auf uns zukommt.
Ich schreie erschrocken: "Achtung, da.."
Weiter komme ich nicht.
Mit einem lauten Knall rast das rote Auto frontal in das Taxi.
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