I7.
Am späten Nachmittag nehme ich meine große schwarze Weekender-Bag von Louis Vuitton und packe verschiedene Outfits, meine Schminke und einen Lockenstab ein. Dann wähle ich eine Clutch und Highheels für den Abend und stopfe sie ebenfalls in die große Tasche.
Ich ziehe mir einen New York Yankees-Hoodie drüber und setze eine Cappie auf. Dann schlüpfe ich in meine Sneakers, sammel noch meine mein Portemonnaie und meinen Schlüsselbund zusammen, hole eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank und verlasse das Haus.
Kitty wohnt etwas weiter weg, sodass ich gut eine Viertelstunde mit dem Auto zu ihr fahren muss.
Ich laufe gedankenverloren über den Hof, als mir plötzlich ein Geistesblitz kommt: Ich habe ja gar kein Auto mehr. Ich schlage mir vor die Stirn und fluche laut: "Scheiße, scheiße, scheiße!"
Ich hole mein Handy raus und rufe Abbas an. "Abbas, hi. Ich bin gerade rausgegangen, um zu Kitty zu fahren und dann ist mir aufgefallen, dass ich ja gar kein Auto mehr habe."
"So dämlich kannst auch nur du sein", antwortet er lachend. "Sehr charmant, vielen Dank. Kann ich bitte deinen Wagen nehmen?" Stille.
"Lilli, ich bin mit dem M3 gefahren. Zuhause steht nur der Maserati. Den meinst du doch hoffentlich nicht oder?", fragt Abbas vorsichtig.
Mein Blick fällt auf seinen beigefarbenen Maserati Quattroporto. Der Wagen ist noch ein bisschen größer als sein M3 und mit über 120.000 sogar noch teurer als mein Porsche. Er hat 430 PS und ist Abbas Heiligtum. Ich bin diesen Wagen bis heute noch nie gefahren und jetzt, wo er so kritisch fragt, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das heute wirklich ändern sollte.
"Ehm doch, eigentlich schon. Das ist ja der einzige Wagen, der noch hier ist", antworte ich unsicher. "Hast du nicht Walids S-Klasse bekommen?", hakt mein Bruder nach.
Seinen Namen zu hören versetzt mir einen Stich ins Herz. "Doch, aber ich habe ihm den wieder zurück gebracht. Frag gar nicht erst wieso, ich erkläre dir das später. Kann ich den Maserati nehmen oder nicht?", frage ich nun erneut.
Wieder eine Pause. Dann sagt Abbas mit Nachdruck: "Lilli, der Wagen hat 430 PS. Wenn du den zu Schrott fährst, tut das zwar meinem.. ach ne deinem Konto weh, aber das kriegt man wieder ersetzt. Wenn du dich hingegen mit dem Auto zu Tode fährst, kann man das nicht mit Geld ersetzen, nur deshalb zweifel ich. Klar hänge ich an dem Wagen aber noch mehr hänge ich an dir. Nimm den Maserati, wenn du meinst, aber bitte fahr vorsichtig und langsam. Und schreib mir wenn du angekommen bist."
"Okay, mache ich. Du kannst dich auf mich verlassen. Danke dir Abbas. Bis später."
Ich fahre den ganzen Weg über sehr vorsichtig und deutlich unter der Geschwindigkeitsbegrenzung. Kaum tippe ich das Gaspedal an, beschleunigt der Wagen schon. Genau so empfindlich ist auch die Bremse. Außerdem ist der Wagen sehr lang und breit und dadurch für mich mit meinen 1,72m ziemlich unübersichtlich.
Ich bin ehrlich erleichtert, als sowohl ich als auch das Auto heil bei Kitty ankommen.
Kitty wohnt alleine in einer hübschen 80qm großen Altbauwohnung. Hohe Decken, lichtdurchflutet durch große Fenster, Parkettboden, Stuck an Decken und Wänden. Die Wohnung ist ein Traum.
Kitty begrüßt mich mit einer langen Umarmung und bittet mich herein. Ich laufe direkt durch ins Wohnzimmer und schmeiße zunächst meine Tasche und dann mich auf ihr petrolfarbenes Samtsofa. "Du wirkst so gestresst, alles okay?", fragt sie aufmerksam.
"Ich bin auch gestresst. Meine Autos stehen beide bei Younes in der Werkstatt. Das hatte ich in meiner Brillanz aber vergessen. Also stand ich gerade draußen im Hof mit meiner Tasche und bemerkte dann, dass ich ja gar kein Auto habe. Deshalb musste ich nun gezwungenermaßen mit Abbas' Maserati fahren. Das glich einem Höllenritt. Abbas hatte mich zuvor noch so unter Druck gesetzt, dass ich total verunsichert war und so gut wie die gesamte Strecke nur 30km/h gefahren bin", erzähle ich meiner Freundin, die anfängt zu lachen.
"Wieso hast du mich nicht angerufen? Ich hätte dich auch abholen können", fragt Kitty. Ich stöhne laut auf. "Weil ich nicht auf die Idee gekommen bin. Ich bin so dumm. Egal. Sollen wir direkt was zu Essen bestellen? Ich hab heute noch gar nichts gegessen", schlage ich grinsend vor. Kitty stimmt zu und wir bestellen Sushi.
Wir öffnen die Champagnerflasche, die ich mitgebracht habe, und heulen uns gegenseitig die Ohren voll. Kitty erzählt mir, wie sehr Leo sie verletzt hat und dass sie ihn trotzdem vermisst. Ich erzähle ihr, dass Walid mir wieder was unterstellt hat und ich fälschlicherweise komplett ausgetickt bin. Kitty findet meine Reaktion zu krass und sagt auch, dass es unfair war, ihm sein Misstrauen so vorzuhalten und deshalb Schluss zu machen, da Walid mir ja extra gesagt hat, dass er etwas Zeit bräuchte um mir hundertprozentig vertrauen zu können.
"Woher soll er denn wissen, dass du es ernst meinst? Er kennt dich ja kaum. Ihr habt beide schlechte Erfahrungen gemacht und seid deshalb misstrauisch und vorsichtig. Du bist doch genau so. Oder was war letztens vor Walids Büro, als die Tür zu war? Du hast es bloß im Gegensatz zu ihm nicht ausgesprochen. Nur weil ihr etwas Anfangsschwierigkeiten habt, kannst du doch nicht gleich alles hinschmeißen. Wenn er dir wirklich so viel bedeutet, dann gib ihm doch erstmal Zeit dich kennen zu lernen. Und gib dir selbst auch die Zeit. Das ist für euch beide eine neue Situation. Hör endlich auf an ihm oder an euch zu zweifeln, damit machst du dir nur alles selbst kaputt" redete mir Kitty ins Gewissen.
Ich umarme sie und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. "Danke Kitty, genau das hab ich jetzt gebraucht. Du findest einfach immer die richtigen Worte. Und das mit Leo klären wir auch noch. Ich hab bei seiner Überraschungsparty gesehen, wie sehr er sich gefreut hat dich zu sehen und wie eifersüchtig er war, als du mit den Jungs getanzt hast. Das ging weiter über "gute Freunde, die ab und an mal betrunken vögeln" hinaus. Ich weiß noch nicht, was sein Problem ist, aber ich werde es heraus finden."
Kitty grinst mich zufrieden an. Nachdem wir das Sushi gegessen und die erste Flasche Champagner getrunken haben, gehen wir zum Vodka über. Ich trinke ihn mit Redbull, Kitty mit O-Saft. Kitty trägt ihre wunderschönen Locken wie immer offen. Ich wollte mir eigentlich auch Locken machen, lasse mir dann aber von ihr Boxerbraids flechten.
Ich wählee eine weiße enge Jeans mit vielen Rissen und dazu ein schlichtes graues Shirt und eine orangerote Wildlederjacke. Dazu ziehe ich meine schwarze Gucci-Tasche und Highheels mit stilvollem Leopardenmuster an.
Kitty entscheidet sich nach mehreren Outfitwechseln für ein enganliegendes beiges Kleid. Dazu trägt sie weiße Highheels, die die Wade hoch geschnürt werden und eine weiße Clutch. Zusammen mit ihrem caramelfarbenen Teint und ihren schönen Kurven sieht das wahnsinnig gut aus.
Wir fahren mit einem Taxi zum Infinity und stellen uns brav hinten in der Schlange an. Die Jungs laufen einfach immer geradeaus durch in den Club, aber ich will meine Beziehung oder nicht-mehr-Beziehung nicht ausnutzen.
Wir stehen eine ganze Weile in der Schlange. Obwohl es tagsüber ziemlich warm ist, wird es nachts immer ziemlich kalt und wir beginnen zu frieren. Plötzlich taucht Walid an der Tür auf und spricht mit einem der Türsteher.
Er trägt eine schwarze Jeans mit Rissen an den Knien und ein hellblaues Jeanshemd, die Ärmel wie immer hochgekrempelt, und er sieht viel zu gut aus. Walid lässt seinen Blick über die Schlange streifen und stockt auf einmal. Sein Gesichtsausdruck verändert sich von fassungslos zu wütend. Er wendet sich an einen der Türsteher und fährt ihn wütend an: "Was macht sie hier draußen? Wieso steht sie hier an?"
Der Türsteher quittiert das mit einem fragenden Blick. Walid sagt noch lauter: "Meine Freundin? Wieso muss sie vor meinem Club anstehen?"
Mein Herz bleibt kurz stehen. Er hat mich seine Freundin genannt.
Der Türsteher entschuldigt sich und versucht sich zu rechtfertigen, aber Walid hört ihm nicht mehr zu und kommt auf uns zu. "Was machst du hier? Wieso stehst du an?", fragt er mich mit verständnislosem Blick.
"Ich mag es nicht, Beziehungen auszunutzen um mir einen Vorteil zu verschaffen", antworte ich stumpf.
"Lilli, das ist mein Club. Wenn du hier nicht rein läufst, ohne dich anzustellen - wer dann?", fragt er aufgebracht. "Ich wusste nicht..", fange ich an, doch Walid ließ mich nicht ausreden.
Er dreht sich zu Kitty und sagt höflich: "Guten Abend Kitty. Entschuldige, dass meine unhöfliche Freundin dich hier draußen in der Kälte stehen lässt. Bitte komm mit rein."
Dann umfasst er grob mein Handgelenk und zieht mich leicht Richtung Eingang. Als seine Finger meine Haut berühren, durchströmt mich ein warmes Kribbeln.
Walid führt uns zu einem Tisch in der VIP-Area und lässt uns eine Flasche Champagner bringen und sagt, dass er gleich wieder kommt.
Kitty schaut mich belustigt an. "Ihr habt euch also getrennt, ja?"
Der Kellner bringt eine große Flasche Moet & Chandon in einem mit Eis gefüllten Champagnerkübel und reicht uns zwei Gläser.
Während ich den Alkohol langsam merke, ist Kitty hingegen noch nahezu nüchtern. "Komm, lass uns tanzen gehen", fordert sie aufgedreht. Ich lasse mich wiederwillig breit schlagen. Mit unsicheren Schritten laufe ich hinter meiner Freundin her zur Tanzfläche. Wir bewegen uns im Takt der Musik und lachen von Herzen. Immer wieder kommen auch Typen zu uns - mal zu mir, mal zu Kitty. Ich weise jeden Kerl sofort ab, Kitty hingegen tanzt mit einigen Männern. Sie ist einfach ein ganz anderer Typ Frau als ich, viel offener und extrovertierter. Ich bin eher eine schüchterne und zurückhaltende Person, weshalb wir uns gut ergänzen. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.
Mittlerweile spüre ich den Alkohol immer deutlicher, weshalb ich Kitty sage, dass ich mal eine Pause einlegen musst. Dann laufe ich zu unserem Tisch um mich einen Moment hinzusetzen und ein Glas Wasser zu trinken.
Plötzlich stellt sich jemand mir in den Weg und sagt: "Guten Abend, schöne Frau." Ich blicke irritiert hoch. Den Typen habe ich noch nie gesehen. Er hat schwarze Haare, die komplett nach hinten gegelt sind und kalte braune Augen. Er ist gerade Mal ein wenig größer als ich und ziemlich schmächtig.
"Sorry, kein Interesse", erwidere ich und will gerade an ihm vorbei laufen, als er mich an den Schultern fasst und sagt: "Warte mal, ich will doch nur mit dir reden. Komm, ich geb dir erstmal einen Drink aus!"
Zickig antworte ich: "Ich kann meine Drinks selbst zahlen, verstanden? Und jetzt lass mich in Ruhe!" Ich versuche mich aus seinem Griff zu befreien, doch es gelingt mir nicht.
Der Typ erwidert: "Komm schon, nur ein Drink!" "Nein danke, und jetzt lass mich los!", schreie ich.
In dem Moment bekommt er eine Faust ins Gesicht. Walid steht plötzlich neben mir und schiebt mich mit seiner linken Hand hinter seinen Rücken.
Er schubst diesen ekelhaften Kerl und sagt laut: "Sag mal, hörst du schlecht oder was? Nein ist nein! Hör auf in meinem Club die Mädchen zu belästigen." Der Typ antwortet frech: "Was juckt dich das?"
Walid guckt ihn erst entsetzt an und schlägt dann nochmal. Der Kerl versucht sich zu wehren, aber hat keine Chance gegen seinen viel größeren und kräftigeren Gegner.
Hektisch stürzen drei Türsteher auf uns zu und schieben Walid behutsam von dem Typen weg. Dieser schreit wütend: "Was mich das juckt du Wixxer? Das ist meine Freundin. Und jetzt verpiss dich. Ich will dich hier nie wieder sehen. Du hast lebenslanges Hausverbot!"
Der Typ hat eine aufgeplatzte Lippe und ein blaues Auge. Von seiner Augenbraue läuft Blut über sein ganzes Gesicht. Die Türsteher schieben ihn grob nach draußen.
Walid sagt laut: "Der nächste, der meine Freundin anbaggert oder sich in meinem Club irgendeinem Mädchen gegen ihren Willen nähert, wird schlimmer aussehen." Dann dreht er sich um und verschwindet Richtung Toiletten.
Ich bleibe geschockt zurück. Kitty kommt zu mir und fragt mich, was passiert ist. Wir gehen gemeinsam zu unserem Tisch und ich erzähle ihr alles. Ich bestelle bei dem Kellner eine große Flasche stilles Wasser und als diese kommt, trinke ich erstmal ein großes Glas in einem Zug.
Fünf Minuten später setzt sich Walid neben mich. Vorwurfsvoll fragt er: "Wieso hast du mich nicht gerufen?" Ich antworte: "Weil ich überhaupt nicht dazu kam." "Und wieso hast du dich nicht gewehrt? Ihn geschlagen oder so?", fragt er nun. "Weil er mich festgehalten hat, Walid."
Walid schaut mir tief in die Augen und fragt ernst, aber deutlich ruhiger: "Können wir noch mal miteinander reden? Am besten in meinem Büro, da sind wir ungestört und es ist leiser."
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Meine Lieben,
Wie wird das Gespräch verlaufen? Was will Walid wohl mit Lilli bereden?
A.
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