I6.
Das kann doch nicht sein Ernst sein?
Vor Wut laufen mir warme salzige Tränen Wangen herunter.
Ohne zu überlegen starte ich kurzentschlossen wieder den Motor seines Mercedes und fahre zurück zu Walids Haus. Ich parke den Wagen mit laut quietschenden Reifen vor der Tür, steige wütend aus und klingel Sturm, wohlwissend, dass nur Walid zuhause ist.
Als sich die weiße Tür öffnet, hole ich wortlos aus und schlage Walid mit voller Kraft ins Gesicht.
Walid starrt mich entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen an. Er ist geschockt, vermutlich vor allem über die Ohrfeige, aber auch über mein verheultes Gesicht.
"Was ist denn in dich gefahren? Bist du verrückt geworden?", schreit er.
"Du weißt gar nicht wie sehr du mich frustrierst! Du denkst immer nur das Schlimmste von mir, nie kann ich dir was recht machen. Und dann ist es dir auch noch egal, wenn ich den Kontakt abbrechen will. Ich habe dir wohl richtig viel bedeutet. Weißt du was? Dein scheiß Auto steht da. Melde dich bitte nie mehr bei mir!" Mit diesen Worten schmeiße ich ihm den Autoschlüssel zu, welchen er gekonnt fängt.
Ich drehe mich um und stapfe wütend den Weg entlang. Walid ruft mir hinterher: "Lass mich dich wenigstens nachhause fahren."
Ich ignoriere ihn und bin schon fast durch das Tor, als er mich plötzlich am Handgelenk packt. Ruckartig drehe ich mich um. Meine schwarzen verheulten Augen funkeln ihn böse an. "Fass mich nicht an", zische ich wütend.
Doch Walid ignoriert meine Warnung und zieht mich stattdessen hinter sich her. Ich schreie und wehre mich mit aller Kraft, doch Walid lässt sich von meinem Terz nicht beeindrucken. Er geht einfach weiter und schleift mich mit sich. Dann öffnet er die Beifahrertür des Mercedes und schubst mich auf den Beifahrersitz.
Widerwillig gebe ich nach. Walid läuft um das Auto herum und setzt sich hinter das Lenkrad. Er knallt die Tür zu und startet den Motor.
Dann macht er die Zentralverriegelung rein, schaut mich an und sagt wütend: "Wenn du meinst, du willst den Kontakt mit mir abbrechen - okay. Ich wollte dich einfach erst mal runter kommen lassen und hätte morgen noch mal versucht mit dir zu reden. Aber du kommst hierhin und machst total das Theater. Du schreist mich an und schlägst mich sogar. Du bist total respektlos zu mir. Geschenkt. Ich halte meinen Mund. Ich hab mir das alles gefallen lassen. Aber ich lasse dich nicht nachts alleine nachhause laufen. Es ist mir scheiß egal, ob wir zusammen sind oder nicht. Aber ich lasse nicht zu, dass dir was passiert. Ich fahre dich jetzt nachhause, und dann kannst du gerne weiter schmollen oder mich verfluchen. Ich hab dir damals meine Situation erklärt und du kannst anscheinend trotzdem kein Verständnis für meine Eifersucht und mein Misstrauen aufbringen. Dann ist es wohl wirklich besser wenn wir getrennte Wege gehen."
Seine schönen braunen Augen glitzern und in der Dunkelheit kann ich nicht klar erkennen, ob sie vor Wut funkeln oder ob es Tränen sind, die in seinen Augen glänzen.
Walids Ansage hat mir die Sprache verschlagen. Ich fühle mich wie ein dummes Schulkind, was vom Lehrer zurecht gewiesen wurde.
Walid zündet sich eine Zigarette an und bietet mir zum ersten Mal keine an. Er ist auf 180. Mit der Ohrfeige bin ich eindeutig zu weit gegangen. Dass er nicht zurück geschlagen hat, zeigt, wie sehr er sich trotz allem unter Kontrolle hat.
Walid fährt den Wagen mit einem Mordstempo vom Hof. Er dreht die Musik auf volle Lautstärke und rast durch die Straßen. Vor unserem Tor hält er mit einer Vollbremsung an. Vielleicht wartet er darauf, dass ich das Tor öffne, doch ich schnalle mich ab und sagte leise: "Danke für's Fahren. Das war sehr anständig von dir."
Walids Auto verschwindet in der Dunkelheit. Ich gehe in mein Zimmer und schmeiße mich heulend auf mein Bett. Ich höre melancholische Musik und heule mir die Seele aus dem Leib, bis ich irgendwann vor lauter Erschöpfung spät in der Nacht einschlafe.
Den nächsten Tag verbringe ich ausschließlich im Bett. Abbas war anscheinend schon abgehauen, bevor ich wach wurde. Ich liege den ganzen Tag rum und schaue Grey's Anatomy. Immer wieder muss ich weinen. Ich weiß, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe. Ich habe viel zu impulsiv reagiert und gedankenlos gehandelt. Neben meinem schlechten Gewissen quält mich auch noch eine riesige Sehnsucht nach Walid.
Abends um 21 Uhr schaue ich das erste Mal auf mein Handy. Keine Nachricht von Walid und kein Anruf. Insgeheim habe ich die ganze Zeit gehofft, dass er sich meldet.
Stattdessen habe ich eine Sprachnachricht von Kitty.: "Hallo Maus, wie geht's dir? Ich bin so down wegen Leo. Nach der Party bei euch war er noch bei mir zuhause. Wir haben Filme geschaut, Essen bestellt und gekuschelt und dann auch irgendwann miteinander geschlafen - völlig ohne Alkohol. Und es war wunderschön. Aber seitdem habe ich gar nichts mehr von ihm gehört. Ich glaube, er ist aber auch gar nicht mehr in München. Ich muss ihn einfach vergessen. Ich hab mir jetzt vorgenommen, mich abzulenken und gar nicht mehr an ihn zu denken. Deshalb wollte ich morgen feiern gehen. Dienstag ist ja ein Feiertag und im Infinity ist irgendeine Party. Ich weiß, du gehst ja nicht so gerne feiern aber ich dachte, wenn wir in den Club deines Freundes gehen, ist das vielleicht ne Ausnahme? Hab dich lieb."
Ich antworte ihr auch mit einer Sprachnachricht: "Hey Kitty. Theoretisch hast du recht, nur haben Walid und ich gestern Schluss gemacht. Deshalb melde ich mich auch erst jetzt. Sorry. Ich sage dir morgen früh Bescheid ob wir gehen, okay? Abwechslung kann ich auch mehr als gut gebrauchen. Ich weiß nur noch nicht, ob ich Bock habe, Walid zu sehen. Ich melde mich morgen Liebes. Lass dich nicht unterkriegen. Leo werde ich mir auch noch vorknöpfen. Ich wollte das schon längst machen, nur erreiche ich ihn auch so gut wie nie. Bis morgen, hab dich auch lieb."
Kurz darauf kam eine Antwort von Kitty, dieses Mal allerdings in Textform: "Waaas? Wieso hast du mich nicht angerufen oder so? Du Arme.. 😟 Was ist denn passiert? Geht's dir sehr schlecht? 😟"
Ich antwortete ihr: "Mach dir keine Sorgen, mir geht's gut soweit. Ich gehe jetzt schlafen, wir hören uns morgen. Love you 😘"
Dann lege ich mein Handy beiseite. Ich würde Walid so gerne schreiben oder ihn anrufen, einfach nur um seine tiefe warme Stimme zu hören. Ich weiß, dass der nächste Schritt jetzt von mir kommen muss, aber ich traue mich nicht.
Am nächsten Morgen werde ich von lautem Lachen geweckt - lautem weiblichen Lachen. Was zur Hölle? Wer ist das?
Ich taumele quasi noch im Halbschlaf durch die Verbindungstür von meinem Schlafzimmer in mein Badezimmer.
Ich ziehe mich aus und stelle mich unter die dampfend heiße Dusche. Nach dem Duschen ziehe ich mich an, bloß eine schwarze Leggings und ein kurzes weißes T-Shirt an, welches den Blick auf meinen trainierten Bauch frei gibt, schlüpfe in meine Hausschuhe und laufe die Treppen runter in die Küche.
Müde und genervt mache ich mir einen großen Kaffee, als ich plötzlich wieder ein lautes Lachen höre. Entgegen meiner Annahme kommt das alberne Gekicher jedoch nicht aus Abbas' Zimmer sondern aus dem Garten. Ich schaue durch die riesigen Fenster nach draußen und stelle fest, dass ich recht hatte. Shirin.
Letztens im Club haben wir uns einander kurz vorgestellt, aber da habe ich ihr ehrlich gesagt keine richtige Beachtung geschenkt, sodass ich sie nun zum ersten Mal aufmerksam mustere. Sie ist zwar ohne Frage eine hübsche Frau, aber absolut unsympathisch. Obwohl es relativ früh am Morgen ist und sie anscheinend hier geschlafen hat, ist sie schon aufgestylt, als ob sie gleich feiern gehen will.
Ihre aufgespritzten Lippen sind mit Lipgloss geschminkt, die hohen Wangenknochen mit starkem Contouring untermalt. Sie hat extrem lange und dichte Lash-Extensions und ihre schmale Nase glänzt extrem durch Highlighter. Ihre mittellangen braun gefärbten Haare sind perfekt geglättet. Jeder aus unserer Clique trägt zuhause Hoodies oder weite Shirts mit Jogginghosen oder Leggings, Shirin hingegen trägt eine knallenge Röhrenjeans und ein enges rosanes Top, welches an dem weiten Ausschnitt mit Spitze besetzt ist. Sie hat eine normale Figur - nicht besonders schlank, aber zu schlank um sie mollig zu nennen.
Ich gehe langsam nach draußen in den Garten. Abbas bemerkt mich und begrüßt mich liebevoll mit einem Kuss auf die Stirn. Dann mustert er mich und fragt ernst: "Was ist los? Du hast so rote Augen. Hast du geweint?"
Ich schüttel den Kopf. Abbas ermahnt mich auf Arabisch: "Was ist los? Lüg mich nicht an!" Ich antworte ebenfalls auf Arabisch: "Bitte nicht jetzt Abbas. Wir reden später wenn wir alleine sind."
Dann gebe ich Shirin die Hand und frage: "Na du hast ja einen Spaß hier. Was gibt's denn so Lustiges?" Sie lacht wieder ihr lautes falsches Lachen aber antwortet nicht.
Abbas entschuldigt sich reumütig: "Sorry, wenn wir zu laut waren. Wir wollten extra draußen frühstücken um dich nicht zu wecken. Komm, setz dich zu uns und iss was."
Ich schüttel enstchieden den Kopf und sage: "Nein danke, ich hab keinen Hunger." Ich setze mich trotzdem zu den beiden und beobachte sie skeptisch.
Egal was mein Bruder sagt, Shirin kichert und lacht, als wäre er der Comedian des Jahres. In mir wächst der Eindruck, dass sie einfach nichts zu sagen hat. Nach einigen Minuten ergreife ich das Wort und frage die beiden, was sie heute noch vor haben.
"Also, wir wollten heute einen Ausflug machen an den Tegernsee und dort essen gehen", sagt Shirin mit ihrer leicht nasalen Stimme. Oh Gott, sie nervt mich jetzt schon. Was findet Abbas nur an ihr?
Immer wenn er in den letzten Tagen mit Shirin unterwegs war, waren sie teuer essen oder shoppen oder unternahmen sonst irgendwelche kostspieligen Aktivitäten.
Ich bin mir sicher, dass Abbas das alles zahlt. Ich finde es durchaus angemessen, wenn der Mann das Essen gehen bezahlte, aber ich würde mir niemals, und schon gar nicht nach so kurzer Zeit, alles von einem Mann bezahlen lassen.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lüge: "Na dann wünsche ich euch viel Spaß." Ich verabschiede mich und gehe nach oben, schmeiße mich auf mein Bett und rufe Kitty an.
Meine beste Freundin geht schon nach dem ersten Klingeln ran und ruft mir ein fröhliches "Guten Mooorgeeen" entgegen.
Ich antworte: "Guten Morgen. Du kannst dich bei Abbas bedanken, oder besser gesagt bei seiner neuen Freundin. Sie ist so unerträglich, dass ich lieber mit dir feiern gehe, als hier Zuhause zu bleiben, aus Angst, dass sie heute Abend wieder hier rumhängt!"
Kitty lacht und jubelt: "Yeah! Danke Abbas! Danke neue unerträgliche Freundin!" Ich stimme in ihr Lachen ein.
Kitty und ich verabreden uns für den späten Nachmittag. Ich werde zu ihr fahren, wo wir uns Essen bestellen, was trinken und uns gemeinsam fertig machen. So eine Ladies-Night ist genau das, was ich jetzt brauche.
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Meine Lieben,
Lilli wird also abends in's Infinity gehen.. Haltet ihr das für eine gute Idee?
Was wird wohl passieren, wenn sie auf Walid trifft?
A.
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