I5.

Die Woche verläuft ohne nennenswerte Ereignisse. Ich habe oft Training und auch Walid ist beruflich ziemlich eingespannt. Wir versuchen uns so oft es geht zu sehen, auch wenn es manchmal nur für eine halbe Stunde ist.

Wir verstehen uns von Tag zu Tag besser und ich verliebe mich immer mehr in ihn.

Abbas ist auch kaum zuhause. Tagsüber arbeitet er und abends trifft er sich neuerdings ständig mit dem Mädchen, welches er am Wochenende im W kennen gelernt hatte. Sie heißt Shirin, ist Iranerin und 22 Jahre alt. Abbas scheint sie wirklich zu mögen.

Am Freitag treffe ich mich mit Walid zum Mittagessen. Auf dem Weg zum Restaurant macht mein Auto immer wieder komische Geräusche und die Anzeige im Armaturenbrett blinkt bunt wie der Timessquare.

Als ich gerade auf den Parkplatz fahre und neben Walids X6 parke, knallt es laut und aus der Motorhaube steigt Rauch.

Gott sei Dank ist mir das nicht unterwegs passiert. Walid springt besorgt aus seinem Auto und auch ich steige schnell aus.

"Ach du Scheiße. Was ist das denn?", frage ich verstört. Walid antwortet: "Das schauen wir jetzt mal." Er beugt sich in den Wagen und öffnet die Motorhaube. Dann geht er vor das Auto, um nach einigen Sekunden wieder zurück zu kommen und kurz und knapp zu sagen: "Motorschaden".

"Und jetzt?", frage ich ihn völlig überfordert. "Keine Sorge, Schatz. Ich rufe Younes an und frag ihn mal."

Ich höre gespannt zu, wie er sagt: "As-Salamu Aleikum. Bruder, kannst du Lilli abschleppen? Astaghfirullah. Kannst du Lillis Porsche abschleppen? Wir sind in der Innenstadt bei L'Osteria. Ich glaub die hat 'nen Motorschaden. Okay, danke. Bis gleich."

"Younes kommt jetzt und schleppt dich ab. Meine Fresse. Er schleppt den Porsche ab!", sagt er und ich fange an über seine Wortwahl zu lachen.

"Danke Schatz. Ein besseres Timing gäbe es nicht. Der Mercedes ist gerade bei der Inspektion. Da hast du zwei Autos, und wenn's drauf ankommt, hast du keins."

Jetzt lacht Walid erneut. "Ich nehme dich gleich mit zu mir Schatz und dann kannst du meinen Mercedes haben, okay?", bietet er mir großzügig seinen Zweitwagen, einen Mercedes S 63 AMG Coupé, an, der bei ihm in der Garage steht.

"Nein, Quatsch Schatz. Fahr mich einfach nachhause. Ich nehme dann erstmal ein Auto von Abbas", antworte ich. "Nein, keine Widerrede. Das ist Ehrensache. Und außerdem fahre ich doch eh immer nur mit dem BMW", beschließt er.

Ich gebe mich geschlagen und willige ein. In dem Moment kommt auch schon Younes mit einem seiner Mitarbeiter und einem Abschleppwagen.

"Was machst du denn für Sachen, Lilli?", begrüßt er mich besorgt. "Keine Ahnung, ehrlich. Kriegst du den wieder hin? Ich hänge an dem Wagen", sage ich traurig.

"Wenn nicht ich, wer dann? Und mit deinem Mercedes gebe ich auch Gas. Kommst du erstmal klar oder brauchst du einen Leihwagen?", fragt er fürsorglich.

"Sie kriegt meinen Mercedes", klärt Walid ihn auf. Younes nickt. "Dann wird das Baby endlich mal ausgefahren. Bei dir versauert der ja nur in der Garage", sagt er neckend.

Walid und ich schauen noch zu, wie Younes' Mitarbeiter mein Auto auf dem Abschleppwagen befestigt und dann wegfährt, und gehen dann ins Restaurant.

"Was für ein Start in ein Date. Das kannst auch nur du", sagt Walid lachend. "Tja, ich bin halt immer für eine Überraschung gut", erwidere ich und stimme in sein Lachen ein.

Als die Kellnerin unsere Bestellung aufgenommen hatte und wieder gegangen ist, nimmt Walid meine Hand und sagt: "Schatz, am nächsten Wochenende kommen meine Eltern aus dem Libanon zu uns. Sie bleiben ungefähr zwei Wochen. Ich würde mich freuen, wenn du sie kennen lernst. Natürlich nur, wenn du möchtest."

Ich schlucke. Vorsichtig sage ich: "Wow, ich fühle mich geehrt. Ist es okay, wenn ich da eine Nacht drüber schlafe? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher,  ob ich dazu schon bereit bin."

"Klar, sag mir einfach Bescheid", antwortet er verständnisvoll und küsst mich auf die Wange.

Nach dem Essen steigen wir in Walids Auto und ich frage ihn: "Musst du jetzt zur Arbeit? Oder verbringen wir noch etwas Zeit zusammen?"

"Ich muss jetzt kurz ins Mandalay, willst du mitkommen? Ich muss nur schnell was erledigen, dauert höchstens 'ne halbe Stunde. Dann können wir danach noch einen Film bei mir schauen oder so?", bietet er an.

Ich bin einverstanden. Walid und ich haben momentan so selten Zeit füreinander, da müssen wir jede Gelegenheit nutzen.

Im Mandalay herrscht wie immer Hochbetrieb. Jeder Tisch ist besetzt und die Luft ist erfüllt vom süßen Rauch das der Shishas. Laute Musik dröhnt aus den Boxen und die vielen Stimmen der Gäste mischen sich dazu.

Wir betreten die Bar und sofort kommt ein junger Mann auf uns zu gelaufen und umarmt Walid freudig. "Nabend Chef. Schön, dass du da bist!"

Walid antwortet grinsend, mit hochgezogener Augenbraue: "Ja ja, ist klar. Erdem, das ist Lilli. Meine Freundin."

Erdem entgleiten für eine Sekunde die Gesichtszüge. Als er sich wieder gefangen hat, sagt er: "Dass ich das noch erleben darf. Ich arbeite seit fünf Jahren für dich, aber diese Worte höre ich zum ersten Mal. Die junge Dame muss wohl was ganz besonderes sein." Er zwinkert mir zu und ich grinse verlegen.

"Ja, das ist sie. Und deshalb möchte ich, dass ihr jeder Wunsch erfüllt wird. Wann immer sie hier oder in einem der anderen Läden ist. Okay?", befiehlt Walid in strengem Ton. So ernst kenne ich ihn gar nicht, aber sein strenger Befehlston gefällt mir. Klingt ziemlich sexy.

Walid bringt mich zur Bar und ich setze mich auf einen der Barhocker. Der Barkeeper kommt sofort und ich bestelle mir einen Ipanema, einen alkoholfreien Cocktail mit Maracujasaft und Ginger Ale.

Walid erklärt mir, dass er was mit Erdem bereden muss und instruiert auch den Barkeeper sich gut um mich zu kümmern. Ich hole mein Handy raus und schaue etwas auf Instagram rum.

Auf einmal merke ich, wie sich jemand neben mich setzt. Ich schaue von meinem Handy auf und neben mir sitzt ein junges Mädchen.

Das Mädchen hat einen kurzen blonden Bob und freche blaue Augen und grinst mich an. Ich grinse zurück.

"Bist du Lilli?", fragt sie. Ich nicke. Sie reicht mir ihre Hand und sagt: "Hi, ich bin Marleen. Ich folge dir schon lange auf Instagram und find's total cool, was du da machst. Als ich dich gerade hier gesehen habe, dachte ich, ich spreche dich einfach mal an."

Ich lächele und sage geschmeichelt: "Hey Marleen, freut mich. Danke für das Kompliment."

"Bist du ganz alleine hier?", fragt sie neugierig. Ich schüttel den Kopf und sage: "Nicht wirklich, ich warte auf meinen Freund."

Sie antwortet: "Willst du dich vielleicht so lange zu uns setzen? Wir sitzen dort", und zeigt auf einen Tisch, an dem drei weitere Mädels sitzen, die mir ganz aufgeregt winken.

"Gerne, wieso nicht", antworte ich und begleite sie zu ihren Freundinnen.

Ihre Freundinnen stellen sich mir als Farina, Dilay und Alexa vor. Sofort kommt einer der Kellner an den Tisch und fragt mich, ob ich noch was trinken möchte oder ob er sonst irgendwas für mich tun kann.

Ich bestelle eine Runde Ipanema für uns alle und die Mädels bedanken sich höflich.

Als der Keller wieder verschwindet sagt Alexa ehrfürchtig: "Wow, die sind aber nett zu dir. Die wissen bestimmt auch, wer du bist."

Darauf antwortet Dilay: "Ja oder die sind so engagiert weil der Chef hier ist. Ich habe ihn vorhin kurz gesehen, er ist aber nach hinten verschwunden. Hoffentlich kommt er gleich wieder."

Ich fange an zu grinsen und frage scheinheilig: "Wieso denn? Was ist denn mit dem Chef?"

Das war offensichtlich das Stichwort und die Mädels gackern los, alle wild durcheinander. Es fallen Worte wie "toll, heiß, hübsch, sexy, diese tätowierten Arme, das Lächeln, oh mein Gott". Ich schweige nur und grinse.

Wir trinken unsere Cocktails und die Mädels rauchen Shisha. Sie fragen mich ein bisschen aus, wie ich es geschafft habe auf Instagram so viele Follower zu bekommen, wie das so ist und so weiter.

Bei all der Quatscherei vergeht die Zeit wie im Flug und irgendwann kommt auch Walid wieder.

Dilay sagt leise: "Mädels, da ist Mr. Sexy wieder!" Und Marleen sagt: "Oh mein Gott, er kommt direkt auf uns zu!"

Walid bleibt direkt an unserem Tisch stehen und fragt: "Guten Abend Ladies, alles in Ordnung bei euch?"

Die jungen Mädels sind total aufgeregt und sprechen wieder alle wie die Hühner durcheinander: "Ja, klar. Danke. Alles gut. Wie immer."

Dann leg  Walid seine Hand auf meine Schulter und sagt: "Ich bin jetzt fertig, Engel, wir können abhauen."

Die Mädels kriegen große Augen und eine von ihnen läuft sogar rot an. "Okay. Mädels, danke euch für die Gesellschaft. Hat mich echt gefreut euch kennen zu lernen. Ich bin jetzt mal weg und wünsche euch noch einen schönen Abend", verabschiede ich mich von den vier Freundinnen.

Sie verabschieden und bedanken sich noch bei mir, und man merkt, dass ihnen die ganze Situation total unangenehm ist.

Ich stehe auf und sage zu Walid: "Ich muss eben noch bezahlen."

Er verzieht gequält sein Gesicht und fragt: "Das ist doch hoffentlich nicht dein Ernst oder?"

"Doch, doch. Ich habe auch den Mädels was bestellt." Walid schüttelt den Kopf und ruft dann in Richtung Theke: "Erdem, alles, was Lilli hatte und alles, was die Mädels da vorne hatten, geht auf mich. Schönen Abend euch noch."

Erdem nickt zur Bestätigung kurz rüber. Walid legt den Arm um mich und wir verlassen die Bar.

Bei Walid angekommen gehen wir in sein Schlafzimmer. Zeyd ist zwar nicht da, trotzdem fühle ich mich so ungestörter.

Wir legen uns in das große weiche Bett und Walid macht den neusten Teil von Fast and Furious an. Wir kuscheln, quatschen, lachen und sind einfach zusammen. Es ist ein richtig schöner Abend.

Als der Film vorbei ist, begleitet mich Walid nach draußen. In der Tiefgarage stellt er mir noch den Sitz ein, gibt mir den Schlüssel seines Wagens und verabschiedet mich liebevoll.

Er ermahnt mich vorsichtig zu fahren und am besten direkt nachhause, da es nass und dunkel ist, und ich das Auto nicht kenne. Nicht aus Angst um sein Auto, wie er betont, sondern aus Angst um mich.

"Okay, okay. Mache ich. Keine Sorge. Ich schreibe dir wenn ich zuhause bin. Danke, für den schönen Abend", sage ich durchs Fenster und fahre vom Hof.

Kaum bin ich auf der Straße, klingelt mein Handy. "Lilli Schatz. Wo bist du gerade?", flötete Abbas durch den Hörer. "Auf dem Weg nachhause, wieso?", erwidere ich.

"Ich bin im Infinity. Kannst du mich bitte abholen? Ich habe keine Lust mehr, aber habe schon getrunken", nörgelt er.

"Abbas, mein Auto ist kaputt und musste heute von Younes abgeschleppt werden. Ich habe übergangsweise Walids Auto. Ehrlich gesagt ist mir das nicht so recht, Walid meinte extra, ich soll direkt nachhause, weil ich das Auto nicht kenne und es nass und dunkel ist", erkläre ich ihm.

"Ach so ein Quatsch. Auto ist Auto. Das sind nur fünf Minuten. Du fährst doch gut. Komm schon, lass mich nicht hängen", bettelt er, sodass ich klein bei gebe. Ich wende den Wagen und fahre zum Infinity.

Dort angekommen, parke ich direkt vor der Tür und warte und warte und warte. Irgendwann nach 20 Minuten kommt Abbas dann endlich raus. Er steigt in Walids Auto und wir fahren nachhause.

Gerade als ich auf unseren Hof fahre, klingelt mein Handy. Walid. "Hab ich dich nicht gebeten sofort nachhause zu fahren?", knurrt er ohne Begrüßung.

Ich lache und frage erstaunt: "Woher weißt du das?"

"Lilli, du bist so blöd. Wenn du noch durch die Gegend fährst und dich heimlich mit jemandem triffst, dann mach das in Zukunft weder vor meinem Club noch mit meinem Auto", fährt er mich an. Seine Stimme macht deutlich, dass er sauer ist.

"Walid, ich habe nur Abbas abgeholt. Woher weißt du das denn?", frage ich mit ruhiger Stimme.

"Mein Türsteher hat mir geschrieben, wieso ich nicht endlich aussteige und ihn begrüße. Ich habe ihn gefragt, was er meint, da ich zuhause im Bett liege. Daraufhin erklärte er mir, dass mein schwarzer Mercedes seit einer Viertelstunde vor dem Infinity steht. Zufällig der schwarze Mercedes, mit dem du vor 'ner halben Stunde nachhause fahren wolltest", teilt 1er mir in vorwurfsvollem Ton mit.

"Ja Walid, wollte ich ja auch, aber ich habe eben noch Abbas abgeholt. Er hat mich angerufen, als ich gerade auf der Straße war. Ich habe ihm gesagt, dass ich das eigentlich nicht möchte wegen deines Autos, aber er hat mich überredet."

Abbas nimmt mir das Handy aus der Hand und sagt: "Sorry man, ist echt meine Schuld. Ich habe sie überredet. Streitet euch nicht wegen sowas." Dann gibt er mir mein Handy wieder, steigt aus und geht schon vor ins Haus.

Ich bleibe wütend im Auto zurück und sage dann laut zu Walid: "Ich bin ja froh, dass du mich dieses Mal wenigstens persönlich gefragt hast, was los war, aber du hast mir wieder was unterstellt und schlecht von mir gedacht. Es tut mir wirklich leid, dass ich mich nicht bei dir abgemeldet habe oder dich um Erlaubnis gebeten habe, meinen Bruder abholen zu dürfen. Wir sind noch nicht mal richtig zusammen, aber streiten uns nur. Vielleicht wäre es besser, wenn wir den Kontakt abbrechen würden."

Stille. Dann sagt Walid kalt: "Wenn du meinst. Dann soll es so sein. Ciao."

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Meine Lieben,

Vertragen die Beiden sich wieder oder war's das mit Walid und Lilli?

A.

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