Am Samstag ist es dann soweit und die arabische Nacht steht an.
Walid hat mich mehrfach gefragt, ob ich auch komme, aber irgendwie habe ich nicht so richtig Lust und bin noch unentschlossen. Ich bin einfach nicht so der Typ für Parties. Andererseits weiß ich, wie viel Mühe Walid und Zeyd sich gegeben haben und wie stolz sie auf dieses Event sind, und das will ich natürlich würdigen.
Ich gehe aus meinem Zimmer runter in die große offene Küche. Abbas sitzt im Wohnzimmer und schaut sich ein Fußballspiel an. Er ist ein riesiger FC Bayern München-Fan und verpasst so gut wie kein Spiel.
"Abbas? Abbas?? ABBAS!!", schreie ich immer lauter, da er nicht reagiert. "Ja? Was ist denn?", antwortet er endlich genervt.
"Ich wollte jetzt kochen. Willst du auch was essen?", frage ich ihn. Er nickt und fragt: "Was machst du denn?" "Ich mache Tomaten-Mozzarella-Auflauf mit Hähnchenbrustfilet und dazu Reis." "Ohhh, lecker. Ich freue mich schon. Beeil dich", ruft er mir grinsend zu.
Als ich mich gerade umdrehe und anfangen will zu kochen, klingelt es an der Tür. Ich sehe Abbas fragend an. "Malik", informiert er mich vom Wohnzimmer aus, macht aber keinerlei Anstalten aufzustehen.
"Ich mach dann mal auf, der will ja bestimmt zu mir", rufe ich sarkastisch zurück und lasse unseren gemeinsamen Freund herein.
Malik begrüßt mich und setzt sich zu Abbas. Er und Younes bewegen sich immer mit seiner solchen Selbstverständlichkeit bei uns, als wären sie Zuhause.
"Willst du mit uns essen, Malik?", bot ich ihm an. Er antwortete, genau wie kurz zuvor mein Bruder: "Was gibt's denn?"
Grinsend zählte ich erneut auf: "Tomaten-Mozzarella-Auflauf mit Hähnchenbrustfilet und dazu Reis." Er antwortete: "Ja gerne, wenn es dir keine Umstände macht."
Ich schneide die Tomaten und den Mozzarella in Scheiben und schichte alles zusammen mit dem Hähnchenbrustfilet in eine Auflaufform. Dann schiebe ich die Auflaufform in den Ofen und koche den Reis.
In der Zwischenzeit decke ich noch den Tisch und stelle eine Karaffe mit Wasser und eine Flasche Cola auf den Tisch.
Als das Essen fertig ist, serviere ich alles am Esstisch und rufe die beiden Jungs. Abbas zieht ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche und zündet die Kerzen in dem großen Kerzenleuchter auf dem Tisch an und sagt spöttisch: "Bisschen Romantik kann nicht schaden." Malik und ich brechen in lautes Gelächter aus.
Ich hole mein Handy raus und mache ein Foto vom Esstisch mit den brennenden Kerzen. Im Hintergrund sieht man Maliks Arme. Ich poste das Bild in meine Instagram Story mit dem Hashtag "#candlelightdinner".
Als wir gegessen und den Tisch abgeräumt haben, geht Abbas nach oben um sich für die "Arabische Nacht" umzuziehen. Malik verabschiede sich, bedankt sich bei mir für das Essen und fährt nachhause.
Ich gehe zu Abbas, der in Boxershorts im Badezimmer steht und sich rasiert. "Kommst du jetzt heute mit? Younes kommt gleich und holt mich ab oder uns, wenn du willst", fragt er mich.
Ich antworte: "Ich weiß nicht. Ich hab irgendwie keine Lust auf so viele Menschen heute. Und dann ist es da auch so laut und so..", überlege ich laut.
"Ach komm schon, Lilli, sei kein Frosch. Walid freut sich bestimmt auch dich zu sehen. Was willst du sonst machen? Alleine zuhause sitzen?", versucht er, mich zu überzeugen.
"Hallo, ich hab auch noch andere Freunde als dich. Und außerdem kann ich mich auch sehr gut alleine beschäftigen", kontere ich empört.
"Ach ja? Wie denn? Was machst du denn dann heute Abend?", fragt er provokant.
"Ehm.. Zum Beispiel schlafen?"
"Yallah, geh dich umziehen. Ich spendier dir auch 'n privaten Bauchtanz", sagt er lachend.
Kopfschüttelnd lehne ich das äußerst verlockende Angebot ab und sage meinem Bruder, dass ich aber mit meinem eigenen Auto fahre, um dann unabhängig von den beiden Partyboys abhauen zu können, wenn ich keinen Bock mehr habe.
Er ist einverstanden und schickt Walid eine Nachricht, dass er mich überredet hat und wir drei gleich los fahren.
Ich gehe in mein Ankleidezimmer und raufe mir genervt durch die Haare. Jetzt geht das alles wieder von vorne los. Was ziehe ich an?
Normalerweise trage ich nur Jeans und T-Shirt oder lockere Kleider, immer ziemlich basic. Heute habe ich aber Lust mich sexy anzuziehen.
Deshalb entscheide ich mich für eine schwarze Jeans und schwarze Sandalen mit Absatz. Dazu trage ich einen transparenten Body, der mit schwarzer Spitze besetzt ist. Dazu nehme ich meine schlichte schwarze Yves Saint Laurent Clutch mit.
Meine Haare lasse ich glatt aber dafür lege ich heute ausnahmsweise mal ordentlich Make-up auf. Meine Lippen schminke ich nudefarben, dafür betone ich meine dunklen Augen mit Smokey Eyes und ziehe mir einen dramatischen Lidstrich. Zum Schluss klebe ich mir noch lange Fake Lashes auf.
Am Ende werfe ich einen prüfenden Blick in den Spiegel und bin selbst erstaunt, wie anders ich aussehe.
Ich gehe wieder zu Abbas, der mitterweile auch fertig ist. Er trägt ein hellblaues Hemd und eine dunkle Jeanshose. Seine Haare hat er streng nach hinten gegelt.
Als er mich bemerkt, schaut er von seinem Handy auf und verzieht das Gesicht. "Was los? Ist das heute 'ne Swingerparty oder was?"
Hätte ich mir ja denken können, dass er mit dem Body ein Problem hat. "Zieh dich lieber um bevor Walid dich rausschmeißen lässt", sagt er eiskalt.
"Oha übertreib doch nicht. So schlimm ist das jetzt auch nicht", spiele ich mein Outfit herunter. "Lilli, was ist das? Ein Kostüm vom Eislaufen oder was?" Ich fange an zu lachen, lenke ein, und ziehe über den Body eine kurze schwarze Wickelbluse, sodass wenigstens die Spitze an Dekolleté und Bauch etwas raus blitzt.
"Besser?", rufe ich Abbas zu, der in meiner Tür steht und mich kontrolliert. "Hmm", knurrt er genervt. "Klär das gleich mit deinem Freund."
Als wir die Treppen runter gehen, klingelt es auch schon an der Tür. Punktlandung.
Younes hat im Gegensatz zu uns nur ein Auto, aber dafür ein ganz besonderes: einen giftgrünen Audi R8. Dieses Auto ist einfach ein Traum und ein absoluter Hingucker.
Ich begrüße Younes, dem fast die Augen aus dem Kopf fallen. "Was hast du denn vor? Wieso so aufgestylt?", fragt er mit hochgezogener Augenbraue und abwertendem Tonfall.
"Oh mein Gott. Was ist nur los mit euch? Gehe ich nackt oder was? Kriegt euch mal ein", antworte ich zunehmend genervt.
Abbas antworte Younes: "Lass sie mal. Die lernt's nicht. Ich hab ihr schon gesagt, Walid lässt sie bestimmt gleich rausschmeißen." Younes fing an zu lachen. "Heute wieder meine Freundin rausschmeißen - gar kein Bock."
Ich ignoriere die beiden einfach und steige ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen in meinen Porsche. Auch die Jungs steigen in Younes' Auto und fahren hinter mir vom Hof.
Es dauert keine fünf Minuten bis Younes mich mit seinem Angeber-Auto überholt hat. Er schaute in den Rückspiegel, zwinkert mir zu und streckt mir die Zunge raus. Arschloch.
Als wir das W betreten, bleibt mir der Mund offen stehen. Überall liegen orientalische Teppiche, es sind Sitzkissen und Hocker verteilt und von der Decke hängen bunte Lampions, die den sonst dunklen Raum in warmes Licht tauchen. Es sieht wirklich aus wie bei 1001 Nacht.
Alle Kellnerinnen haben Bauchtanzkostüme an, so dass man ständig irgendwo das Klimpern der vielen Perlen und kleinen Münzen durch die laute Musik hindurch hört.
Meine Augen schweifen durch den Raum auf der Suche nach Walid. Als ich ihn endlich in der Menschenmenge entdecke, kann ich meinen Augen nicht trauen.
Er sitzt an einem Tisch mit sechs Frauen. Alle haben sehr lange Haare, sind übertrieben geschminkt und tragen Minikleider mit riesigem Ausschnitt oder kurze Röcke mit bauchfreien Oberteilen. Sie tragen alle Highheels und haben ihre Markentäschchen auf dem Schoß liegen. Außerdem haben sie ausnahmslos alle operierte Nasen und Brüste, unterspritzte Wangenknochen und aufgespritzte Lippen.
Kurz zusammen gefasst: Genau die Art Frauen, zu der ich nicht gehöre und vor allem die Art Frauen, die man nicht neben seinem Freund sehen will.
Aber genau zwischen solchen Frauen sitzt Walid gerade, in seiner Hand ein Glas Champagner, und scherzt und lacht mit ihnen. Ich stehe geschockt mitten auf der Tanzfläche und starre zu ihnen herüber.
Neben ihm sitzt eine Frau mit langen schwarzen Haaren und einem roten Kleid, das gerade mal das Nötigste bedeckt. Sie lehnt sich zu Walid, ihre Hände auf seiner Schulter und sagt ihm irgendwas ins Ohr, woraufhin er anfängt zu lachen.
In dem Moment treffen seine Augen meine. Doch anstatt, dass er schockiert oder beschämt ist, dreht er den Kopf wieder zu der Schwarzhaarigen und spricht weiter mit ihr.
Ich glaube, ich bin im falschen Film.
Mir steigen Tränen in die Augen. Diese Blöße will ich mir nicht geben. Ich habe auch keinen Bock, Walid jetzt eine Szene vor all den Leuten zu machen. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass ich für den Mann, der mir sagte, dass er der Einzige für mich sein will, anscheinend nicht die Einzige bin.
Ich quetsche mich durch das Gedränge nach draußen und laufe mit schnellen Schritten weinend zu meinem Auto.
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Meine Lieben,
Könnt ihr Lilli verstehen?
Und meint ihr, die Beiden werden sich noch mal vertragen?
A.
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