5I.
Ich blicke geschockt in zwei hellblaue Augen, die mich frech anfunkeln.
"Du brauchst dich doch nicht entschuldigen, von dir lasse ich mich am liebsten umrennen", sagt er mit rauer Stimme.
Er lächelt schief und fährt sich mit seiner tätowierten Hand durch die blonden Haare.
Ich räuspere mich und frage unsicher: "Maxim, was machst du denn hier?"
Sein Grinsen wird noch breiter, als er antwortet: "Na dich suchen, was sonst?"
"Haha, ist klar", entgegne ich augenverdrehend und schlage ihm mit meiner kleinen Faust auf seinen harten Oberarm.
"Ich wollte mal was anderes sehen. Und du, Prinzessin? Hast du Hausverbot im Infinity?", fragt er frech und zwinkert mir zu.
"Nein, ich bin mit Walid und Abbas hier", antworte ich und strecke ihm die Zunge raus.
"Oooooh", macht er laut. "Habt ihr euch wieder versöhnt?"
Ich nicke lächelnd. Er legt seine große Hand auf meinen Oberarm und antwortet: "Freut mich für dich, Prinzessin."
Der freche Ausdruck ist aus seinen Augen gewichen und er schaut mich fast liebevoll an.
Plötzlich bemerke ich durch einen Schatten, dass jemand neben mich tritt. Bevor ich schauen kann, wer es ist, schnellt ein tätowierter Arm nach vorne und schlägt Maxim mit der Faust ins Gesicht. Ich zucke erschrocken zusammen und fahre herum. Abbas.
Maxims blaue Augen verdunkeln sich wie eine Gewitterwolke zu einem bedrohlich dunklen grau.
"Was ist dein Problem?", fragt Maxim laut und geht einen Schritt auf Abbas zu.
"Was mein Problem ist? Dass du an meiner Schwester rumbaggerst, du ehrenloser Hund! Habe ich mich nicht klar ausgedrückt, dass du dich von ihr fern halten sollst?", knurrt Abbas bedrohlich.
Maxims Geischtsausdruck wechselt von wütend zu belustigt. "Hast du das deiner Schwester auch gesagt? Sie hat mich nämlich umgerannt, ich konnte gar nix dafür", erwidert er und hebt unschuldig die Hände.
Abbas kocht vor Wut. Sein Kiefer spannt sich an und er ballt seine Hände so fest zu Fäusten, dass seine Knöchel sich weiß färben.
Er geht noch einen weiteren Schritt auf Maxim zu. "Du bist eine kleine Ratte. Lilli ist nur zu naiv, das zu erkennen", spuckt Abbas Maxim verächtlich ins Gesicht.
"Dito", sagt Maxim und grinst frech. Abbas holt aus und schlägt ihm erneut ins Gesicht.
Maxim reicht es jetzt, denn er stößt Abbas mit voller Wucht an den Schultern zurück.
Er hebt drohend den Zeigefinger und brüllt: "Krieg dich mal wieder ein, Abbas! Ich habe zwei harmlose Sätze mit ihr gewechselt, okay? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!"
"Was erlaubt ist und was nicht, entscheidest nicht du und jetzt verpiss dich!", schreit mein Bruder zurück.
Maxim grinst wieder frech, kommt einen Schritt auf ihn zu und sagt unangenehm ruhig: "Einen Teufel werde ich tun."
Abbas Augen funkeln vor Wut. Er sieht aus, als ob er gleich explodiert. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich traue mich nicht, mich zu bewegen.
In dem Moment stellt sich Younes vor Abbas und schiebt ihn weg. Abbas wehrt sich wütend und versucht, sich aus seinem Griff zu lösen, schafft es aber zum Glück nicht.
Ich schaue Maxim tief in die Augen. "Musste das sein? Ich kriege jetzt Probleme, nicht du", fahre ich ihn wütend an.
In dem Moment packt mich eine Hand grob am Handgelenk und zieht mich nach hinten.
"Geh zu Abbas", zischt Walid mir zu und schubst mich in Richtung unseres Tisches. Ich bleibe jedoch wie angewurzelt stehen. Ich bin noch immer viel zu geschockt um mich zu bewegen.
Walid geht an mir vorbei und auf Maxim zu, sieht ihm tief in die Augen und sagt mit ruhiger Stimme: "Dir auf die Fresse zu hauen ist nicht meine Art, auch wenn du es verdient hättest. Halt dich von Lilli fern. Du hast genug Schaden angerichtet. Wir waren mal Freunde, sowas gehört sich nicht. Aber das beweist nur einmal mehr, wie du drauf bist. Ich habe die ganze Zeit meine Klappe gehalten und dich nicht verraten. Machst du so weiter, mache ich meinen Mund auf. Und jetzt verschwinde."
Ich habe mit einer frechen Antwort gerechnet, wie es eben Maxims Art ist, aber es kam nichts. Stattdessen dreht er sich wortlos um und verlässt den Club
Was ist denn nur zwischen den beiden vorgefallen, dass Walid ihn so in der Hand hat? Stimmt Maxims Version der Geschichte doch nicht?
Walid dreht sich um und steht nun vor mir. "Habe ich dir nicht gesagt, du sollst zu Abbas gehen?", fährt er mich wütend an.
"Ja, aber, ähm..", stammele ich. Er legt seine Hand grob auf meinen Rücken und stößt mich nach vorne. "Yallah."
Ich laufe geknickt zu unserem Tisch wo Abbas steht und sich immer noch lautstark über Maxim aufregt.
Als er mich kommen sieht, springt er auf und läuft wütend auf mich zu. Er packt mich mit festem Griff am Oberarm. Ich verziehe mein Gesicht vor Schmerzen.
"Bist du eigentlich dumm, oder was? Was redest du noch mit diesem Bastard? Du kannst nicht zwei Mal den selben Fehler machen, beim zweiten Mal ist es nämlich kein Fehler mehr, sondern eine Entscheidung", wütet er und drückt noch fester zu.
"Aua, Abbas, du tust mir weh! Lass mich los", jaule ich und versuche mit meiner anderen Hand seinen Griff zu lösen, aber es gelingt mir nicht.
"Na und? Du tust mir doch auch weh und es juckt dich nicht", erwidert er und drückt noch fester zu.
Ich habe das Gefühl, dass mir gleich der Arm abfällt. "Aua Abbas! Lass mich los!", schreie ich mit Tränen in den Augen.
"Khallas. Lass sie los", sagt Walid bestimmt.
Abbas sieht mir tief in die Augen und stößt mich dann an meinem Arm nach hinten. Ich verliere beinahe das Gleichgewicht und kann mich gerade so noch an einer Bank abstützen um nicht hinzufallen.
Mit Tränen in den Augen sehe ich auf meinen dünnen Arm, um den ein blauer breiter Streifen wie ein Armreif liegt.
Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und stürme überstürzt aus dem Club. Ich ziehe meinen Autoschlüssel aus der Tasche und öffne per Knopfdruck den Kofferraum.
Mit Schwung setze ich mich quer in den Kofferraum. Ich ziehe meine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug aus meiner Tasche und stecke mir eine Zigarette an. Aufgebracht ziehe ich den Rauch tief in meine Lunge
Eine Träne läuft mir die Wange herunter. Wieso ist Abbas nur so? Wieso wird er neuerdings ständig handgreiflich? In meinem Arm spüre ich immer wieder einen pochenden Schmerz. Die nächste Träne kullert mir über das Gesicht.
Dann sehe ich Walid auf mich zukommen. Er trägt nur ein dünnes Hemd, wie immer mit hoch gekrempelten Ärmeln und mich fröstelt es schon bei dem Anblick.
Er schiebt wortlos meine Beine ein Stück beiseite und setzt sich neben mich.
"Alles okay?", fragt er. "Hmm", mache ich leise.
"Jetzt mal ehrlich, Lilli. Denkst du nicht darüber nach, was du tust? Es war doch klar, dass das weder mir noch Abbas gefallen wird. Wieso läufst du nicht einfach an dem vorbei?", tadelt er mich.
Leise antworte ich: "Ich habe keine Ahnung, ehrlich, aber ich habe mir nix böses dabei gedacht, das schwöre ich."
Er legt seine Hand unter mein Kinn und hebt es leicht an. Mit seinem Daumen wischt er meinen Tränen weg und sagt: "Das glaube ich dir, aber nur weil du keine bösen Absichten hast, heißt das nicht, dass Maxim oder auch andere Männer keine bösen Absichten haben und alle einfach nur nett zu dir sind. Ich glaube du unterschätzt wie wahnsinnig schön du bist und wie viele Blicke du auf dich ziehst. Und glaub mir, von denen denkt sich kein einziger: Oh die sieht aber nett aus, mit der wäre ich gerne befreundet. Wach mal auf, aus deiner rosa Marshmellow-Welt und werd erwachsen."
Ich schweige. "Zeig mir mal deinen Arm", sagt er irgendwann. Ich ziehe meine Jacke aus und halte Walid meinen Arm hin.
Als er den breiten blauen Streifen sieht, verdüstert sich sein Gesicht. "Oh man. Wieso übertreibt Abbas immer so? Sollen wir ins Krankenhaus fahren und das mal checken lassen?"
"Nein Quatsch, passt schon", antworte ich leise.
"Komm Lilli, wir gehen wieder rein", sagt er. Ich will nicht mehr rein, will die anderen aber auch nicht hängen lassen, da ich ja heute gefahren bin.
Widerwillig stehe ich auf und folge ihm zurück in den Club. Die dröhnenden Bässe sind mir auf einmal viel zu laut und der Raum zu eng. Die vielen Menschen nerven mich. Ich will einfach nur allein sein.
Abbas würdigt mich keines Blickes. Ich verbuche das als Fortschritt, denn immerhin springt er mir nicht wieder im wahrsten Sinne des Wortes an die Gurgel.
Zeyd tanzt und Younes sitzt bei Abbas. Ich schaue Younes an und als sich unsere Blicke treffen, zeige ich ihm mit einer Kopfbewegung, dass er mit mir raus gehen soll. Er nickt und steht auf.
Wir gehen gemeinsam in den Raucherbereich und zünden uns beide eine Zigarette an.
Traurig frage ich ihn: "Younes, was ist mit Abbas los? Wieso ist er so agressiv? Wieso packt er mich an? Das hat er früher nie getan."
Younes seufzt. "Willst du die Wahrheit von mir hören?"
"Na klar, deshalb frage ich dich ja", antworte ich.
"Er will nicht, dass Walid irgendwann mal ausrastet und dich schlägt, deshalb macht er es lieber selbst, so dumm das klingt, aber würde Walid ausrasten und dich schlagen - das würde Abbas niemals verkraften. Und Walid kann auch gut ausrasten, glaub mir. Es ist ein Wunder, dass er bis jetzt so ruhig geblieben ist."
Ich schlucke. Das klang ähnlich wie das, was auch Maxim und Leo mir erzählt haben.
"Und außerdem will er einfach nicht, dass ihr euch verliert. Er schätzt Walid sehr und möchte gerne, dass ihr heiratet, weil er dich bei ihm in guten Händen weiß. Walid liebt dich sehr und wird immer gut für dich sorgen. Wer wünscht sich das nicht für seine Schwester? Ich wünsche mir das auch für dich. Du bist noch jung, naiv und unerfahren, das meine ich auch nicht böse. Wir haben schon mehr gesehen und erlebt als du. Wir haben mehr Erfahrung. Du siehst immer noch in jedem Menschen das Gute, zum Beispiel in Maxim. Aber du kannst mir glauben, Lilli, Maxim ist nicht gut. Wer weiß, vielleicht hat er sich von Grund auf geändert in den letzten Jahren, kann sein, allahu alem, aber ich glaube nicht daran. Walid ist dein erster richtiger Freund und das ist alles neu für dich deshalb ist es auch normal, dass du Fehler machst, aber du musst das ganze langsam ernster sehen, wenn du eine Zukunft mit ihm willst. Walid ist echt schon sehr locker mit dir. Er scheint dir zu vertrauen. Mach das nicht durch so unüberlegte Aktionen kaputt. Oder wie würdest du dich fühlen, wenn du deine Freundin im Club mit einem Typen reden siehst, den du eh schon hasst, und mit dem sie dich quasi betrogen hat?"
Younes' klare Worte versetzen meinem Herzen einen Stich. Wie würde ich mich fühlen? Scheiße. Belogen, betrogen, verarscht. Aber soweit habe ich in dem Moment gar nicht gedacht.
Younes deutet mein Schweigen genau richtig und sagt: "Siehst du. Ich sag ja, du bist zu naiv. Du denkst manchmal nicht nach. Und Abbas versucht einfach, dich ein wenig in die richtige Richtung zu lenken, wenn auch vielleicht mit den falschen Mitteln, aber seine Absichten sind gut. Er hatte es bis jetzt immer leicht mit dir. Du bist ein anständiges Mädchen, das sich von Jungs fern gehalten hat und du warst immer mit uns unterwegs, also unter seiner Kontrolle und seinem Schutz. Das ist mittlerweile aber nicht mehr so und mit dieser Aktion mit Maxim hast du ein wenig deine Unschuld bei Abbas verloren. Er wollte nie wahr haben, dass Männer dich so sehen und hat es verdrängt, da du immer unnahbar für alle Männer warst. Und das kam für Abbas dann so überraschend, dass er einfach die Kontrolle verloren hat. Bitte zerstreite dich jetzt nicht mit ihm. Ihr habt nur euch. Und ich, und auch jeder der Abbas kennt, weiß, dass du alles für ihn bist. Er würde sterben für dich ohne drüber nachzudenken."
Mir laufen Tränen übers Gesicht. Ich habe mal wieder so ein beschissen schlechtes Gewissen.
Younes nimmt mich in die Arme und zieht mich an seine Brust. Ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Er streichelt mir über den Kopf und sagt: "Ist schon gut. Wir schaffen das schon alles. Ich bin immer für dich da, wir sind doch eine Familie."
Ich nicke. "Danke", sage ich leise. Auf einmal hörte ich auf Arabisch ein lautes: "Was ist denn hier los?"
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