54.
Am nächsten Morgen werde ich wach weil unten in der Küche mit Geschirr geklappert wird. Mein Körper ist schwer wie Blei und mein Kopf dröhnt.
Ich drehe mich zur Seite, aber Walid, der gestern Abend mit zu uns gekommen ist, liegt nicht neben mir.
Ich gehe schnell duschen und putze meine Zähne. Danach ziehe ich mir eine schwarze Leggings und einen grauen Oversize Hoodie von Nike an, den ich Abbas vor Monaten aus dem Schrank geklaut habe.
Langsam laufe ich in den Flur und höre von unten Stimmen. Verwirrt lausche ich und laufe dann die Treppen runter.
Unser kompletter Esstisch ist gedeckt mit allem, was das Herz begehrt. Brötchen, Croissants, Pancakes, Obst, Rührei, Aufschnitt, Kaffee, Champagner. Überall im Wohnzimmer verteilt sind die Luftballons, die gestern das W geschmückt haben.
Mit offenem Mund schaue ich mich um. Dann sehe ich zu Walid und Abbas, die grinsen und offensichtlich für das alles hier verantwortlich sind. Wann sind die beiden denn schon aufgestanden?
"Wow, das ist wunderschön! Und es sieht sooo lecker aus", schwärme ich und reibe mir dabei über den Bauch.
Walid kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und sagt: "Guten Morgen, Baby. Zu einem Geburtstag gehört auch ein Geburtstagsfrühstück."
"Na dann mal los, ich habe riesigen Hunger", gestehe ich lachend. "Nein", sagt Abbas ernst. "Nein?", wiederhole ich irritiert. "Vorher hab ich noch was für dich", sagt Abbas ernst.
Er reicht mir ein Paket, welches in königsblaues Geschenkpapier verpackt ist und einen Umschlag.
"Was ist das?", frage ich verwundert. Erst dann lese ich was auf dem Umschlag steht. "Für meine geliebte Tochter".
Aufgeregt öffne ich das Geschenkpapier und eine kleine Statue aus purem Gold kommt zum Vorschein.
Ich erkenne die Statue sofort. Meine Mutter hat meinem Vater eine ähnliche geschenkt, als er vor vielen Jahren seine Anwaltszulassung bekommen hat. Sie steht bis heute noch immer auf seinem Schreibtisch.
Aufgeregt öffne ich den Umschlag und ein handgeschriebener Brief kommt zum Vorschein.
"Meine geliebte Lilli,
20 Jahre ist es her, dass meine einzige Tochter das Licht der Welt erblickt hat. Es war einer der schönsten Tage in meinem Leben. Du erfüllst mich mit Liebe und Stolz.
Aufgrund deiner Pläne habe ich mich dazu entschieden, dir diese kleine Statue zu schenken. Es ist Justitia, das Sinnbild der Gerechtigkeit.
Deine Mutter hat mir eine ähnliche Statue geschenkt, die seither auf meinem Schreibtisch steht. Sie erinnert mich jeden Tag daran, wofür ich arbeite und auch lebe. Und das soll diese Statue auch für dich tun.
Was ich dir noch damit sagen will ist, dass du dein Studium der Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität München am 15. Oktober beginnst.
In Liebe,
Dein Vater"
"Oh mein Gott", stammele ich nervös. "Das ist der Wahnsinn, ich glaube es kaum."
Ich reiche Walid den Brief. Als er ihn gelesen hat, umarmt und beglückwünscht er mich und reicht den Brief an Abbas weiter. Er überfliegt den Brief und schaut mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Jura? Ernsthaft?"
Ich nicke euphorisch.
"Ich kenne niemanden, zu dem das besser passen würde, als zu dir", sagt er lächelnd und beglückwünscht mich ebenfalls.
Kurz darauf klingelt es an der Tür. "Wer ist das?", frage ich Abbas. "Schau doch nach", antwortet er nüchtern.
Ich öffne die Tür und blicke in die lachenden Gesichter von Zeyd, Shayan und Younes.
Wir frühstücken alle zusammen. Zwischendurch rufe mein Vater an, bei dem ich mich heulend bedanke und auch Momo ruft mich an und gratuliert mir. Er hat Abbas ebenfalls ein Geschenk für mich mitgegeben. Eine Tasche von Louis Vuitton.
Ich fühle mich so gesegnet mit meiner Familie und meinen großartigen Freunden, dass ich nicht anders kann, als den ganzen Tag zu strahlen.
Nach dem Essen fragt Walid: "Also, Lilli. Was willst du heute machen?" Fragend sehe ich ihn an. "Wir haben uns den Tag alle frei gehalten um etwas gemeinsam zu unternehmen", antwortet Zeyd und Shayan schmeißt ein: "Alles was du willst."
Ich überlege eine Weile und schlage dann vor, dass wir alle gemeinsam Lasertag spielen gehen.
Die Jungs sind sofort Feuer und Flamme. Also machen wir uns auf den Weg und spielen den gesamten Vormittag Lasertag. Wir haben riesigen Spaß, sind danach aber total platt, weshalb wir entscheiden, nicht wie geplant essen zu gehen sondern zu uns zu fahren und etwas zu essen zu bestellen.
Als wir alle gemeinsam im Wohnzimmer sitzen sagt Shayan: "Da wir alle beisammen sitzen.. Ich wollte euch noch was erzählen. Ich habe ein Mädchen kennen gelernt." "Uhhhh", macht Younes.
Abbas springt auf, streckt die Hände zum Himmel und schreit: "Alhamdulillah, Lilli ist doch nicht die erste, die heiratet!" Wieder lachen alle. Ich ignoriere das und frage stattdessen Shayan einfühlsam: "Wo hast du sie denn kennen gelernt, Shayan?"
"Im Infinity vor einigen Wochen. Sie heißt Aliya, ist 25 Jahre alt und auch Libanesin. Wir haben Nummern ausgetauscht und uns schon öfter getroffen."
"Sag wallah?", fragt Walid euphorisch. "Wallah", antwortet Shayan ernst.
"Dann ruf sie doch an und lad sie hierhin ein", schlage ich vor. "Nein Quatsch, das ist doch dein Ehrentag", antwortet Shayan zurückhaltend. "Na und? Ich hatte meine Party und die volle Aufmerksamkeit schon gestern. Na los, ruf sie an. Wer zu dir gehört, gehört auch zu uns", ermuntere ich ihn.
Erleichtert lächelt er mich an, steht auf und geht in den Garten um sie ungestört anzurufen. Zeyd guckt Walid mit einem undefinierbaren Blick an.
Walid scheint diesen Blick jedoch genau deuten zu können, denn er sagt beruhigend zu Zeyd: "Mach dir keine Sorgen, Zeyd. Es ist nicht mehr wie früher, okay? Sowas passiert nie wieder." Zeyd nickt zwar, scheint aber trotzdem nicht beruhigt zu sein.
Die Terassentür geht wieder auf. Shayan kommt strahlend rein und sagt: "Sie kommt jetzt gleich."
Man sieht ihm an, dass er schon ziemlich verliebt in sie ist. Ich freue mich für ihn und hoffe von ganzem Herzen, dass Walid mit seinen Worten recht behält.
Es dauert keine halbe Stunde bis Shayans Handy klingelt. Aliya ruft ihn an und sagt, dass sie da ist.
Shayan springt nervös auf und öffnet das Tor. Dann öffnet er die Eingangstür und läuft ihr entgegen.
Kurz darauf betritt Shayan wieder das Wohnzimmer gefolgt von einer jungen hübschen Frau.
Sie hat braune lange Haare, ist schlank und hat braune Augen.
In ihrer linken Hand hält sie einen Blumenstrauß und kommt zielstrebig auf mich zu. Sie umarmt mich herzlich, überreicht mir den Blumenstrauß und sagt: "Hallo, ich bin Aliya. Alles Gute zum Geburtstag."
"Vielen Dank, das wäre wirklich nicht nötig gewesen", sage ich und hole eine Vase um die Blumen ins Wasser zu stellen.
In der Zeit stellen sich die Jungs der Reihe nach bei ihr vor. Ich gehe zurück und setze mich neben Walid, der schützend seinen Arm um mich legt.
Aliya scheint etwas aufgeregt zu sein und setzt sich neben Shayan. Der wirkt ebenfalls relativ aufgeregt und streichelt liebevoll ihr Bein.
Wir unterhalten uns einfach weiter, als gehört sie dazu und sie passt von Anfang an sehr gut in unsere Gruppe. Abends bestellen wir Essen und schauen einen Film und lassen so meinen Geburtstag ausklingen.
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