52.
Erschrocken fahre ich hoch und sehe direkt in Walids Gesicht. Ich wische mir hektisch die Tränen aus dem Gesicht.
"Nix, Bruder. Wir haben nur geredet", antwortet Younes ruhig.
"Wieso weint sie? Hast du sie jetzt auch rund gemacht?", fragt Walid misstrauisch.
"Nein, Bruder, wallah nein", beteuert Younes.
"Ich habe es Zeyd letztens gesagt, ich habe es Abbas gerade gesagt und ich sage es dir jetzt auch noch mal: Ich weiß euer Engagement zu schätzen, aber wenn ich ein Problem mit Lilli habe, können wir das alleine klären. Da braucht ihr euch nicht alle einmischen", knurrt Walid aufgebracht.
Leise sage ich: "Walid, Younes hat wirklich nichts gemacht. Wir haben über Abbas' Verhalten geredet."
In deutlich ruhigerem Ton sagt Walid dann: "Okay, sorry. Es nervt mich langsam, dass alle immer auf sie eindreschen und sie mir dann so leid tut, dass ich sie nicht mal selbst zusammen falten kann."
Ich boxe Walid leicht auf den Oberarm. Younes zwinkert mir zu und sagt: "Siehst du? Ich gehe mal wieder rein, bis gleich."
Walid setzt sich zu mir und sieht mir tief in die Augen. Seine Augen glänzen nicht wie sonst, sondern sehen matt aus. Der Glanz aus seinen Augen ist verschwunden.
Ich sehe ihm an, dass ihm etwas auf dem Herzen liegt, aber er nach den richtigen Worten sucht.
Seine Augen fixieren mich und irgendwann ringt er sich durch und sagt: "Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es mich verletzt hat, dass du bei einem anderen Mann geschlafen hast. Aber besonders schockiert daran hat mich, dass ich die ganze Zeit nach Gründen gesucht habe, dein Verhalten zu rechtfertigen und immer noch Verständnis für dich aufbringen kann."
Er atmet tief ein und stößt seinen warmen Atem in die kalte Nachtluft. "Ich liebe dich, Lilli. Viel zu sehr. Und ich weiß, du liebst mich auch. Nur deshalb mache ich das alles mit. Ich weiß, dass du ein gutes Herz hast und dass du dir nichts Böses dabei denkst. Trotzdem musst du langsam mal aufpassen, was du machst. Es geht dabei nicht nur um mich und dass du mir weh tust. Es geht mir auch darum, wie andere Leute von dir denken. Ich möchte nicht, dass andere sehen, wie du mit "fremden" Männern redest und dann schlecht von dir denken. Das möchte ich für dich nicht und auch für mich nicht. Ich kann nicht immer da sein und dich kontrollieren und beschützen. Ich muss mich darauf verlassen können, dass du selbst weißt was sich gehört und was nicht, sonst wird das mit uns sehr bald in die Brüche gehen und ich denke, das wollen wir beide nicht."
Ich fröstel, nicht nur wegen der Kälte sondern auch wegen Walids Worten, bei denen mir ein kalter Schauer den Rücken runter läuft.
"Walid, ich will dich nicht verlieren. Es tut mir leid was ich gemacht habe. Ich werde mich bessern, versprochen", sage ich mit flehendem Unterton.
Er nimmt meine beiden zarten Hände zwischen seine und reibt sie warm. Dann lächelt er mich zuckersüß an und sagt: "Dummerchen, ich will mich doch nicht von dir trennen, das meine ich damit gar nicht. Ich meine es ernst mit dir und will dich für immer an meiner Seite, nur dazu muss ich mir deiner Loyalität sicher sein."
"Das kannst du. Versprochen." Ich lege meinen Kopf schief und sehe ihm tief in die Augen. Nach all den Monaten faszinieren sie mich immer wieder aufs neue.
Walid schlingt seine Arme um meine Taille und zieht mich an sich. Dann drückt er seine Lippen sanft auf meine.
Mein Bauch kribbelt und meine Anspannung löst sich ein wenig.
Nach dem langen Kuss frage ich Walid: "Darf ich heute bei dir schlafen? Ich habe dich so vermisst."
Ich schmiege mich wie ein kleines Kätzchen an ihn. Er lacht laut. "Was ist das denn für eine Frage? Natürlich darfst du, du brauchst nicht zu fragen."
Ich fange an seinen Hals mit kleinen Küsschen zu bedecken, von seinem Kinn bis zu seinem Schlüsselbein und wieder zurück.
"Hör auf Lilli, das endet nicht gut", warnt er mich und sein Atem wird immer schneller und unregelmäßiger.
Ich kichere und mache weiter. Hoch und runter, tausende von sanften Küssen.
Walid greift mit seiner rechten Hand in meine Haare und zieht meinen Kopf sanft nach hinten. Er schaut mir tief in die Augen. Seine Augen haben einen Ausdruck, den ich so nicht kenne. "Hör auf, Lilli. Ernsthaft", sagte er bestimmt.
"Na gut", antworte ich und springe grinsend auf. "Komm, wir gehen wieder rein."
"Nein, wir gehen jetzt noch nicht wieder rein", entgegnet er scharf. Mit einem dreckigen Lachen schaut er auf seine Hose, in der sich eine deutliche Beule abzeichnet. "Na gut, dann warten wir noch einen Moment."
Ich setze mich wieder neben ihn und schaue ihn erwartungsvoll an. "Lass uns mal über was unkritisches reden, dann geht's schneller", sagt er mit seiner rauen Stimme und grinst mich verlegen an.
"Okay.. Ehm.. Was hast du für meinen Geburtstag geplant?", frage ich ihn neugierig.
"Wir machen es im W, alle deine Freunde kommen und der Rest bleibt eine Überraschung", mahnt er.
"Ach Walid, komm schon. Verrate mir wenigstens eine Sache", bettele ich und ziehe einen Schmollmund. "Na gut. Aber nur eine Sache." Ich nicke aufgeregt.
"Es gibt ein Motto", sagt er. "Wie ein Motto? Was für ein Motto? Sowas wie eine Hawaii-Party oder was?", frage ich panisch.
"Nein, Schatz. Natürlich nicht sowas albernes. Ein stilvolles Motto", erklärt Walid und verdreht die Augen.
"Ach scheiße, hätte ich mal nicht gefragt. Jetzt bin ich noch neugieriger als eh schon."
"Selbst Schuld", sagt er siegessicher grinsend. Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange und steht schwungvoll auf.
"Komm, lass uns wieder rein." "Ist da unten wieder alles in Ordnung?", frage ich frech. Er kneift mir leicht in die Wange und sagt: "Ja du Hexe, und jetzt ab."
Zurück am Tisch nimmt Walid sich ein Glas Whiskey und schüttet es in einem Zug runter. "Durst?", fragt Younes. "Nervennahrung", antwortet er.
In dem Moment trifft Abbas' Blick auf meinen. Seine Augen sehen traurig aus. Beinahe verschämt löst er seine Augen von mir und senkt seinen Blick wieder.
Ich gebe mir einen Ruck, stehe auf und gehe um den Tisch. Langsam setze ich mich neben ihn, lege meine Arme um seine Schultern und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
Er sieht mich irritiert an. Ich lege meinen Mund an sein Ohr und flüstere: "Danke für alles, Abbas. Ich weiß, du willst nur das Beste für mich. Ich liebe dich."
Abbas sieht mich gerührt an und seine dunklen Augen glänzen im bunten Neonlicht der Disco.
"Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so hart anfassen dürfen. Ich habe mich im Moment nicht so gut unter Kontrolle, ich weiß." Als Antwort drücke ich ihm noch einen Kuss auf die Wange.
"Tanzen?", fragt Abbas. "Tanzen!", antworte ich. Wir stehen auf. "Tanzen?", rufe ich den anderen dreien zu.
Walid schüttelt den Kopf und sagt: "Ich muss jetzt erstmal durchatmen und so ein, zwei oder zwanzig Whiskey exen." Zeyd bleibt bei seinem Bruder, aber Younes kommt mit uns.
In dem Club läuft nur Electro Musik, was eigentlich nicht mein Geschmack ist, aber sie spielen ziemlich massentaugliche Musik wie zum Beispiel Calvin Harris. Von dem ist auch das Lied, was nun los geht. "Blame".
Das Lied ist eines meiner Lieblingslieder. Ich kann gar nicht sagen wieso, aber es löst eine unendliche Lebensfreude und tausend Emotionen in mir aus.
Ich schaue Abbas an, der dieses Lied auch liebt und unsere Augen strahlen mit den Lichtern um die Wette.
Ich liebe es zu tanzen und konzentriere mich nur auf die Musik, auf die Beats und die Lyrics.
Ich tanze immer, als ob mich keiner sehen würde und ich liebe es. Ich merke selbst wie ich strahle und irgendwann suche ich mit meinen Augen nach Walid.
Als ich ihn sehe, merke ich, dass er mich beobachtet. Seine Augen funkeln und er schaut mich verliebt an.
Ich spüre seine Liebe in jedem seiner Blicke.
Als unsere Augen sich treffen, lächelt er mich an. Ich lächele zurück und tanze weiter. Ich recke meine Hände zum Himmel und fühle mich so frei wie lange nicht mehr.
Irgendwann merke ich wie sich zwei Arme von hinten um meine Taille schlingen. Walid dreht mich um und schaut mir tief in die Augen. Ich lege meine Hände in seinen Nacken und sage: "Du bist meine große Liebe Walid." "Und du meine", erwidert er und küsst mich innig.
Auch Zeyd kommt zu uns auf die Tanzfläche und wir tanzen die ganze Nacht durch.
Gegen fünf Uhr morgens verlassen wir so ziemlich als letzte den Club. Ich bin stocknüchtern, die Jungs sind jedoch einer betrunkener als der andere.
Walid setzt sich neben mich auf den Beifahrersitz und die anderen drei nehmen auf der Rückbank Platz.
Ich mache leise Musik an und als es nach nur fünf Minuten verdächtig still ist, drehe ich mich um und sehe, dass alle drei eingeschlafen sind.
Lachend sage ich zu Walid: "Jetzt guck dir das mal an." Er dreht sich um und fängt ebenfalls an zu lachen.
Wie sie da hängen ist ein Bild für die Götter. Zeyd sitzt in der Mitte, da er der Schmalste der drei ist. Er hat seinen Kopf einfach nur zur Seite gekippt, die Arme verschränkt und schläft wie ein Baby. Abbas ist leicht zu Zeyd geneigt und hat seinen Arm hinter Zeyds Kopfstütze gelegt, was aussieht, als hält er ihn im Arm. Aber das Highlight war Younes, der komplett auf Zeyds Schulter liegt und sich richtig an ihn kuschelt.
Als ich an einer Ampel anhalte, mache ich schnell ein Foto. Ich schicke es in unsere Gruppe und schreibe dazu: "Brolove is true love".
Zuerst fahre ich zu Younes, den wir kaum wach bekommen. Walid muss ihn so von Zeyd wegzerren, dass der gleich mit wach wird. Abbas hingegen hatte schon immer einen tiefen Schlaf und regt sich nicht mal.
Ich fahre zu uns nachhause und bringe Abbas noch zur Tür. "Kommsu nich mit? Wieso hassu nich ers Walid und Zeyd gefahr'n?", nuschelt er betrunken.
"Nein, ich schlafe bei Walid. Wir sehen uns morgen, ja?", antworte ich liebevoll.
"Okay, fahr vorsichtich ja?" Ich nicke, schließe ihm die Tür auf, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und laufe wieder zum Auto.
Dann fahre ich mit Walid und Zeyd zu ihnen nachhause und sobald wir im Bett liegen schlafen wir innerhalb weniger Minuten ein.
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