49.
Momo scheint wegen des Abendessens mit Medina ziemlich nervös zu sein. Er hat sich mehrmals umgezogen und sich schlussendlich für eine dunkelgraue Hose mit einem hellblauen Hemd entschieden.
Abbas und ich waren schon lange fertig und sitzen im Wohnzimmer und warten auf ihn.
Ich frage Abbas: "Wie lange wollen wir noch hier bleiben?" "Bis übermorgen. Dann fliegen wir zurück. Ich muss wieder arbeiten und außerdem müssen wir deinen Geburtstag feiern. Anweisung vom Chef", antwortet er grinsend.
Da Momo ewig braucht, recherchieren wir online nach einem Rückflug und da wir einen günstigen Direktflug finden, buchen wir ihn sofort.
Als Momo endlich ins Wohnzimmer kommt, sagt Abbas: "Bist du auch schon fertig? Yallah, alle warten nur auf dich." Momo schaut panisch auf die Uhr. Es ist bereits 19.30 Uhr.
"Okay, lasst uns los fahren. Lilli, hast du die Adresse?", fragt er nervös. Ich nicke, hole mein Handy raus und lese die Adresse vor die Medina mir geschickt hat.
Eine halbe Stunde später und just in time parkt Momo vor Medinas Haus. Abbas und ich starren ihn auffordernd an.
"Was ist?", fragt Momo angespannt. "Steig doch aus und klingel an, worauf wartest du?", fragt Abbas.
"Ich? Wieso ich?", fragt er schrill und fährt sich nervös durch die Haare.
"Weil wir die Klingelschilder nicht lesen können", spotte ich.
Dann lege ich meine Hand auf seine Schulter und sage beruhigend: "Na los, sie wird sich freuen. Sie hat auch Interesse an dir, glaub mir."
Momo zögert einen Moment und rafft sich dann auf. Er wirft noch einen prüfenden Blick in den Rückspiegel seines Autos und öffnet langsam die Autotür.
Ich finde es amüsant und niedlich zugleich, den sonst so abgeklärten Geschäftsmann als nervliches Wrack zu sehen - wegen einer Frau. Sie muss ihm wirklich ordentlich den Kopf verdreht haben.
Mit unsicheren Schritten läuft Momo zur Eingangstür des großen Wohnhauses. Er liest die Klingelschilder und drückt dann auf einen der Klingelknöpfe.
Kurz darauf ertönt surrend die Sprechanlage und Medina sagt in melodischem Arabisch: "Lilli, bist du es?"
Unsicher drucksend antwortet Momo: "Ehm.. Ich bin's, Mohammed." Sie antwortet: "Ach, hallo Mohammed. Ich komme runter."
Momo reibt sich nervös die Hände und spielt an seiner teuren Armbanduhr herum. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Medina tritt heraus.
Sie trägt eine graue weite Hose mit einem weißen Langarmshirt, dazu einen Hijab, eine Clutch und Valentino Highheels in einem helleren Grauton.
Sie gibt Momo höflich die Hand und begrüßt ihn. Schnell sagt er: "Mein Auto steht dort, komm."
Abbas dreht sich um und sagt grinsend zu mir: "Stell dich gut mir ihr, sie ist bald unsere Schwägerin. Wetten?"
Die Autotüren gehen auf und Medina setzt sich neben mich auf die Rückbank. Sie gibt mir links und rechts ein Küsschen auf die Wange und gibt dann Abbas höflich die Hand.
"Wohin gehen wir?", frage ich sie neugierig. "Wollt ihr traditionell Arabisch essen?", fragt sie zurück.
Ich schaue Abbas fragend an. Momo ist in dem Moment wahrscheinlich eh zu keiner geistreichen Antwort im Stande.
Abbas nickt und sagt: "Ja klar. Wir sind so selten hier, das müssen wir ausnutzen."
"Dann würde ich das Em Sherif vorschlagen. Es ist direkt hier in Beirut, in der Nähe vom Beit Beirut Museum. Kennst du das?", fragt sie an Momo gerichtet.
"Ja, das ist wirklich gut, da war ich schon ein paar mal essen", antwortet er. "Okay, dann brauch ich dir den Weg nicht zu erklären, oder?", fragt sie und lächelt ihn hinreißend an.
Sie hat so eine krasse Aura, ihr ganzes Gesicht ist voller Licht, sowas habe ich noch nie gesehen.
Momo antwortet: "Nein danke, den Weg kenne ich." Während wir durch die Straßen von Beirut fahren, schaue ich gespannt aus dem Fenster.
Irgendwann frage ich auf Deutsch: "Sag mal Abbas, erkennst du hier irgendwas wieder?"
"Nein", sagt er ehrlich. "Und es fällt mir auch mega schwer die ganze Zeit Arabisch zu sprechen, wallah, vor allem so höflich. Mir fehlen total oft Wörter. Auch wenn unsere Freunde alle Araber sind, reden wir meistens ja doch nur Deutsch."
"Ja, so geht's mir auch. Auch mit Walids Eltern musste ich mich total anstrengen", erinnere ich mich.
Momo schüttelt empört den Kopf und sagt auf Arabisch: "Ihr seid richtige Almans geworden, schämt euch." Medina kichert leise.
Ich erkläre ihr auf Arabisch worüber Abbas und ich geredet haben und sie antwortet: "Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, Arabisch noch richtig zu sprechen, wenn man den ganzen Tag eine andere Sprache benutzt."
"Danke!", sagen Abbas und ich wie aus einem Mund.
Im Em Sharif unterhalten wir uns mit Medina über unser Leben in München und sie erzählt uns von ihrem Leben in Beirut und ihrer Familie.
Medina ist 24 Jahre alt und hat eine jüngere Schwester und einen älteren Bruder. Sie stammt ursprünglich aus Tripolis, wo sowohl ihre Eltern als auch ihre Geschwister immer noch leben. Sie ist vor fünf Jahren alleine nach Beirut gekommen um Medizin zu studieren.
Momo und sie verstehen sich sehr gut und er verliert im Laufe des Abends immer mehr seine Nervosität.
Nach dem Essen gehen wir noch gemeinsam am Strand spazieren. Als Medina kalt wird, gibt Momo ihr fürsorglich seine Jacke. Die beiden tauschen immer öfter verliebte Blicke aus.
Am späten Abend bringen wir Medina nachhause. Ich verabschiede mich herzlich von ihr und nehme ihr das Versprechen ab, dass wir in Kontakt blieben. Sie ist wirklich lieb und ich habe sie in den wenigen Stunden schon in mein Herz geschlossen.
Momo steigt noch mit ihr aus und bringt sie zur Tür. Abbas und ich lauschen indes wie zwei kleine Kinder an den geöffneten Autofenstern.
Wir müssen uns sehr anstrengen, aber hören wie Momo sagt: "Medina, ich danke dir für den schönen Abend. Meine Geschwister fliegen morgen wieder zurück, aber ich bleibe hier. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns nochmal wieder treffen. Vielleicht darf ich dich nächste Woche noch mal zum Essen einladen?"
Sie lächelt ihn an und sagt: "Sehr gerne. Ich fand es auch wirklich schön. Ich gebe dir meine Nummer und dann treffen wir uns nächste Woche."
Abbas dreht sich zu mir um und sagt hämisch grinsend und mit hochgezogenen Augenbrauen: "Tja Lilli, so schnell kann's gehen. Bist wohl doch nicht die Erste von uns, die heiratet, elhamdulillah."
Ich boxe ihm auf den Oberarm und schimpfe: "Abbas, hör auf das immer zu sagen. Du machst Auge. Bestimmt heirate ich gar nicht, wenn du immer so weiter redest."
Lachend sagt Abbas: "Ne, bevor du gar nicht heiratest gebe ich dich an Younes, der wird eh nie 'ne Frau finden."
Lachend kontere ich: "Am Ende wird Younes noch dich heiraten, ich sehe es kommen."
Auf einmal macht Abbas: "Pscht! Guck mal", und zeigt nach draußen. Hastig drehe ich mich um und sehe wie Medina sich verabschiedet, Momo einen Kuss auf die Wange drückt und ins Innere des großen weißen Wohnhauses verschwindet.
Momo kommt wieder zum Auto, setzt sich rein und atmet laut aus. Dann sagt er strahlend: "Lilli, ich danke dir, dass du diese Verabredung organisiert hast. Diese Frau ist einfach der Wahnsinn."
Ich beuge mich nach vorne und drücke ihm ebenfalls einen Kuss auf die Wange. "Gern geschehen, Moe. Ich freue mich sehr für dich. Sie ist wirklich eine richtig tolle Frau, ich bin selbst ein bisschen verliebt."
Den nächsten Tag verbringen wir wieder komplett bei unserem Vater im Krankenhaus. Er macht sehr schnelle Fortschritte und ist schon wieder ziemlich fit.
Ich bin trotzdem traurig, ihn alleine zu lassen, da ich mich um ihn sorge und ich bin auch traurig, dass er nicht bei meinem Geburstag dabei sein wird. Es ist das erste Jahr in dem ich ohne meinen Vater feiern muss.
Auch Momo wird nicht da sein, da er bei unserem Vater bleiben will, was ich natürlich verstehe. Er wird die nächsten Wochen noch nicht viel selbst machen dürfen und viel Unterstützung brauchen.
Im Grunde ist es also auch an meinem Geburtstag so, wie immer: nur Abbas und ich.
Als wir vom Krankenhaus weg fahren, fährt Momo noch in die Kanzlei um einige Dinge zu erledigen. Davor setzt er uns bei unserem Vater zuhause ab, wo wir sein Auto abholen. Abbas und ich haben uns entschieden, den Abend am Meer ausklingen zu lassen.
Wir holen uns unterwegs Pizza und fahren dann an den Strand. Wir haben eine große Decke mitgenommen, die wir im Sand ausbreiteten. Wir setzen uns darauf, essen unsere Pizza, beobachten den Sonnenuntergang und lauschen den Wellen.
Als wir aufgegessen haben, fragt Abbas mich: "Was macht Walid, wie geht's ihm?"
Meine Augen weiten sich. Ich habe keine Ahnung.
"Was?", fragt Abbas alamiert.
Ich schlage mir mit der flachen Hand vor den offenen Mund. "Ich habe keine Ahnung. Ich habe kaum mit ihm geredet, ich war mit meinem Kopf die ganze Zeit woanders. Scheiße. Er ist bestimmt mega sauer auf mich", sage ich panisch.
"Ach nein, das glaube ich nicht. Komm, ruf ihn an", schlägt mein Bruder vor.
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und rufe Walid per Videoanruf an. Es dauert eine Weile bis Walid den Anruf endlich annimmt.
Sein Gesicht erscheint auf meinem Display und ich freue mich riesig ihn zu sehen. Er sieht so hübsch aus mit seinem umwerfenden Lächeln, welches er mir schenkt.
Ich lächele zurück und sage reumütig: "Schatz, es tut mir so leid, dass ich mich kaum gemeldet habe. Ich war mit meinem Kopf einfach woanders. Sorry."
"Kein Problem Schatz. Wo bist du? Was machst du? Wie geht's dir und vor allem wie geht's deinem Vater?", fragt er gut gelaunt.
"Mir geht's gut und meinem Papa auch", erzähle ich. "Mir auch", ruft Abbas dazwischen.
Walid fängt an zu lachen und sagt: "Zeig dich mal, du Affe."
Ich halte das Handy etwas weiter weg, sodass auch Abbas mit im Bild ist.
"Affe sagst du zu mir, ja?", sagt Abbas streng und zieht eine Augenbraue hoch.
Walid übergeht Abbas' Bemerkung und fragt: "Wo seid ihr?" Ich antworte: "Wir verbringen den letzten Abend am Meer."
Ich wechselt die Kamera und filme das Meer, über welchem gerade die blutrote Sonne untergeht.
"Das heißt, ihr kommt morgen zurück?", fragt er voller Freude.
"Ja genau, wir fliegen morgen Vormittag zurück. Wir landen um 17 Uhr in München. Papa geht es schon wieder relativ gut und er meint, ich soll meinen Geburtstag auf jeden Fall feiern", antworte ich.
"Das trifft sich gut. Ich habe schon alles vorbereitet." "Wie? Du wusstest doch gar nicht, ob ich bis dahin wieder zurück bin?", frage ich überrascht.
"Nein, aber ich wollte es lieber umsonst fertig geplant haben als hinterher nichts zu haben oder noch kurzfristig was organisieren zu müssen", gibt er zu.
Ich strahle in die Kamera. "Danke Schatz, das ist wirklich lieb von dir."
Wir telefonieren noch eine Weile und erzählen ihm von Momo und Medina, bevor ich auflegen und wir zurück zu dem Haus unseres Vaters fahren, wo wir unsere Koffer packen und dann zeitnah ins Bett verschwinden.
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