44.

Ich fahre nachhause und zerbreche mir den ganzen Weg lang den Kopf darüber, wie ich Walid am Besten zurück gewinnen kann.

Nach allem was passiert ist reicht keine einfache Entschuldigung, ich muss mir was ganz besonderes einfallen lassen.

Mein größtes Problem ist, dass die Leute, die ich normalerweise um Rat gebeten hätte, gerade zusammen mit Walid in einem Flugzeug sitzen. Und da ich ihnen sowieso schon zwei Tage ihres Trips klaue, will ich sie an den anderen drei Tagen nicht auch noch in Anspruch nehmen.

In den drei Tagen ohne die Jungs bin ich ziemlich einsam und froh darüber, durch die Planung so abgelenkt zu sein, dass die Zeit wie im Flug vergeht.

Sonntag Morgen fahre ich dann endlich mit meinem Koffer zum Flughafen.

Ich habe schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, was ich Walid sagen will. Ich nehme mein Notizbuch und einen Stift raus und schreibe mir einige Stichpunkte auf. Ich habe Angst, dass ich sonst vor Aufregung die Hälfte vergesse und ich will, dass alles perfekt wird.

Während ich die wichtigsten Dinge zusammen schreibe laufen mir Tränen übers Gesicht. Meine Worte sind so emotional und ich hoffe, dass sie in Walid auch berühren.

Als das Boarding startet, erheben sich nur wenige Leute. Sonntag ist nicht gerade ein Anreisetag, es ist Nebensaison und selbst in Barcelona ist es aktuell nicht besonders warm.

Während des Fluges versuche ich mich zu entspannen, was mir vor lauter Aufregung allerdings nicht so richtig gelingt. Ich hole mein Handy raus und schreibe Abbas: "Sitze im Flugzeug. Bin so aufgeregt. Ich hoffe, es klappt alles :-("

Wir haben eine WhatsApp Gruppe die "Familie" heißt und die aus den fünf Jungs und mir besteht. Dort haben sie mich täglich auf dem Laufenden gehalten, was sie so machen. Sie schicken Bilder vom Strand, vom Sightseeing, von ihrem Essen und natürlich auch vom Feiern.

Walid hat mir jeden Abend geschrieben, ob alles okay sei. Ich glaube, er macht sich Sorgen um mich, da ich gefühlt ganz alleine in München war. Gestern Abend schrieb er mir sogar, dass er mich vermisst.

Abbas antwortet nach kurzer Zeit: "Na klar. Ich helfe dir. Ich habe den Jungs erzählt, dass ich ein Mädchen kennen gelernt hab, mit der ich heute was unternehmen will. Ich hole dich gleich vom Flughafen ab und helfe dir bei allem. Habe extra einen Mietwagen geholt."

Ich schreibe ihm dankbar zurück: "Danke Abbas, das wäre gar nicht nötig gewesen." Sofort antwortet er: "Doch, schließlich war ich ja mit Schuld an eurer Trennung."

Als ich wenig später mit meinem Koffer die große gläserne Schiebetür des Flughafens passiere, wartet Abbas dort schon auf mich.

Ich laufe mit schnellen Schritten auf ihn zu und springe ihm in die Arme. Abbas drückt mich fest an sich. Ich habe ihn wirklich vermisst.

Wir verlassen den Flughafen und Abbas sagt: "Komm, Schatz, mein Auto steht hier" und zeigt auf einen gelben Lamborghini.

Ich fange laut an zu lachen. "Dein Ernst, Abbas?" Er nickt überzeugt. "Wenigstens im Urlaub will ich mal so leben wie du!"

Auf der Fahrt zum Hotel erzählt Abbas mir: "Wir haben es extra so gedreht, dass Walid alleine auf einem Zimmer ist, da wir ja wussten, dass du kommst. Das war allerdings gar nicht so einfach. Dass ich mit Younes auf ein Zimmer gehe war klar, aber Walid wollte mit Zeyd auf ein Zimmer und hat gar nicht verstanden, dass Zeyd darauf bestanden hat, ein Zimmer mit Shayan zu teilen. Der war richtig beleidigt!"

Am Hotel angekommen, trägt Abbas meinen Koffer zu seinem Zimmer und wir setzen uns auf den kleinen Balkon.

"Die Jungs sind heute unten am Strand und wollen da auch bis Abends bleiben. Sollten sie sich doch dort weg bewegen, schreiben Zeyd oder Younes mir. Also, was hast du geplant?", erkundigt er sich neugierig.

Ich erzähle Abbas, dass eine Freundin mir von einer kleinen verlassenen Bucht erzählt hat, in der die Überraschung stattfinden soll.

"Ich habe ein Feuerwerk vorbereitet und auch sonst alles mitgebracht, außer Champagner und Essen", erkläre ich.

"Okay. Dann lass uns einkaufen gehen und dann zu der Bucht fahren. Wir bereiten alles vor und sobald es dunkel wird, kommen die Jungs unter einem Vorwand mit Walid dorthin", schlägt Abbas vor.

Gesagt, getan. Wir kaufen mehrere Flaschen Champagner und verschiedene Tapas. Am Strand bauen wir einen Pavillon auf und verteilen rundherum Laternen und Fackeln.

Anschließend ziehe ich mich notdürftig in dem engen Mietwagen um. Ich habe mir extra für diesen Anlass ein bodenlanges weißes Kleid gekauft. Ich frische mein Makeup auf öffne meinen Dutt.

Abbas und ich setzen uns gemeinsam auf die Felsen und mein Bruder öffnet eine der Champagner Flaschen. Wir stecken uns beide eine Zigarette an und trinken den Champagner direkt aus der Flasche. Das ist genau das, was ich jetzt gegen meine Nervosität brauche.

Plötzlich klingelt Abbas' Handy. "Zeyd schreibt: Sind jetzt auf dem Weg. Das Navi sagt zehn Minuten", liest er mir vor.

"Ich fahre jetzt das Auto weg. Wir sehen uns später. Mach dir keine Sorgen, es ist perfekt. Wie soll Walid da widerstehen?" Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und geht.

Ich bleibe alleine am Strand zurück und warte mit klopfendem Herzen. Nervös reibe ich meine schwitzigen Hände aneinander.

Irgendwann höre ich ein Auto, was immer langsamer wird und schließlich oben an der Bucht anhält. Dann höre ich Autotüren knallen.

Mein Herz hämmert immer schneller gegen meine Brust. Kurz darauf höre ich Zeyds Stimme: "Walid geh mal gucken, ob da unten schon Leute sind."

Walid erwidert genervt: "Wieso ich? Geh doch selbst!" Younes sagt schnell: "Nö, du gehst weil du das einzige Einzelzimmer hast." Walid lässt sich tatsächlich von diesem schwachsinnigen Argument breit schlagen und läuft nach unten.

Als er um die Ecke kommt und mich sieht mit all den leuchtenden Fackeln im Hintergrund macht er große Augen. Schnellen Schrittes läuft er auf mich zu und ruft ungläubig: "Lilli? Was machst du denn hier?"

Ich hole tief Luft und sage mit zittriger Stimme: "Oft im Leben ist das, was man will, nicht das, was man braucht, aber ich habe in den letzten Tagen sehr deutlich gespürt, dass ich dich in meinem Leben brauche, Walid. Egal, welche Pläne ich mir für meine Zukunft ausmale, immer sehe ich dich neben mir. Du bist nicht irgendein Mann für mich oder irgendein Freund. Ich habe lange darüber nachgedacht, was du für mich bist. Du bist mein Kryptonit.

Kryptonit war Supermans einzige Schwäche. Jeder Mensch begegnet in seinem Leben genau einem Menschen, von dem er einfach nicht loskommt. Egal was passiert, egal wie oft man von diesem Menschen getrennt ist, egal wie viel Zeit vergeht oder wie viele Kilometer einen von diesem Menschen trennen. Man kann versuchen, diesen Menschen zu vergessen und jeglichen Kontakt vermeiden, um mit der Vergangenheit abzuschließen. Dennoch werden sofort wieder alle Erinnerungen wach, sobald wir nur seinen Namen hören. Am liebsten würden wir ihn aus unseren Gedanken streichen, doch einen Kryptonit Menschen wird man nicht so leicht los. Er ist unsere größte Schwachstelle und bleibt sie in der Regel auch ein Leben lang.

Und dieser Mensch bist du für mich. Egal was passiert, ich will zu dir. Egal wie viele Gründe es gibt, die gegen uns sprechen, ich werde immer den einen Grund suchen, der für dich spricht. Wenn es tausend Gründe gibt zu gehen, werde ich den einen suchen um zu bleiben. Und weißt du was das Besondere daran ist? Dass du genau so für mich empfindest. Wir werden uns niemals vergessen können, wir werden niemals ohne den anderen leben können. Es ist genau so, wie du es gesagt hast: In meinem Herzen nur du. Lass uns nicht ein unglückliches Leben voller Sehnsucht führen, sondern gib mir bitte eine zweite Chance. Lass uns eine gemeinsame Zukunft schaffen. Ich schwöre dir, ich werde dich nie wieder so enttäuschen. Ich liebe dich und ich brauche dich. Bitte.."

Mir laufen Tränen über die Wangen und auch Walid hat Tränen in den Augen. Er nimmt mich in den Arm, hebt mich hoch und hält mich ganz fest an sich gedrückt.

"Ich liebe dich auch und ich kann nicht ohne dich leben. Ich habe dich so sehr vermisst, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ich habe versucht, dich zu vergessen, aber du hast recht: Das schaffe ich nicht. Lass es uns noch mal versuchen", flüstert er heiser und versiegelt meine Lippen mit einem sehnsüchtigen Kuss.

In dem Moment knallt es und über uns geht ein Feuerwerk los. Walid küsst mich erneut. Die Jungs applaudieren und kommen jetzt auch zu uns. Sie umarmen und beglückwünschen uns. Abbas nimmt eine Champagner Flasche und lässt den Korken knallen.

Wir verbringen den restlichen Abend zusammen am Strand. Wir essen Tapas und trinken Champagner, hören Musik und um Mitternacht gehen wir im Meer schwimmen.

Als ich mich in dieser Nacht neben Walid ins Bett lege sagt er plötzlich: "Ach, deshalb hat Zeyd darauf bestanden, dass er mit Shayan auf ein Zimmer geht. Damit ich alleine bin, weil sie wussten, dass du noch kommst?" Ich nicke grinsend.

Walid schlägt sich mit der Hand vor den Kopf und sagt lachend: "Und ich war schon richtig beleidigt."

Dann zieht er mich ganz nah an sich und küsst mich. Unsere Küsse werden schnell immer leidenschaftlicher und es dauert nicht lange, bis wir uns gegenseitig auszogen haben. Es ist der intensivste Sex, den wir jemals hatten, weil er voller Liebe, Sehnsucht und Hoffnung ist.
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Meine Lieben,

Dieses Kapitel bedeutet mir sehr viel. Ich hab es aus meinem tiefsten Herzen geschrieben und irgendwie ist es dadurch das persönlichste Kapitel geworden.

Ich habe meinen Kryptonit-Menschen bereits gefunden und ich wünsche jedem von euch, dass er seinen auch findet.

A.

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