29.

In den nächsten Tagen bin ich ziemlich beschäftigt. Ich helfe Walid bei den Vorbereitungen für seinen Geburtstag. An einem Nachmittag treffe ich mich mit Kitty in der Innenstadt und kaufe mir ein wunderschönes Designer-Kleid für Walids Geburtstag und gönne mir passend dazu noch neue Highheels.

Außerdem kaufe ich für Walid eine schöne Armbanduhr, die ich ihm schenken will. Ich entschied mich für eine goldene Rolex mit schwarzem Ziffernblatt.

Als Besonderheit lasse ich von dem Juwelier eine Gravur in die Innenseite machen. "In meinem Herzen nur du. L.A." Diesen Satz hat er zu mir gesagt, und er bedeutet mir viel. Der Anfangsbuchstabe meines Vornamen in Kombination mit dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamen, wie er es auch als Kennzeichen für mich wählte, sollte das ganze unterstreichen.

Kitty ist nach wie vor in einer glücklichen Beziehung mit Leo. Leo ist wegen seines Sohnes beruflich viel kürzer getreten. So hat er auch automatisch mehr Zeit für Kitty, die sowohl Milo als auch Isabelle schon kennen gelernt, und beide sofort in ihr Herz geschlossen hat.

Die Zeit vergeht wie im Flug, bis es Montag Abend ist. Walid will seinen Geburtstag am Dienstag relativ groß feiern, wir haben uns aber trotzdem entschieden, im engsten Kreis im Mandalay ein wenig reinzufeiern.

Frei nach dem Motto "Wer kann, der kann" schließt Walid also kurzerhand eine seiner zwei Shishabars für den öffentlichen Betrieb und wir verbringen einen schönen Abend zusammen.

Zeyd, sein bester Freund Ilias, Abbas, Younes und ich sind da. Malik kommt etwas später dazu und bringt vier große Platten mit leckerem Essen mit. Wir trinken Cocktails und Longdrinks, rauchen Shisha und essen arabisches Essen.

Um Mitternacht stoßen wir alle mit Champagner an und singen laut "Happy Birthday" für Walid.

Ich schlinge meine Arme um seine Taille, küsse ihn und sage: "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag mein Herz. Ich wünsche dir nur das Beste für dein neues Lebensjahr und ich wünsche mir, dass ich es mit dir verbringen darf."

Dann überreiche ich ihm eine dunkleblaue Schmuckschatulle. Er öffnet sie und die goldene Uhr kommt zum Vorschein. Er küsst mich und bedankt sich überschwänglich.

Er nimmt seine Armbanduhr ab und tauscht sie mit meiner aus. Scheinbar habe ich genau seinen Geschmack getroffen. Bevor er sie an seinem Handgelenk schließt, sage ich schnell: "Schau mal unter das Zifferblatt."

Er nimmt die Uhr wieder ab und liest die Gravur. Dann sagt er leise in mein Ohr: "Danke. Du bist der wunderbarste Mensch, mein schönstes Geburtstagsgeschenk."

Auch die Jungs überreichen ihm ihre Geschenke. Walid bekommt Parfum, ein Bayern München Trikot und eine Reise mit den Jungs nach Barcelona geschenkt.

Er steht auf und hält eine kleine Rede: "Danke, dass ihr alle gekommen seid. Ihr seid die wichtigsten Menschen für mich, auch wenn einer fehlt. Elhamdulillah ist das der letzte Geburtstag, den ich ohne meinen großen Bruder feiern muss. Nächstes Jahr wird er bei uns sein. Auf Shayan."

Dann hebt er sein Champagnerglas. Wir heben auch unsere Gläser und rufen: "Auf Shayan! Auf dich!" Zeyd grinst wissend und zwinkert mir unauffällig zu.

Gegen ein Uhr lösen wir unsere kleine Runde auf. Die Hälfte von uns musst morgen ja bereits um acht Uhr aufstehen um Shayan abzuholen, was Walid nicht weiß. Ihm ist das aber auch Recht, da morgen ja noch seine eigentliche Feier ansteht.

Ich wohne mittlerweile wieder Zuhause, so dass ich mich vorm Mandalay von ihm verabschiede und mit Abbas nachhause fahre.

An diesem Abend kann ich nur schwer einschlafen, da ich so nervös bin. Ich wälze mich hin und her und zerbreche mir den Kopf. Was, wenn Shayan mich nicht leiden kann? Wie würde Walid darauf reagieren?

Am nächsten Morgen bin ich schon vor dem Wecker wach. Ich dusche mich und föhne meine Haare. Ich mache mir viele kleine Locken in die Haare und stecke sie halb hoch. Ich schminke meine Augen stark, den Rest lasse ich bis auf Bronzer und nudefarbenen Lippenstift aber natürlich. Dann suche ich mir was zum Anziehen raus.

Ich entscheide mich für eine blaue Jeans mit vielen Rissen und eine blau-weiß gestreifte klassische Bluse. Dazu ziehe ich mir weiße spitze Highheels an, eine cremefarbene Yves Saint Laurent Clutch und meine goldene Rolex.

Ich gehe in die Küche, wo Abbas schon mit zwei Milchkaffee sitzt. Er trägt ein weißes Shirt, eine blaue Jeansjacke uns eine schwarze Jeans mit Rissen an den Knien. Auf dem Kopf trägt er eine schwarze Yankees Snapback, die er verkehrt herum aufgesetzt hat und dazu klassische weiße Nike Airforce. Anerkennend pfeife ich.

"Da hat sich aber jemand schick gemacht", necke ich ihn und nehme mir eine der beiden Tassen.

"Sagt die Richtige", antwortet er mit einem Zwinkern. Ich esse noch einen Joghurt und Abbas schaufelt sich in der selben Zeit fünf oder sechs Toast rein.

"Fährst du oder ich?", fragt Abbas. "Bitte fahr du. Ich bin viel zu nervös", sage ich. "Okay, aber mach dir keinen Kopf. Shayan ist genau wie Walid und Zeyd", versucht er mich zu beruhigen.

Dann grinst er auf einmal teuflisch und sagt: "Wir müssen Shayan aber schon standesgemäß abholen, ne. Am passendsten finde ich da einen Lamborghini."

Ich nehme den Schlüssel von der Kommode und schmeiße ihn Abbas zu. "Hier, du Geier."

Wir treffen uns mit Zeyd bei Younes und fahren dann alle gemeinsam zur JVA.

An der Justizvollzugsanstalt München angekommen, parken wir unsere Autos auf dem Besucherparkplatz und gehen gemeinsam zu dem großen Tor. Es ist viertel vor neun. Wir zünden uns alle eine Zigarette an und stehen angespannt vor dem Tor und starren es an, als ob wir es so dazu bringen können, sich schneller zu öffnen.

Zeyd ist ziemlich nervös, genau wie ich, die anderen beiden Jungs waren einfach nur voller Vorfreude. Shayan wollte im Gefängnis keinen Besuch außer von seinen Brüdern, und demnach hatten sie Shayan ziemlich lange nicht mehr gesehen.

Zeyd beginnt vor dem massiven Tor auf und ab zu laufen wie ein Tiger im Käfig. Ich spiele in Gedanken versunken mit meinen Fingern. Sekunden werden zu Minuten, Minuten zu Stunden. Alle paar Sekunden schaut jemand auf seine Uhr oder sein Handy. Tick tack. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi.

8:59 Uhr. Auf einmal hören wir Stimmen. Dann, mit einem lauten Knarzen, schiebt sich das Tor langsam zur Seite. Heraus tritt ein Mann, der sehr viel Ähnlichkeit mit Zeyd hat.

Er hat braune Augen und braune Haare, die immer mal wieder von einigen helleren Strähnen durchzogen werden. Er ist minimal größer als Zeyd und schätzungsweise etwas kleiner als Walid. Er hat eine kräftige Statur, aber war eher nicht trainiert. Auch er ist stark tätowiert und hat im Gegensatz zu Walid sogar die Hände und den Hals tätowiert.

Er trägt ein dunkles Jeanshemd und dazu eine schwarze Jeanshose. Er geht durch das Tor und ruft dem Beamten, der ihn begleitet hat noch etwas zu ohne sich umzudrehen.

Zeyd läuft ihm mit schnellen Schritten entgegen und die beiden fallen sich wortlos in die Arme. Sie umarmen sich sehr lange.

Als sie sich voneinander lösen, schaut Shayan zu uns. Zuerst läuft er auf Abbas zu, umarmt ihn fest und sagt: "Bruder, schön dich zu sehen nach so vielen Jahren. Bist ja ein richtiger Mann geworden."

Wir alle lachen. Dann sagt er: "Abbas, danke, dass du das geregelt hast. Ich habe keine Ahnung, was genau passiert ist, ich wurde nur Freitag informiert, dass mein Anwalt Herr El-Habib für mich eine Haftverkürzung bewilligt bekommen hat. Es hat einen Moment gedauert, bis ich gecheckt habe, dass das dein Vater ist. Also, was auch immer du oder dein Vater gemacht hast - danke."

Abbas lächelt ihn an und sagt: "Es stimmt, dass mein Vater das geregelt hat, aber das hast du nicht mir zu verdanken, sondern der jungen Dame neben mir. Darf ich vorstellen? Lilli, meine Schwester." Bei diesen Worten zeigt er mit einer galanten Handbewegung auf mich.

Ich lächele Shayan schüchtern an, der verwirrt zwischen Abbas und mir hin und her schaut.

Zeyd sieht diesen Blick und erklärt: "Shayan, Lilli.. Das ist Walids Freundin!"

Jetzt fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Er sagt: "Ach nein? Jetzt wird mir alles klar. Walids Lilli, von der er immer erzählt, ist Abbas' kleine Schwester. Das wusste ich gar nicht."

Er reicht mir die Hand und sagt: "Hallo Lilli, ich bin Shayan. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast, obwohl du mich noch nicht mal kanntest. Das zeigt, dass du ein reines Herz hast."

Shayan begrüßt nun auch Younes freundschaftlich und fragt dann Zeyd etwas geknickt: "Und wo ist Walid? Wieso ist er nicht mitgekommen?"

Zeyd lacht und antwortet frech: "Walid weiß doch noch gar nicht, dass du raus kommst. Du wirst ihn heute Abend auf seiner Party überraschen. Hattet ihr da drinnen keinen Kalender oder was?"

Shayan sagt lachend: "Nicht so frech, Kleiner. Nun stellt sich mir nur eine Frage: Was mache ich bis heute Abend?"

Zeyd antwortet: "Lilli und ich müssen heute Mittag mit Walid und unseren Eltern essen gehen. Deshalb hatte Abbas einen Vorschlag. Abbas?"

Er nickt Abbas zu, der dann erklärt: "Genau. Wir haben überlegt, dass Younes, du und ich heute den Tag über was unternehmen. Was hältst du von Shoppen? Dich mal zeitgemäß einkleiden?", sagt er neckend.

Shayan antwortet wie aus der Pistole geschossen: "Perfekt. Ich hab mich vier Jahre lang darauf gefreut, endlich wieder normale Sachen tragen zu können." Das versetzt mir einen Stich ins Herz. Armer Shayan.

Wir laufen zusammen zum Parkplatz. Als Shayan den Lamborghini sieht, bekommt er große Augen. Abbas sieht ihn an und sagt trocken: "Jaaa Bruder, genau so hab ich auch geschaut." Shayan fragt: "Wessen Wagen ist das denn? Zeyds BMW steht ja da, dann kann es ja nur Younes' Auto sein."

Younes schnauft, verdreht die Augen und erwidert: "Schön wär's. Das hat dein großzügiger Bruder unserer Lilli hier geschenkt."

Verschämt lächele ich. "Nein??", fragt er überrascht. "Ist Walid so ein richtiger Liebeskasper geworden, oder was?"

Die drei Jungs antworten laut lachend, wie aus einem Mund: "Ja!"

Wir gehen zu dem schwarzen Lamborghini. Ich nehme Abbas den Schlüssel aus der Hand und halte ihn Shayan hin mit den Worten: "Willst du?"

Shayan nickt und greift sofort zu. Abbas setzt sich wie selbstverständlich auf den Beifahrersitz und beginnt das Navi für Shayan einzustellen.

"Ehm, okay, Abbas, ich fahre dann mit Zeyd ja?", frage ich provokant. "Ja, ja, mach nur", antwortet er gedankenverloren. Fassungslos starre ich ihn an, was er gar nicht zu bemerken scheint.

Ich tippe ihm leicht auf die Schulter und sehe ihn fragend an. Er schaut genervt hoch, und scheint erst jetzt zu verstehen. "Ups", sagt er grinsend und zuckt mit den Schultern.

Dann schaut er an mir vorbei und ruft Zeyd zu: "Kannst du sie nachhause fahren?"

Zeyd und Younes, die die ganze Zeit schon am grinsen waren, brechen nun in schallendes Gelächter aus.

Kopfschüttelnd drehe ich mich zu Zeyd, der Abbas zunickt und einen Arm um meine Schultern legt.

"Na komm, lass die Spielkinder", sagt er grinsend und schiebt mich leicht zu seinem Wagen. Natürlich ist das kein Problem für mich, aber die Selbstverständlichkeit mit der Abbas all das tat, ist einfach zu komisch.

Zuhause angekommen sagt Shayan: "Der Wagen ist echt der Hammer. Ich überlege auch, was ich mir für ein Auto holen soll. Aber vielleicht hole ich mir auch keins und nehme einfach Walids S-Klasse, der fährt den Wagen eh nie." Ich antworte: "Das stimmt. Der fährt wirklich immer nur mit dem X6."

Shayan lächelt mich an und fragt: "Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt, Walid und du?"

Ich erzähle: "Abbas hat mich mitgenommen als Walid das Infinity eröffnet hat. Er hat mir den Club gezeigt und mir dann seine Nummer gegeben. Am nächsten Morgen habe ich ihm geschrieben und er hat mich zur zweiten Eröffnung eingeladen. Ich bin Abends hingegangen und wir haben uns erstmal total gestritten. Er hat mich angeschrien und sich dann am nächsten Tag bei mir entschuldigt. Dann habe ich ihm gesagt, dass ich es gerne von Anfang an ernsthaft versuchen würde und seitdem sind wir zusammen."

Ich merke selbst, dass ich beim erzählen die ganze Zeit strahle und meine Augen funkeln.

Auch Shayan bemerkt das, denn er sagt: "Du kennst ja meine Geschichte, deshalb bin ich sehr kritisch, was die Freundinnen meiner Brüder angeht und auch sehr misstrauisch. Ich habe per se ein schlechtes Gefühl, auch wenn das falsch ist. Aber bei dir hatte ich dieses Gefühl seit der ersten Sekunde in der ich dich kennen gelernt habe nie. Man sieht dir sofort an, dass du ein gutes Herz hast. Du hast so ein Licht in deinem Gesicht und wenn ich sehe, wie du strahlst, wenn du von Walid redest.. Man kann keine Sekunde daran zweifeln, dass du ihn aufrichtig liebst. Ich freue mich sehr für Walid und dich und hoffe, dass ihr immer glücklich seid, inschallah."

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und ich merke wie meine Augen feucht werden. Shayans Worte haben mich sehr berührt und mir all meine Zweifel genommen.

Meine Nervosität ist plötzlich verflogen und in mir ist nur noch die pure Freude, Walid am Abend mit der Anwesenheit seines lang vermissten großen Bruders zu überraschen.

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