Als ich am nächsten Morgen wach werde, liege ich alleine im Bett. Von unten dringen die Stimmen von Walid, Zeyd und ihren Eltern nach oben. Ich bleibe noch eine Weile im Bett liegen, irgendwie bin ich heute total schlapp.

Als ich mich endlich aufraffen kann, ziehe ich mir eine schmal geschnittene blaue Jeans und ein schwarzes T-Shirt an. Darüber ziehe ich eine dicke graue Strickjacke und schlüpfe in meine schwarzen Birkenstock-Schlappen.

Ich habe keine Lust mich zu schminken und binde meine Haare nur unordentlich zu einem Dutt zusammen. Alles weitere wäre sowieso vergeudete Liebesmüh gewesen, da ich gleich mit Zahra zum Frisör gehe.

Ich gehe nach unten, wo die vier am Esstisch sitzen und frühstücken. "Guten Morgen. Bitte entschuldigen sie, dass ich erst jetzt komme. Walid, wieso hast du mich nicht geweckt?", frage ich beschämt.

"Wieso denn? Du bist sonst immer die Erste, die aufsteht und alles macht. Außerdem haben wir gerade erst angefangen zu essen. Komm, setz dich zu uns", sagt er liebevoll und beruhigt damit mein schlechtes Gewissen.

Ich setze mich neben Walid und er gießt mir eine Tasse Kaffee ein

Zahra sagt zu mir: "Lilli, wir müssen um 12 Uhr beim Frisör sein. Würdest du bitte fahren?"

Walid und Zeyd tauschen überraschte Blicke aus. Walid fragt irritiert: "Mama, wie kommt's? Sonst darf nur Baba fahren, mit Zeyd und mir bist du noch nie gefahren."

"Natürlich nicht, ihr fahrt auch wie auf der Rennstrecke", antwortet sie empört. Zeyd lacht und sagt: "Mama, weißt du eigentlich, dass Lilli das schnellste Auto von uns fährt?"

Walid straft ihn mit einem bösen Blick. Scheinbar will er nicht, dass seine Eltern davon erfahren, dass er mir ein so teures Auto geschenkt hat.

Aber Hakim hat Blut geleckt. Er fragt: "Lilli, was fährst du denn für ein Auto? Die letzten Tage bist du doch immer den weißen Porsche Panamera gefahren."

"Ja, das stimmt. Ich habe zuhause außerdem noch einen Lamborghini Aventador."

Hakim nickt beeindruckt. "Das ist tatsächlich ein schnelleres Auto, als deine Söhne fahren", sagt er lachend zu seiner Frau, um sie zu ärgern.

Zahra wirft ihm einen besorgten Blick zu. Ich versichere ihr: "Mit diesem Wagen fahren wir aber nicht. Wir fahren mit meinem weißen Auto, was draußen steht. Und ich bin eine sehr gute und vorsichtige Fahrerin. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.

"Das reicht jetzt, bitte hör auf uns zu siezen!", sagt Hakim bestimmt. Ich lächele und stimme zu. Walid und Zeyd tauschen irritierte Blicke aus.

Ein wenig später fahren Zahra und ich dann mit unseren Kleidern im Gepäck zu einem Frisör, den sie ausgewählt hat. Da sie ein Kopftuch trägt, will sie sich nur schminken lassen.

Ich lasse meine langen blonden Haare kunstvoll hochstecken. Die Frisörinnen sind allesamt begeistert von mir und meinen Haaren und machen mir viele Komplimente.

Zahra wirkt richtig stolz, was ich irgendwie niedlich finde. Ich kann mir gut vorstellen, dass man als Mutter dreier Söhne froh ist, wenn man nun auch mal eine Art Tochter hat, mit der man sowas machen kann.

Als ich auch fertig geschminkt bin, blicke ich begeistert in den Spiegel. Die Frisörin und die Makeup-Artistin haben ganze Arbeit geleistet.

Ich gehe mit einer der beiden Frauen in einen Nebenraum, und sie hilft mir in mein Kleid. Zahra hat sich bereits umgezogen. Sie trägt ein dunkelblaues Seidenkleid mit passendem Hijab.

Ich ziehe mein Kleid an und dazu mit Diamanten besetzte Louboutin Highheels. Als ich wieder in den Salon komme, verfallen die Mitarbeiterinnen in hysterisches Gekreische.

Zahra schaut mich mit großen Augen an. Dann kommt sie zu mir, nimmt meine Hand und sagte: "Du siehst wunderschön aus. Du wirst mal eine wunderschöne Braut."

Mir steigen die Tränen in die Augen. Meine eigene Mutter hat mich nie so gesehen und wird mich auch nie als Braut sehen, deshalb bedeutet es mir viel, das von meiner Schwiegermutter in spe zu hören.

In weiser Voraussicht habe ich Walid schon vorab gesagt, dass die Männer uns um 15 Uhr hier abholen sollen. In diesem Kleid kann ich nicht einen Meter fahren.

Auf die Minute genau fährt Walids BMW beim Frisör vor. Walid, Zeyd und ihr Vater steigen aus und bleiben vor dem kleinen Frisörladen stehen.

Zahra geht zuerst durch die Tür. Hakim küsst ihre Hände und macht ihr ganz rührende Komplimente. Mein Herz klopft bis zum Hals und ich fühle mich ein bisschen, als würde ich selbst heiraten.

Für mich ist das heute ein ziemlich wichtiger Anlass, da ich nun Walids gesamte Familie zum ersten Mal als seine offizielle Freundin kennen lernen werde.

Ich hole noch einmal tief Luft und trete dann auch durch die Tür. Ich habe mich für ein graublaues, teures Kleid von Valentino mit Herz-Dekolleté und weit ausgestelltem Rock entschieden. Es ist komplett bestickt mit Silbergarn, kleinen Glasperlen und Swarovski Kristallen.

Als ich rauskomme, funkelt und glitzert mein Kleid im Sonnenlicht. Schüchtern bleibe ich vor der Tür stehen und schaue zu Walid. Er starrt mich an und strahlt mit meinem Kleid um die Wette.

Dann kommt er zu mir und mustert mich ausgiebig. Er nimmt fast schon ehrfürchtig meine Hand und flüstert leise: "Du bist wunderschön. Ich bin so gesegnet, dich an meiner Seite zu haben und so stolz, das heute jedem zeigen zu können. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie eine schönere Frau gesehen. Ich liebe dich, Lilli."

Er nimmt sanft mein Gesicht in seine Hände und drückt mir einen gefühlvollen Kuss auf die Stirn. Wir beide haben Tränen in den Augen.

Erst jetzt komme ich dazu, Walid richtig zu betrachten. Er trägt einen edlen schwarzen Anzug und darunter ein weißes Hemd.

"Du siehst auch schön aus Schatz. Jetzt machen wir, dass du perfekt aussiehst." Ich hole eine kleine silberne Schachtel aus meinem Kofferraum und überreiche sie ihm.

Er öffnet sie und nimmt eine Krawatte und ein Einstecktuch aus dem Stoff meines Kleid heraus. Walid bedankt sich strahlend und lässt sich die Krawatte von Zeyd umbinden.

Wir steigen in die Autos und fahren zu Walids Onkel und Tante, wo gleich die traditionelle Brautübergabe stattfindet. Hakim und Zahra fahren mit Walids Auto und Walid fährt mit meinem. Zeyd sitzt auf dem Beifahrersitz und ich mit meinem riesigen Kleid hinten.

"Arme Yasemin", sagt Walid lachend. Zeyd stimmt in sein Lachen ein und sagt: "Das ist wohl das erste und letzte Mal, dass du Lilli mit zu einer Hochzeit nehmen darfst."

Verwirrt schaue ich die beiden an. "Hä? Wieso?" "Na weil du dafür sorgen wirst, dass die Braut nicht die schönste Frau des Abends ist", sagt Walid. "Ach was, so ein Quatsch. Die Braut ist immer die Schönste", antworte ich.

Wir sehen schon von weitem viele Autos und noch mehr Menschen. Es wird gehupt, gesungen, gepfiffen, getrommelt und getanzt. Die Männer tragen Anzüge und die Frauen pompöse Kleider.

Hakim und Zahra gehen sofort zu verschiedenen Leuten und begrüßen sie überschwänglich. Walid nimmt meine Hand und umschließt sie fest.

Wir gehen zu unzähligen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkeln. Walid begrüßt sie alle und stellt mich vor. Alle sind sehr freundlich und herzlich. Die Männer geben mir die Hand, die Frauen küssen und umarmen mich und machen mir Komplimente.

Dann kommt auch schon die Braut aus ihrem Elternhaus. Sie trägt ein tolles weißes Kleid aus Spitze mit langem Schleier und langer Schleppe. Um die Taille trägt sie ein rotes Seidenband und ihr Gesicht ist mit einem weiteren Schleier verhüllt.

Ein Cousin von Walid kommt und gibt uns weiße Seidenbänder, die wir am Auto befestigen. Dann fahren alle Gäste in einer Kolonne zu dem Festsaal, in dem die Hochzeit stattfindet.

Der Festsaal ist groß und in weiß und gold dekoriert. An der Decke hängen riesige Kronleuchter, auf den Tischen stehen massive achtarmige Kerzenleuchter und die Tischdecken sind aus weiß-goldenem Brokat. Es stehen große weiße Rosen und Lilien auf den Tischen, welche den ganzen Saal duften lassen. Wir fünf sitzen gemeinsam mit einer anderen Familie an einem großen runden Tisch.

Als das Brautpaar reinkommt, applaudieren wir alle. Dann tanzen sie den Eröffnungstanz. Generell wird an dem Abend sehr viel getanzt, auch Dabke, ein Arabischer Volkstanz, den ich nicht mag - ganz im Gegensatz zu Walid und Zeyd. Die beiden sind eigentlich durchgehend am tanzen und das mit so einer Begeisterung, dass es richtig Freude macht, ihnen zuzusehen. 

Ich unterhalte mich fast den ganzen Abend mit einer jungen bildschönen Frau, die eine Cousine von Walid ist und in meinem Alter.

Nach dem Essen, was in Form eines großzügigen Buffets gestaltet ist, wird dann endlich moderne Musik gespielt und so gehen auch meine neue Freundin und ich endlich mal auf die Tanzfläche.

Wir sind unter den Letzten, die an diesem Abend nachhause gehen. Zahra und Hakim gingen schon deutlich vor uns und teilten mir bei der Verabschiedung mit, dass alle begeistert von mir wären.

Als ich nach diesem langen und wunderschönen Tag neben Walid im Bett liege, schlafe ich glücklich und mit einem Lächeln ein.