25.

Mitten in der Nacht spüre ich, wie sich zwei Arme um meine Taille schlingen. Verschlafen öffne ich die Augen und blicke in Walids zufrieden lächelndes Gesicht.

Er küsst mich und flüstert: "Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schön es ist nachhause zu kommen, und so eine schöne Frau in seinem Bett liegen zu sehen."

Am nächsten Morgen werde ich schon früh wach. Walid ist erst mitten in der Nacht nachhause gekommen, weshalb ich ihn nicht wecken will. Stattdessen gehe ich ins Bad, putze meine Zähne und ziehe mich um. Ich nehme mir ein T-Shirt von Walid, das an mir wie ein Kleid sitzt und ziehe eine schwarze Leggings darunter. Dann trage ich etwas Wimperntusche auf und kämme meine blonden langen Haare durch.

Ich gehe nach unten in die Küche. Auch Zeyd scheint noch zu schlafen, deshalb entschließe ich, Frühstück für uns drei zu machen.

Nach kurzer Inspektion des Kühlschranks stelle ich fest, dass ich dazu erstmal einkaufen muss. Außer Champagner, Whiskey und Steaks ist neben ein paar Basics nicht wirklich viel frühstückstaugliches im Kühlschrank der Jungs zu finden.

Ich schlüpfe in meine weißen Sneakers, hole leise mein Portemonnaie und meine Schlüssel und fahre zum Supermarkt um die Ecke. Ich kaufe Eier, Tomaten, Mozzarella, Aufschnitt, Lachs, frisches Obst, Milch und Orangensaft. Im Anschluss halte ich mich beim Bäcker und kaufe frische Brötchen.

Dann fahre ich wieder zurück und bereite das Frühstück vor. Ich koche Kaffee, mache Rührei mit frischen Kräutern und Tomate-Mozzarella. Ich drapiere den Aufschnitt und den Lachs auf Servierplatten und schneide das Obst.

Ich trage alles zum Esstisch und decke den Tisch mit Besteck und Geschirr ein. Zuletzt stelle ich eine Karaffe mit Orangensaft und eine Kanne frisch gekochten Kaffee auf den Tisch.

Als hätte Walid das Frühstück gerochen, kommt er just in diesem Moment in einer grauen Jogginghose und einem weißen T-Shirt verschlafen die Treppen runter.

Als er den gedeckten Frühstückstisch sieht, macht er große Augen. "Du legst es aber echt darauf an, dass wir dich nicht mehr gehen lassen oder? Wo hast du das denn alles her? Warst du etwa schon einkaufen?", fragt er begeistert. Ich nicke und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

"Ich hole Zeyd, der ist eh schon wach", erklärt Walid und läuft direkt wieder nach oben. Ich gehe zum Esstisch und schenke uns allen Kaffee ein. Als Zeyd die Treppen runter kommt, stößt er einen anerkennenden Pfiff aus.

"Jetzt weiß ich, was in diesem Haus immer gefehlt hat - eine Frau! Werden wir jetzt immer so verwöhnt, Lilli?", fragt er zufrieden. "Na klar", antworte ich und zwinkere ihm zu.

"Walid, was ist denn mit Mittwoch? Mama und Baba sind ja da, gehen wir trotzdem?", fragt Zeyd irgendwann während des Frühstücks.

Walids Miene versteinert sich. Es scheint fast, als sei ihm das Frühstück im Hals stecken geblieben.

"Natürlich gehen wir trotzdem, was ist das denn für eine Frage", stellt er verärgert klar. "Okay. Ich wollte nur sicher stellen, dass du es genau so siehst. Das wird nämlich auf Gegenwind stoßen, zumindest bei Baba", erwidert Zeyd nachdenklich.

"Mittwochs ist immer Besuchstag in der JVA. Walid und ich gehen da immer Shayan besuchen", klärt er dann auch mich auf.

"Und eure Eltern wollen das nicht?", frage ich irritiert.

"Nein, Lilli. Sie sind bis heute der Meinung, dass er schuldig ist und behandeln ihn wie einen Schwerverbrecher. Sie haben das alles bis heute nicht verstanden und haben Shayan verstoßen. In all den Jahren, die er nun schon im Gefängnis sitzt, haben sie nicht ein Telefonat von ihm entgegen genommen. Die Briefe, die er ihnen schrieb, in denen er sich erklärte und um Verzeihung bettelte, kamen ungeöffnet zurück und besucht haben sie ihn noch nicht ein einziges Mal. Ja, er hat einen Fehler gemacht, das bestreitet niemand, aber er hat es eingesehen und verbüßt seine Strafe und trotzdem lassen unsere eigenen Eltern ihren Erstgeborenen so im Stich, das muss man sich Mal überlegen", wütet Walid.

Bedrückt pflichte ich ihm bei: "Das ist echt traurig. Umso wichtiger ist es, dass ihr beide hinter ihm steht. Und ich freue mich schon, ihn kennen zu lernen. Lange dauert es ja nicht mehr, bis er raus kommt, oder?"

Zeyd lächelt voller Hoffnung. "Nein, es sind nur noch knapp sechs Monate bis er frei kommt. Direkt im nächsten Januar wird er entlassen."

"Okay. Jetzt lerne ich ja erstmal eure Eltern kennen. Wann kommen sie?", fragte ich. "In vier Stunden", antwortet Zeyd und Walid sagt: "Und davor kommt jetzt erstmal noch Rosi."

"Und Rosi ist..?", frage ich neugierig. ".. unsere Haushälterin", vollendet Walid meinen Satz. "Sie wird gleich einen Großputz machen, damit unsere Eltern nix zu meckern haben", erklärt Walid mürrisch.

"Soll ich heute was kochen, oder was habt ihr vor?", will ich wissen. "Wir wollten mit ihnen im NOUR essen gehen, ich habe Malik schon Bescheid gesagt. Und dann wird unsere Mutter sowieso jeden Tag kochen wollen, yani damit wir endlich was Vernünftiges zu essen kriegen."

Als wir aufgegessen und gemeinsam den Tisch abgeräumt haben, erkläre ich: "Ich werde jetzt nachhause fahren und ein paar Sachen holen. Ich bin kleidungstechnisch nicht auf deine Eltern eingestellt. Abbas ist sowieso arbeiten."

"Soll ich mitkommen?", fragt Walid misstrauisch. "Wenn du magst können wir natürlich eben zusammen fahren", antworte ich.

Walid klatscht in die Hände und sagt: "Yallah, wir haben keine Zeit zu verlieren. Auf geht's."

Es ist ein komisches Gefühl, als wir auf den Hof fahren und ich unser Haus sehe.

Wie ich vermutet habe, steht Abbas' blauer BMW nicht auf dem Hof, weshalb ich schnell alleine rein gehe und meine Sachen hole während Walid im Auto wartet.

Auf der Rückfahrt frage ich: "Was soll ich denn gleich anziehen? Wie streng sind deine Eltern? Kein Ausschnitt ist klar, aber enge Hose geht?"

Walid fängt an zu lachen. "Schatz, bitte versteh das jetzt nicht falsch, aber es ist scheißegal was du anziehst. Du bist immer gut gekleidet. Okay, außer letztens mit diesem durchsichtigen Stück Unterwäsche. Aber sei einfach du selbst. Sie werden dich ganz sicher mögen. Und wenn nicht ist das ihr Problem und nicht deins."

Ich küsse ihn erleichtert auf die Wange, nehme seine Hand und sage: "Du bist so toll, Walid. Du lässt mich immer ich selbst sein. Du verbietest mir nichts und ganz nebenbei bist du immer für mich da, wenn ich dich brauche. Danke."

Als wir das Haus betreten ist die Haushälterin schon da. Sie ist ungefähr fünfzig Jahre alt und zuckersüß. Sie arbeitet schon seit vier Jahren für die Jungs und kennt sie daher sehr gut.

Ich stelle mich höflich vor und sie umarmt mich sofort herzlich und erzählt mir, dass Walid schon viel von mir gesprochen hat und dass sie sich freut mich endlich kennen zu lernen.

Nachdem ich ein bisschen mit ihr geplaudert habe, gehe ich auf Walids Zimmer um mich fertig zu machen. Ich schminke mich dezent und mache mir mit einem großen Lockenstab leichte Wellen in meine langen Haare.

Dann ziehe ich eine weite weiße Hose mit schwarzen Streifen an und einem hohen Bund an. Dazu trage ich ein weites rotes Shirt und hübsche Sandalen.

Als ich mich gerade kritisch im Spiegel betrachte, taucht Walid grinsend neben mir auf. Er trägt eine kurze Jeansshorts mit Rissen, dazu weiße Sneakers und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln.

"Wow, du siehst toll aus, Schatz", lobe ich ihn. "Du auch mein Herz", erwidert er stolz.

Als wir wieder runter kamen sitzt Zeyd auf der Couch und spielt an seinem Handy. Er trägt eine beige Shorts aus feinem Stoff und ein enganliegendes weißes Hemd mit hellblauen Streifen. Auch er hat die Ärmel hochgekrempelt, obwohl er etwas schmaler gebaut ist als Walid und nicht so stark tätowiert.

"Oh man, ich hab irgendwie gar keine Lust auf diesen Pflichtbesuch. Hättest du nicht Geburtstag, wären die niemals gekommen", stöhnt Zeyd.

Mir weicht augenblicklich alle Farbe aus dem Gesicht. "Geburtstag? Wann?", frage ich schockiert.

"Nächsten Dienstag", antwortet Walid grinsend. "Wieso hast du mir nichts davon gesagt?", frage ich vorwurfsvoll.

"Was soll ich denn sagen? Ach übrigens, nächste Woche hab ich Geburtstag. Besorg schon mal Geschenke?"

"Ja zum Beispiel!?", erwidere ich panisch. Zeyd und Walid fangen an zu lachen. "Oh man, du machst mich verrückt", seufze ich leidend.

"Ach was, mach dir keine Sorgen. Den Lamborghini kannst du eh nicht toppen", feixt Zeyd.

"Ich fürchte da hast du Recht, aber bei dem Versuch wäre etwas mehr Zeit von Vorteil gewesen", antworte ich verzweifelt.

"Unterstehe dich. Du brauchst mir nichts zu schenken, ich habe alles", befiehlt Walid streng. "Scht", antworte ich nur. Walid will gerade etwas erwidern, wird jedoch von der Türklingel jäh unterbrochen.

"Überraschung! Mami und Papi sind da", ruft Walid bissig. Mein Herz klopft mir bis zum Hals vor Aufregung.

Walid drückt das Tor auf und ein Taxi fährt auf den Hof. Walid küsst mich schnell und sagt: "Bitte mach dir keine Gedanken. Es ist mir völlig egal, was sie über dich denken. Nachdem sie unseren Bruder, ihr eigenes Fleisch und Blut, verstoßen haben, habe ich den Respekt vor ihnen verloren."

Dann öffnet er die Tür und wir drei laufen nach draußen, um ihre Eltern zu begrüßen.

Zuerst steigt ihr Vater aus dem Auto. Er hat graue kurze Haare und einen Bart. Er trägt eine feine schwarze Stoffhose und ein weißes Hemd. Um seine Schultern hat er einen dunkelgrauen Kaschmirpulli gebunden.

Dann steigt die Mutter der beiden aus dem Auto. Sie trägt einen weitschwingenden beigen Rock und ein edles Kopftuch aus Seide in der selben Farbe. Dazu trägt sie eine edle weiße Bluse und Perlenschmuck.

Walid läuft auf seine Eltern zu und ruft: "As-salamu alaykum, Mama und Baba" und küsst sie nacheinander auf die Wangen.

Sie antworten wie aus einem Mund mit: "Wa alaykumu as-salam." Dann geht auch Zeyd zu ihnen und begrüßt sie. Walid streckt seine Hand zu mir aus und sagt: "Mama, Baba, das ist meine Freundin Lilli."

Ich reiche erst der Mutter und dann dem Vater die Hand, küsse sie und führe sie an meine Stirn. Das ist in unserer Kultur ein Zeichen des Respekts. Die Mutter lächelt mich freundlich an und umarmt mich. "Hallo Lilli, ich heiße Zahra und das ist mein Mann Hakim."

Walid und Zeyd helfen ihrem Vater mit den Koffern und Zahra und ich folgen den beiden und Haus gingen. Die Männer bringen die Koffer in das Gästezimmer im Dachgeschoss und Walids Mutter und ich setzen uns auf die Couch.

Ich ergreife das Wort um das unangenehme Schweigen zu brechen, und frage Zahra: "Wie war ihr Flug? Hat alles gut geklappt?"

Sie lächelt mir zu und antwortet: "Ja, vielen Dank. Ich fliege nicht besonders gerne. Die Enge und die vielen fremden Menschen bekommen mir nicht."

Ich nicke verständnisvoll und sage: "Ja, das verstehe ich. Alhamdulillah dauert der Flug von Libanon nicht so lange." "Alhamdulillah", wiederholt sie.

Dann kommen die drei Männer wieder ins Wohnzimmer und setzen sich zu uns auf die Couch. Walid setzt sich zu mir und sagt: "Wir haben einen Tisch in dem besten Arabischen Restaurant der Stadt reserviert, dort werden wir gleich hinfahren und zu Mittag essen. Ich muss leider heute Abend arbeiten, aber Lilli und Zeyd werden hier sein."

Ich lasse mir mein Entsetzen über diese Neuigkeit nicht anmerken und lächele nur. Zeyd schenkt mir einen halb bemitleidenden und halb amüsierten Blick. Mitgehangen, mitgefangen.

Zahra fragt irritiert: "Wohnen Sie hier, Lilli?" Ich schlucke. Ich bin nicht gerade heiß darauf, meine ganze Geschichte nun beim ersten Treffen vor ihnen breit zu treten.

Zeyd reagiert blitzschnell und erklärt: "Ja Mama, Lilli wohnt momentan hier, da in ihrem Haus der Boden im gesamten unteren Stockwerk erneuert wird. Wegen des Lärms und des Drecks haben wir ihr angeboten solange zu uns zu ziehen."

Unauffällig forme ich ein "Danke" mit meinen Lippen in Zeyds Richtung, was er mit einem heimlichen Zwinkern quittiert.

Wir sitzen noch eine Weile auf der Couch und unterhalten uns bevor wir am frühen Abend gemeinsam zum NOUR fahren.

Danach fährt Walid zur Arbeit und Zeyd und ich bleiben mit ihren Eltern alleine. Wir gehen eine Runde im Park spazieren und als wir zurück kommen verabschieden sich Zahra und Hakim direkt und gehen auf ihr Zimmer. Zeyd und ich setzen uns in den Garten und stecken uns eine Zigarette an.

Zeyd atmet laut aus und sagt entschuldigend: "Nimm es bitte nicht persönlich, dass sie dir nicht das "Du" angeboten haben. Sie sind einfach so. Sie sind unsere Eltern und wir lieben sie und sind ihnen für vieles dankbar, aber durch diese Sache mit Shayan ist unsere Familie zerbrochen. Walid und ich haben den Respekt vor ihnen verloren und danach vieles mit anderen Augen gesehen. Ich stehe hinter dir und eurer Beziehung und Shayan wird das auch. Das ist alles, was für Walid zählt."

Gerührt antworte ich: "Danke, ehrlich. Das bedeutet mir viel. Alles was du für mich tust ist so lieb. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Du bist schon jetzt wie ein Bruder für mich. Wenn ich was für dich tun kann, zöger nicht, mich zu bitten. Ich hab da sogar schon eine Idee.."

Neugierig grinsend fragt er: "Ach ja, was denn?" Ich antworte: "Ich habe  überlegt, was ich Walid zum Geburtstag schenken könnte. Ich mag es nicht, materielle Dinge zu verschenken, vor allem, da er sich sowieso alles selbst kaufen kann, also habe ich überlegt, worüber er sich wohl am meisten freuen würde. So wie ich ihn kenne, wäre das eine Party mit all seinen Freunden. Eine Party brauche ich einem Clubbesitzer nicht schenken, aber vielleicht kann ich ihm schenken, dass niemand fehlt."

Zeyd wirkt nachdenklich. Seine Stirn ist in tiefe Falten gelegt. "Was meinst du?", fragt er ratlos.

"Zeyd, ich würde mir wünschen, dass Walid mit seinen beiden Brüdern seinen Geburtstag feiern kann. Ich kann nichts versprechen, aber mein Vater ist Anwalt und auch wenn er nicht mehr hier lebt, hat er immer noch viele Kontakte und kennt Leute, die Leute kennen.. Ich kann nichts versprechen, aber ich möchte, dass mein Vater versucht, Shayan vorzeitig aus dem Gefängnis zu holen."

Zeyd starrt mich an. Er sagt keinen Ton und wirkt wie versteinert. "Denkst du, das ist keine gute Idee?", frage ich vorsichtig.

"Ob das keine gute Idee ist? Das ist die beste Idee, die du jemals hattest. Wenn du das schaffen würdest, wäre ich dir auf ewig dankbar."

"Ich werde alles dafür geben."

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Meine Lieben,

Denkt ihr, Lillis Vater wird es schaffen, dass Walid seinen Geburstag mit seinem großen Bruder feiern kann?

A.

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