Kapitel 5 (RJEm09)

Jisung betritt unseren Dorm vor mir. Seit der Mittagspause hat er mir nicht einmal für eine Sekunde seine Aufmerksamkeit geschenkt. Seit Stundenende der letzten Stunde rennt er mit Over-Ear-Kopfhörern herum und ignoriert mich. Hätte ich nicht meinen Fuß dazwischen gestellt, hätte er mir sogar jetzt einfach die Tür vor der Mase zugeknallt und mich vor dem Zimmer stehen lassen. Statt sich zu entschuldigen, wie ich es mir erhofft hatte, warf er mir nur einen abwertenden Blick zu, bevor er sich wegdreht und abhaut. Das nächste Mal, dass ich ihn wieder zu Augen bekam, war, als er um 22:00 Uhr in Club-Outfit das Zimmer ohne ein Wort wieder verließ.

Mit offenem Mund starrte ich ihm hinterher. Nicht nur wegen seiner Unhöflichkeit, nein, auch weil er leider so unverschämt heiß aussah. Einige Minuten starrte ich die Tür an, bevor ich meinen Blick blinzend davon löse und zurück auf meinen Laptop schaute. 23 Tabs, 23 verschiedene Jobangebote. Für 5 davon hatte ich mich auch wirklich eingeschrieben. Seufzend schließe ich meinen Laptop und schleppe mich in die Küche, um mir etwas zu Abendessen zu machen.

Instant Nudeln sollten für jetzt mal reichen. Ich seufze noch einmal. Und starre auf meine Zimmertür. Wie kann man sich das freiwillig antun, noch länger wachzubleiben als man muss? Mit schleppenden Schritten bewege ich mich zum Esstisch und hieve mich auf einen der gemütlichen, aber hohen Sesseln. Neben meiner Nudelschüssel steht auch ein Glas Wasser. Ich nehme meine Essstäbchen und beginne das Essen in mich hineinzuschaufeln. Nach einiger Weile legte ich meinen Kopf angestrengt auf der Tischplatte ab. Ich könnte genau in dem Moment, genau hier einschlafen. Langsam schließe ich meine Augen. Eine Moment darauf werde ich durch ein lautes Geräusch aus meiner Ruhephase gerissen. Die Tür knallt wieder zu und heltisch drehe ich mich einmal um mich selbst. Im Eingangsraum unseres Dorms versucht Han Jisung verzweifelt aus seinen Schuhen zu kommen, während ein 2-Meter-Typ wortwörtlich an seinen Lippen hing. Angewidert und geschockt starre ich sie mit weit offenem Mund an. Doch niemand von den beiden schien mich zu sehen.

Jisung stolpert an mir vorbei. Sein Betthäschen folgt ihm gehorsam. Verdattert starre ich auf die Zimmertür meines Kollegen, welche er vor ein paar Sekunden zugeknallt hat, ohne mir auch nur einen rücksichtsvollen Blick zuzuwerfen. Seufzend räume ich die kalten Nudeln in den Kühlschrank und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Ich drehe mir leise Musik auf, einfach, weil das zur Angewohnheit wurde, als mein Vater begonnen hatte mich zu schlagen. Es beruhigte mich. Ich schließe meine Augen und versuchte nicht an Zuhause zu denken. Mein Wecker läutete um 5 Uhr.

Unser erste Stunde beginnt um 8.

Ich setze mich auf und starre für einige Sekunden einfach nur in die Luft. Nachdem ich mir ein gemütliches Joggingoutfit angezogen habe, verlasse ich unseren Dormraum. Noch eine Angewohnheit wegen meinem Vater. Ich verließ das Haus immer bevor er aufwachte, nur mit meinem Schlüssel, sodass mich niemand erreichen konnte, und kam erst zurück, nachdem mein Vater um 6 verlassen hatte. Mit der Zeit habe ich mir angewöhnt, in dieser Zeit laufen zu gehen. Sonst wurde mir langweilig. Ich genoss die Stille des frühen morgens. Obwohl ich letzte Nacht wenig Schlaf bekommen hatte, weckte mich die frühe Kälte sofort auf. Eine Stunde später, war ich wieder vor unserem Dorm. Mit der Zeit, habe ich ein gutes Zeitgefühl bekommen. Anfangs hielt ich mich an Kirchenuhren, die Vögel oder die Sonne. Ich gehe in die Küche und mache mir ein Ei und einen Smoothie. Man möchte meinen es ist ein glückliches Leben mit gesundem Lebensstil. Für mich war es immer die einzige Möglichkeit, etwas essbares zu mir zunehmen.

Um halb sieben bin ich fertig und beginne mit meiner hygienischen Morgenroutine, wie ich sie liebevoll nannte. Inkludiert: Duschen, Skin Care, Zähne putzen, Frisur.

Um punkt Sieben sitze ich wieder am Esstisch und checke meine Mails während ich aus Nervosität mit einem Glas herumspielte. Und zu diesem Zeitpunkt hörte ich das erste Mal auch einen Wecker aus Jisungs Zimmer. Er klingelte nervtötend lange bevor sich ein vollkommen verschlafener Han Jisung, gekleidet in nichts mehr als einem übermäßig großem, ausgetragenem T-Shirt aus seinem Zimmer begibt. Ich muss schlucken. Der Anblick tut mir nicht gut. Sofort hafte ich meinen Blick wieder auf den Bildschirm. Auf keine meiner Bewerbungsmails wurde geantwortet. Enttäuscht schließe ich die Laptopklappe und packe meine Schulsachen. Mit einem kleinen Lächeln an Han, ziehe ich mich zurück in mein Zimmer und wechsle von meinem Bademantel in mein Schulgewand. Meine Uniform würde erst kommen, aber ich trage einfach das Gewand von meinen Bewerbungsgesprächen, auf welches ich ewig gespart hatte. Es war das erste, was ich mir je gekauft hatte. Arbeiten zu gehen hatte ich auch nur heimlich getan. Einerseits um nicht Zuhause zu sein, andererseits um mir ein College leisten zu können.

Meine Arbeitserfahrung in meinem jungen Alter ist eigentlich traurig. Um viertel 8 verlasse ich unseren Dorm mit einem zaghaften, unerwidertem Tschüss an Jisung.

Sobald ich in meiner (momentan noch leeren) Klasse ankam, drückte ich mir meine beiden Kopfhörerstöpsel in die Ohren und drehe leise Musik auf, während ich über meinen Stundenplan und den verpassten Stoffe drüberlese.

15 Minuten später um dreiviertel 8 setzt sich der Junge mit den kaugummirosanen Haaren neben mich. Er schenkt mir ein nettes Lächeln und winkt auch leicht. Glücklich lächle ich zurück. Jimin scheint ganz nett zu sein. Aber ich darf mich nicht wieder in Leuten täuschen. Die Klasse füllte sich immer mehr. Jimin ist zu Felix gegangen, um mit ihm zu reden und nur noch ein Platz im Raum war frei, als es zur Stunde läutete. Nur ein Schüler fehlte. Und wer hätte es auch anderes sein können, als...

Han Jisung.

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