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Abby's Perspektive

Mittlerweile war es schon 10:00 Uhr und immer noch keine Spur von Louis. Jede normale Frau würde sich jetzt wahrscheinlich sorgen machen, dass er bei einer anderen Frau war, aber ich hatte Angst davor, dass ihm etwas passiert war. Was war, wenn er betrunken ins Meer gefallen war oder besoffen in einer Seitengasse lag? In meinem Kopf tauchten die schlimmsten Möglichkeiten auf und früher oder später auch die, dass er vielleicht wirklich bei einer anderen ist. Ich wollte daran nicht denken und ich konnte es mir beim besten Willen auch nicht vorstellen, aber wo er denn? Weder er noch Jack waren erreichbar und das machte mich noch verrückt.

Ich versuchte die Zeit so gut wie möglich zu verbringen, mit putzen und aufräumen, aber es war in zwischen schon 12:00 Uhr als ich damit fertig war und ich hatte immer noch nichts von ihm gehört. Deprimiert und voller Sorge schmiss ich mich auf die Couch. Als ich hörte wie sich ein Schlüssel im Schloss herum drehte rannte ich auf die Tür zu und war heilfroh, als Louis in der Tür stand. "Geht's dir gut?", fragte ich ihn fast schon hysterisch und suchte nach Verletzungen in seinem Gesicht. "Ja, aber ich will nur noch ins Bett", sagte er und schob mich unsanft zur Seite. Er war schon an der Treppe angekommen, als ich seinen Namen rief. "Was?", zickte er mich an und erschrocken zuckte ich zusammen. "Willst du das ich gehe?", fragte ich ihn mit Tränen in den Augen, aber er antwortete nicht.

"Willst du?", fragte ich ihn erneut, aber dieses Mal unter Tränen. Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm, womit ich nicht gerechnet hatte. "Nein, natürlich nicht, aber es tut mir einfach weh was du gesagt hast", sagte er und streichelte mir über den Kopf. "Es tut mir so leid", wimmerte ich, was ihm ein "ich weiß", entlockte. "Lass mich erstmal schlafen, okay? Ich habe solche Kopfschmerzen", bat er mich, woraufhin ich nickte. Er trottete die Treppe hoch und ließ mich alleine mit meinen Gedanken im Wohnzimmer zurück. Wie sollte es nur mit uns weitergehen, wenn er es nicht mal ertrug jetzt neben mir zu liegen. Ich musste hier einfach heraus, also machte ich mich mit der Hoffnung das Lina bei Dave war auf zum Krankenhaus. Da angekommen zweifelte ich noch einmal bei dem Blick auf das große Gebäude vor mir, ob ich jetzt wirklich darein gehen sollte, denn ich wusste das sowohl Lina als auch Dave mir sagen würden, dass ich selbst Schuld war. Doch ich brauchte jetzt einfach jemanden zum reden und so öffnete ich die gläserne Tür, die mich ins Krankenhausinnere führte und machte mich auf den Weg zu Dave's Zimmer.

Mit zittrigen Händen und wahrscheinlich blass wie eine Leiche betrat ich sein Zimmer, in dem sich tatsächlich beide befanden und kuschelte mich ohne ein Wort zu sagen an meinen Bruder. "Pscht, Kleines", flüsterte er, während er beruhigend durch meine Haare fuhr, was jedoch verursachte, dass ich die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Auch Lina legte sich zu uns und versuchte mich zu beruhigen. "Kommt ja nicht auf falsche Ideen, ich werde nicht euer Übungskind", schniefte ich vor mich hin, was die beiden anscheinend ziemlich lustig fanden, denn sie konnten sich ihr lachen nur schwer verkneifen. "Baby Abby fand ich aber damals schon süß", scherzte Dave, um die Stimmung aufzulockern, was ihm auch gelang. "Was ist passiert?", fragte Lina vorsichtig nach, aber bevor ich überhaupt fähig war ihr zu antworten musste ich erst einmal tief Luft holen, um die aufkommenden Tränen herunterzuschlucken. "Mir ist einfach alles zu viel, seitdem Autounfall tauchen immer wieder neue Probleme auf und ich ertrag das alles einfach nicht mehr. Vor lauter Verzweiflung habe ich Louis vorgeworfen, dass das alles ohne ihn nie passiert wäre und danach ist er einfach abgehauen und erst heute mittag zurück gekommen. Er erträgt meine Nähe ja nicht einmal", schluchzte ich und beide schlossen mich daraufhin in ihre Arme.

"Hast du ihm das so gesagt?", fragte Dave streng, mit erhobener Augenbraue nach und obwohl wir uns jahrelang nicht gesehen hatten kannte mein Bruder mich sehr gut. Das frustrierte laute Ausstoßen von Luft war anscheinend genug Antwort für die Beiden, denn sie verdrehten die Augen und anhand ihres Blickes wusste ich was als nächstes zu tun war. "Danke. Ich habe euch lieb", sagte ich zu ihnen während ich mich wieder in ihren Armen verkroch und beide lachend "wir dich auch", sagten. "Wie gesagt, ich werde kein Übungskind", lachte nun auch ich, weil die Situation einen wirklich an die eines traurigen Kindes erinnerte, dass sich bei Mama und Papa ausheulen möchte. Ich blieb noch eine Weile bei ihnen und wir unterhielten uns über alles mögliche, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Dabei erfuhr ich, dass Lina mittlerweile schon einen kleinen Bauch bekommen hatte und ein Ultraschallbild des oder der Kleinen hatte sie auch dabei, es war einfach unbeschreiblich süß, so winzig wie es wahr und es bereitete Dave und Lina so eine Freude. Danach verabschiedete ich mich von den Beiden und machte mich auf den Weg zurück zu Louis. Umso näher ich seinem Haus kam desto mehr wich die Freude aus meinem Körper und wurde ersetzt durch ein mulmiges Gefühl im Magen und ein zuschnüren meines Halses, an dem ich drohte zu ersticken.

Dieses Gefühl hatte seinen Höhepunkt, als mein Auto in seiner Einfahrt zum Stillstand kam und ich mich wie maschinell in Richtung Tür begab. Als ich sie öffnen wollte stach mir ein großer brauner Briefumschlag in die Augen, der auch an mich adressiert war, was mich verwunderte, denn offiziell lebte ich noch in meiner Wohnung und all meine Post wurde dahin geliefert. Konfus betrat ich das Haus und merkte, dass Louis immer noch schlief, weshalb ich mich erstmals mit dem Brief beschäftigte. Wer schickte mir Post hierher und was befand sich darin? Waren die Fragen die mir durch den Kopf schossen und ich wusste das ich die Antworten darauf in diesem Briefumschlag finden würde, aber wollte ich das denn? Ich riss den Briefumschlag auf und bereute es keine Sekunde später, denn diesen Inhalt wollte ich definitiv nicht sehen.

Ein Blatt nachdem anderen nahm ich heraus und mit jedem verließen meine Augen mehr Tränen. Vor mir lagen Unmengen an Fotos von der vergangenen Nacht, die Louis verbracht hatte und mit wem. Es waren Bilder davon wie er mit Jack in einem Club saß und bei ihm war diese Frau, sie war  zu meinem bedauern sogar ziemlich hübsch. Sie hatte hüftlange pastellfarbene Haare, saß auf seinem Schoß und er tat absolut nichts dagegen. Dieser Anblick tat weh, sehr sogar, aber die Bilder auf denen sie sich küssten und sie ihn an seiner Krawatte aus der Lounge zog zerbrach mir das Herz. Mein mit Tränen gefüllter Blick haftete sich an diese Bilder und umso mehr ich darauf starte desto mehr kam es mir so vor als würde man mir sämtliche Gefühle aus dem Körper entziehen und eine leere Hülle würde zurück bleiben.

Das Knarren der Treppe riss mich zurück in die Realität. Schnell packte ich alle Bilder wieder in den Briefumschlag und wischte mir dir Tränen weg, bevor Louis vor mir zum stehen kam. "Ich gehe in die Firma, ich bin heute Abend zurück", teilte er mir mit und gab mir zum Abschied einen Kuss auf die Stirn, bei dem ich am liebsten wieder angefangen hätte zu weinen. "Bis heute Abend", wisperte ich, weil ich angst davor hatte vor ihm in Tränen auszubrechen, weil ich da schon wusste, dass ich heute Abend nicht mehr hier sein würde. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst merkte, dass er nicht mehr da war, als ich die Tür zugehen hörte. Schweren Herzens ging ich ins Schlafzimmer und fing an meine Sachen zu packen. Bei jedem Kleidungsstück, dass aus dem Schrank in meine Tasche wanderte liefen mehr Tränen über mein Gesicht, denn mir war durchaus bewusst, dass ich gerade die Liebe meines Lebens verloren hatte.

Der Teil des Schrankes in dem sich bis gerade eben noch all meine Klamotten befanden war jetzt komplett leer, aber dafür war meine Tasche bis zum Rand vollgepackt. Ich lief damit raus zu meinem Auto und schmiss sie in meinen Kofferraum. Zurück im Haus breitete ich die Fotos auf seinem Esstisch aus und fing an ihm einen Brief zu schreiben, über all das was ich die letzten Wochen und Monate fühlte.

Lieber Louis,

Du hattest schon bei unserem ersten Treffen etwas so besonderes an dir, dass du einen größeren Einfluss auf mich gehabt hast, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Deine Präsenz hat mich vollkommen aus dem Konzept gebracht, ich war ja nicht einmal fähig dir einen Kaffee zu bringen, ohne dass das in einem Desaster geendet ist und als du dann plötzlich weg warst, schaffte ich es einfach nicht dich zu vergessen. Glaub mir ich habe es wirklich versucht, weil mir nicht alle Tage so peinliche Dinge passieren, aber ich konnte es nicht, deine Augen und deine Art haben mich in ihren Bann gezogen und ich bereue es bis heute nicht eine Sekunde, dir sofort verfallen zu sein. Deine Arroganz hat mich jedoch zur Weißglut getrieben, wie konntest du es wagen mich beziehungsweise meine Arbeit als Zeitverschwendung zu betiteln? Aber ich war dankbar dafür, denn sonst hätte dich wahrscheinlich niemand von deinem hohen Ross herunter geholt und seien wir ehrlich hätte ich dir nicht so die Stirn geboten hättest du dich nicht so für mich interessiert wie du es getan hast. Jede einzelne Sekunde, jedes einzelne Erlebnis mit dir war es wert erlebt zu werden, weil du mir die Bedeutung von "leben" beigebracht hast. Dank dir weiß ich endlich was es heißt jemanden zu lieben und das tue ich schon seitdem unsere Augen das erste mal aufeinander trafen. Grün traf blau und blau traf grün. Und dann kam unsere Geschäftsreise und ich weiß noch ganz genau wie ich mich gewehrt hatte mitzukommen und deine Assistentin zu werden und im Nachhinein bin ich froh, dass du noch ein größerer Sturkopf bist als ich und mich von dem größten Fehler meines Lebens abgehalten hast. Wir kannten uns kaum und trotzdem hast du es geschafft mir alleine mit deiner Anwesenheit sämtliche Ängste zu rauben. Du hast mich in eine Welt entführt, die für mich komplett neu war, eine Welt voller Liebe, Erfolg und Zufriedenheit, aber du hast nie erwartet, dass ich mich dieser Welt anpasse, nein du hast es sogar geliebt, wenn ich nicht nach den Regeln der Gesellschaft gespielt habe. Wir waren von Anfang an für einander bestimmt, was alle vor uns sahen, sogar die Parkers, die mich absolut nicht kannten, wussten genau was in mir vorgeht, wenn ich dich sehe. Nach meinem Albtraum warst du auch die einzige Person, die ich in meiner Nähe wollte, denn deine bloße Anwesenheit löst in mir so eine Ruhe, aber gleichzeitig auch so ein Chaos aus, dass ich mich bei dir sicherer fühle, als sonst irgendwo. Und nachdem wir zurück waren fühlte meine Wohnung sich so leer an ohne dich, mir war nie aufgefallen wie alleine ich war, bis ich von dieser Geschäftsreise zurück kam und ich war heilfroh, dass du mich am nächsten Tag schon wieder sehen wolltest, obwohl ich innerlich immer weiter versuchte diese Gefühle für dich los zu werden. Aber der atemberaubendste Moment meines Lebens ist, war und wird immer der sein, als wir in den Wald fuhren und du mir diesen wunderschönen Ort gezeigt hast, an dem du mich glücklicher gemacht hast, als ich es jemals war, denn endlich an deiner Seite zu sein ist das Schönste was ich mir vorstellen kann und immer werde. Selbst als ich dich "verheimlichen" wollte hast du das einfach hingenommen, obwohl ich wusste, dass dir das gar nicht gefiel, aber dafür war der Moment im Aufzug umso schöner, denn ich werde nie vergessen wie jede sich gewünscht hat an meiner Stelle zu sein und ich es einfach nicht fassen konnte, dass du dich unter all den Frauen tatsächlich für mich entschieden hast. Und die Tränen verlassen meine Augen in Strömen allein, wenn mir die Bilder davon durch den Kopf gehen, von alldem erlebten. Sie laufen wie ein Film vor meinem inneren Auge an und all die Freude und der Schmerz der vergangenen Wochen und Monate ist so real, dass ich ihn spüren kann. Doch nachdem Auftreten von meinem Bruder wurde es immer schwerer für uns, man legte uns nur noch Steine in den Weg, aber ich war mir immer sicher, dass unsere Liebe all das überstehen würde, doch es wurde immer mehr und mehr, bis es nicht mehr erträglich wurde, doch selbst da waren wir unzertrennlich. Du weißt, dass ich Disneyfilme liebe, weil das Gute immer gewinnt und die wahre Liebe alles besiegt und du hast mir meine eigene Disneyliebesgeschichte gegeben. Du warst mein Märchenprinz, der mich wie Rapunzel gerettet hat und aus mir wie Schneewitchen eine Prinzessin machte, der mich wie das Biest vor allem beschützte und wie Dornröschens Prinz zeigte was es heißt geliebt zu werden. Ich liebe dich und das werde ich immer tuen, aber wenn du das hier liest, wirst du einen leeren Kleiderschrank und "meinen" Haustürschlüssel finden. Auf der nächsten Seite befindet sich meine Kündigung, aber ich werde natürlich die 4 Wochen Kündigungsfrist zu ende arbeiten und dir in dieser Zeit einen Ersatz suchen, aber ein wir wird es nie wieder geben, dafür sind diese Bilder zu verletzend, denn das ist der Unterschied zwischen der Realität und der Fiktion, vielleicht ging es hierbei einfach um die Geschichte und nicht um das Happy End, denn sonst hätte das Böse in unserer Geschichte nicht gewonnen.

In Liebe
Abby

Meine Augen brannten und ich heulte mir die Seele aus dem Leib, denn es fühlte sich so an als würde ich einen Teil von mir selbst zurück lassen. Es riss mir beinahe das Herz aus der Brust, als ich den Haustürschlüssel von meinem Schlüsselbund trennte, mit meinem Brief zwischen all den Fotos platzierte, mit meiner Tasche auf den Schultern durch die Tür lief und einen letzten Blick hinein riskierte, bevor ich die Tür für immer schloss und mich zu meinen Wagen begab. Todtraurig und mit gebrochenem Herzen drehte ich den Schlüssel im Zündschloss um und fuhr zu meiner Wohnung, zurück in die Einsamkeit. Ein Leben ohne Louis war unvorstellbar für mich, aber anscheinend war das nun die bittere Realität, mit der ich leben musste, egal ob sie mir gefiel oder nicht.

Aber wie würde all das weitergehen? Wie sollte ich ihm jeden Tag ins Gesicht schauen und so tun als wäre alles gut?

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