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Ich hatte die ganze Nacht so gut wie kein Auge zu bekommen und gab um fünf Uhr morgens das Schlafen endgültig auf. Das war wohl nichts mit meinem Versuch heute ausgeschlafen und bei klarem Verstand zu sein. So hatte ich immerhin genügend Zeit um mich in aller Ruhe frisch zu machen. Als das erledigt war, war es erst halb sieben und somit blieb mir genug Zeit meinen Vortrag noch ein paar mal durchzugehen und zu üben. Immer und immer wieder ging ich die Zeilen durch, doch mein schlaftrunkenes Ich wurde immer von leuchtend grünen Augen in Gedanken abgelenkt. Kopfschüttelnd ging ich zu meiner Kaffeemaschine, denn ohne Koffein würde ich den heutigen Tag sicher nicht durchstehen.
Um Punkt acht Uhr in der Früh kam ich in der Firma an und machte mich auf den Weg in den zehnten Stock. Dort wurden alle Meetings abgehalten. Da mein Meeting erst um viertel nach acht begann, hatte ich genügend Zeit, um alles in Ruhe vorzubereiten. Ich legte jedem eine Mappe mit den wichtigsten Inhalten auf den Platz und ging nochmal meine Power Point durch. Meine Präsentation war quasi wie ein Handout, was jeder aus seiner Schulzeit kannte, nur in der professionelleren Fassung. Mir persönlich halfen Übersichten, um einem Vortrag folgen zu können und insgeheim hoffte ich auch, dass ich mir somit einige Fragen im Nachhinein ersparen konnte. Unvorbereitete Frage wollte ich so gut es ging vermeiden.
Nach und nach traten immer mehrere Männer und Frauen in den Raum. Als es viertel nach acht war wollte ich pünktlich mit dem Meeting beginnen, doch Mr. Taylor wies mich auf den leeren Platz am Tischende hin.
"Mr. Coleman fehlt noch, er möchte sich die neuen Mitarbeiter immer gerne persönlich anschauen, aber machen Sie sich keine Sorgen, sie schaffen das."
Ich wollte ihm gerade antworten, dass man auch als CEO pünktlich sein konntet doch dann ging die Tür hinter uns bereits ein erneutes Mal auf. Ich erstarrte binnen Sekunden und erblickte direkt diese grünen Augen, die mir jede Nacht den Schlaf zu rauben schienen. Somit starrte ich diesen mir nicht mehr unbekannten Mann zum zweiten Mal völlig ungeniert an. Erst als die anderen Mitarbeiter verwunderte Blicke zwischen uns hin und her schweifen ließen, fiel mir auf, dass ich mit offenem Mund mitten im Raum stand.
Er brachte mich völlig aus dem Konzept. Denn egal wie gut ich vorbereitet war, das hatte ich definitiv nicht kommen sehen. Ich hatte sogar bedacht, dass eine spontane Feuerwehr-Branntgefahren-Übung, wie man sie aus der Schulzeit kannte, mein Meeting vereiteln hätte können. Doch selbst da hätte ich trotzdem in Ruhe nach der Unterbrechung weiter machen können. Doch dieser Mann setze meiner Nervosität die Krone auf. Beruhig dich, diese Präsentation ist wichtig für uns, also fang an. Meine innere Stimme hatte ja Recht und vor lauter inneren Überlegungen, beziehungsweise Panikattacken, hatte ich gar nicht mitbekommen, dass der, leider doch ziemlich heiße Big Boss, sich auf seinen Platz gesetzt hatte. Es blieb mir nichts übrig, als diesen peinlichen Moment zu überspielen und somit fing ich ohne weiteres mit meiner Präsentation an.
„Guten Morgen, meine Damen und Herren. Mein Name ist Abigail Jenkins, ich werden Ihnen heute die möglichen Marketingstrategie für das kommende Jahre von Coleman Industries vorstellen. Also beginnen wir direkt mit der ersten Strategie ..." mit jedem Wort wurde meine Nervosität weniger.
Nach ungefähr einer Stunde war mein Vortrag endlich zu Ende und alle bis auf Mr. Taylor und Mr. Coleman verließen ohne weiteres den Raum bereits vor einigen Minuten. Mr. Taylor kam direkt auf mich zu und gratulierte mir.
"Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe. Sie waren hervorragend, alle waren begeistert. Wenn das so weiter geht, lass ich Sie all meine Meetings abhalten. Ich bin gespannt für welche Strategie Mr. Coleman sich entscheiden wird."
Als er seinen Satz beendete grinste er und verließ den Raum, bevor ich ihm eine Antwort geben konnte. Ich würde später auf jeden Fall noch in seinem Büro vorbeischauen, um ihm für diese Gelegenheit und die Glückwünsche zu danken.
Doch jetzt waren da nur noch Louis, ich meine natürlich Mr. Coleman und ich. Auch, wenn alle zufrieden mit mir gewesen waren und meine Ideen lobten, schien er gar nicht zufrieden zu sein. Er saß immer noch auf seinem Platz und beobachtete mich stillschweigend, während ich meine Sachen zusammenpackte. Die Situation wurde mir langsam so unangenehm, dass ich mehr als froh war als ich mein Zeug zusammengepackt hatte und den Raum verlassen konnte.
Doch als ich an ihm vorbei in Richtung Tür lief, hielt seine Hand mich am Arm fest. Kein Wort hatte seine Lippen in über einer Stunde verlassen und jetzt besaß er die Dreistigkeit mich auch noch anzufassen. Seine Miene hellte sich auf, bis sie mir ein atemberaubendes Grinsen bot. Jenes Grinsen was seine Lippen bereits im Café zierte.
"Sehr guter Vortrag Miss Jenkins, ich war überrascht davon, dass Sie sich auch so gut im Bereich der Wirtschaft auskennen. Das nächste mal jedoch sollten Sie sich nur auf das wichtigste konzentrieren, sonst verschwenden Sie zu viel meiner kostbaren Zeit."
Das hatte er gerade nicht ernsthaft gesagt oder? Ich muss mich verhört haben!Ganz ruhig Abby, du wirst ihm jetzt keine verpassen, weil er meinte, dass dein Vortrag eine Zeitverschwendung war.
Ganz ruhig und mit einem merkbar sarkastischen Lächeln, riss ich meinen Arm aus seiner Hand. Mir war gar nicht bewusst, dass er mich immer noch berührt hatte, doch ich musste endlich Distanz zwischen uns bringen.Während ich durch die Tür ging, antworte ich ihm so laut, dass es selbst die Herren, die nach dem Meeting bereits vor dem Aufzug standen, es nicht überhören konnten. Meine Wut stieg mir zu Kopf, was eigentlich nie passierte und so sagte ich die nächsten Worte schneller, als mein Verstand sie überdenken konnte.
"Es tut mir so schrecklich leid, dass ich Ihre wertvolle Zeit vergeudet habe. Warten Sie! Wenn ich es mir recht überlege ist das gelogen. Ich verschwende Ihre Zeit das nächstes Mal vielleicht etwas weniger, wenn Sie dann gnädiger Weise pünktlich wären, Mr. Coleman!"
Auf dem Weg zum Aufzug bereute ich schon das getan zu haben. Er war schließlich mein Boss und die schockierten Blicke der Männer auf dem Flur, die aussahen als hätte ich mich grade mit dem Teufel höchst persönlich angelegt, machten es nur noch schlimmer. Seine Worte waren an sich weder herabwürdigend, noch in irgendeiner Weise verletzend gewesen. Sie waren lediglich eine Belehrung eines Vorgesetzten. Des Big Bosses, um genau zu sein. Oh Abby, wo haben wir uns da wieder herein manövriert.
Zu meinem Glück waren die Aufzugstüren bereits geöffnet, sodass ich in den leeren Aufzug steigen konnte und hier erstmal tief durchatmete, bevor jemand die Chance hatte mich mit meinem Fehlverhalten zu konfrontieren. Als ich im siebten Stock ankam, öffnet sich die Aufzugstür nach einem lauten Ping. Hier wurde ich auch schon von Mr. Taylor erwartet, weil er mir noch ein paar Unterlangen gab, die bis zum Feierabend ausgearbeitet werden sollten. Dem Himmel dankend, dass Mr. Coleman ihn offensichtlich noch nicht über unseren kleinen Zwischenfall informiert hatte, nahm ich ihm die Akten ab und machte mich auf den Weg in mein. Büro.
Da es bereits fast elf Uhr war und mein Magen knurrte entschied ich mich jetzt eine kurz Pause zu machen und dafür später auf meine Mittagspause zu verzichten oder sie zumindest zu kürzen. Als ich in den Aufzug stieg war ich so damit beschäftigt mir zu überlegen was ich essen wollte, dass ich gar nicht merkte, dass außer mir noch jemand in dem Aufzug war. Wie konnte mir beim Einsteigen entgehen, dass sich bereits jemand hier drinnen befand. Erst als ich merkte, dass nicht nur der Erdgeschoßknopf leuchtete bemerkte ich, dass ich wohl Gesellschaft hatte.
Super, ich musste ins Erdgeschoss und der Aufzug fährt nach oben, weil irgendjemand meinte er müsste jetzt in die Chefetage fahren. Moment warte...Chefetage? Ich hob panisch mein Gesicht und tatsächlich, Mr. Du-hast-meine-Zeit-verschwendet höchstpersönlich. Er schaute mich mehr als nur verärgert an, aber statt etwas zu meinem Wutausbruch zu sagen, wendete er seinen Blick wieder von mir auf die Anzeige, die anzeigte in welchem Stockwerk wir uns befanden. Zwölf, dreizehn, kurz vor dem vierzehnten Stock drückte er auf einen Knopf und der Aufzug blieb stehen. Panik Steg in mir auf. Auch wenn ich keine Klaustrophobie hatte, wollte ich wirklich nicht auf engstem Raum eingesperrt sein.
Er kam immer und immer näher, mit einem Blick der meine Knie weich werden ließ. Ich bin mir sicher, wenn wir im Tierreich wären, dann würde er mich hier und jetzt, auf der Stelle fressen. Reflexartig wich ich zurück, doch nach zwei Schritten kam natürlich direkt schon die kalte Aufzugwand. Er steht direkt vor mir und mustert mich eine Weile, während ich beobachten konnte, wie etwas in seinen Augen aufblitzte.
Als sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war, flüsterte er mir zugleich sauer klingend, aber mit einem verführerischen Grinsen auf den Lippen, ins Ohr.
"Ich hasse es, wenn man mich kritisiert, auch wenn du total sexy dabei aussiehst. Ich hoffe jedoch für dich, dass das in Zukunft nicht mehr vorkommt. Du kannst froh sein, dass dich der Aufzug, der dich jetzt in diese verzwickte Lage gebracht zu haben scheint, gerettet hat. Aggressionen machen uns blind für die Lektionen des Lebens. Als hab dich in Zukunft besser im Griff oder ich sehe mich leider gezwungen dir mit Disziplinarmaßnahmen zu drohen."
Ich bekomm wieder ganz weiche Knie, men Herz rast und völlig unbewusste Schlucke ich den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte herunter. Das sein Gesicht so nahe an meinem war machte mich fast verrückt. Küss ihn!! Schrie meine innere Stimme, aber das wär wahnsinnig! Der Gedanke alleine war wahnsinnig! Er war immerhin mein Boss! Los Abby, sag etwas schlagfertiges!
Als ich gerade anfing mich wieder zu fangen, um ihm die Meinung ein zweites Mal zu geigen, wurde ich harsch unterbrochen.
"Spinnst du..."
Weiter kam ich nicht, bevor er seine Lippen auf meine legte. Mein Magen kribbelte und durch seine weichen Lippen bekam ich am ganzen Körper Gänsehaut. Passiert das hier gerade wirklich? Er löste sich von mir drehte sich um, drückte nochmal, auf den selben Knopf wie zuvor und der Aufzug fuhr weiter. Er sagte kein Wort. Tat so als wäre hier gerade nicht vorgefallen, was ich bei der Personalabteilung melden könnte. Sein Schweigen machte mich rasend vor Wut.
Im fünfundzwanzigsten Stock angekommen stieg er ohne etwas zu sagen oder mich noch einmal anzuschauen aus und während die Aufzugstüren begannen sich zu schließen, konnte ich sehen wie seine Bürotür sich schloss.
„Arschloch!"
Schrie ich ihm hinterher, bevor sich die Aufzugstüren endgültig schlossen. Komplett überfordert mit der Situation ging ich zurück an die Arbeit, mir war zumindest der Appetit auf Essen vergangen. Oh Abby, wie haben wir denn das schon wieder angestellt?
Die Rechte an dem Bild von Kapitel 5 liegen bei: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/564x/be/f3/35/bef335243ca6eed46a3b651071d4a113.jpg
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