Einmal ist keinmal

Die letzten Wochen sind wie ein Traum, aus dem ich nicht erwachen möchte. Jeden Tag holt Tomate mich von der Schule ab, damit wir den Nachmittag gemeinsam verbringen können. Manchmal gehen wir im Park spazieren, manchmal gucken wir Animes, die er gut findet, oder ich schaue ihm beim Spielen zu.

In seiner Nähe fühlt es sich richtig an. Ich habe endlich das Gefühl, zu jemandem zu gehören und mit jedem Blick, Lächeln und jeder Umarmung zeigt Bigfoot mir, dass meine Gegenwart gewollt ist.

Also macht es mir nichts aus ihm stundenlang über die Schulter zu schauen, während er eines seiner Games zockt oder ihm zuzuhören, wenn er mit Freunden telefoniert.

Jedes Mal, wenn er mich ansieht oder meine Haut kurz streift beim Vorbeigehen, hüpft mein Herz ein Stück höher als zuvor.

Wir sind selten bei mir, oft übernachte ich bei ihm und wenn er eine Freistunde morgens hat, begleitet er mich sogar zur Schule, nur um nach Schulschluss am gleichen Ort wieder auf mich zu warten. Denn jede Sekunde ohne ihn fühlt sich an wie verschwendete Zeit.

Seine Nähe berührt jede Stelle meines Körpers, gibt mir das Gefühl, es wert zu sein, und ich möchte dieses Gefühl halten, es auskosten, es an ihn zurückgeben. Ihn genauso glücklich sehen, wie er mich glücklich macht.

„Das will ich", Bigfoot zeigt auf den Bildschirm, auf dem ein Animemädchen von einer Erhebung einem Jungen hinterherruft, dass sie ihn liebt. „Siehst du? Sie will es unbedingt der ganzen Welt sagen. Wann sagst du mir, dass du mich liebst?" Er grinst mich spitzbübisch von der Seite an, wohlwissend, dass ich das Wort „Liebe" einfach nicht aussprechen kann.

„Hey, ich habe es dir geschrieben."

„Nah, das ist nicht das Gleiche", winkt er grinsend ab. Der Animejunge dreht sich erschrocken zu dem Mädchen um, bevor er sich am Hinterkopf kratzt und wartet, als das Mädchen zu ihm zugelaufen kommt. Sie springt ihm in die Arme, damit er sie herumwirbeln kann, während Kirschblütenblätter von den Bäumen fallen.

„Und am liebsten willst du das auch, oder?", necke ich, aber Bigfoot verschränkt bestimmt die Arme ineinander.

„Ja." Ich hebe überrascht die Augenbrauen. „Schon irgendwie", lenkt er ein, „es ist halt wirklich romantisch, wenn du mich so umrennen würdest. Obwohl das bei deinem Fliegengewicht sowieso nicht möglich wäre."

Sein Blick begutachtet meine Silhouette und ich nehme eines der Kissen neben mir und werfe es ihm leicht ins Gesicht.

„Werden wir ja noch sehen", murmle ich und überlege mir schon, wie und wann ich diese romantische Geste im echten Leben umsetzen kann, ohne dass es zu offensichtlich ist. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, wie ich Bigfoot eine Freude machen könnte, landet das eben geworfene Kissen auch schon in meinem Gesicht.

„Ach, willst du jetzt Streit anfangen?", frage ich grinsend und bekomme zur Antwort ein weiteres Kissen nach mir geworfen, dem ich aber ausweichen kann, indem ich mich schräg zur Seite beuge. Bigfoot nutzt die Chance und wirft sich mit seinem vollen Gewicht auf mich. Lachend klopfe ich auf seiner Schulter ab, damit er sich auf seine Arme stützt und mich nicht unter seinem Körper zerdrückt.

„Sag ich ja, Fliegengewicht, du Nase", er stupst mit seiner Nase gegen meine.

„Du bist einfach unglaublich", ich schüttele den Kopf, während ich mir eine Strähne aus dem Gesicht puste.

„Unglaublich verrückt nach dir." Bigfoot beugt sich zu mir runter und unsere Lippen berühren sich mit einem leichten, aber angenehmen Kribbeln, das sich schnell auf meiner gesamten Haut ausbreitet. Mit den Händen fahre ich über seinen Rücken, ziehe am Shirt und seine Hand greift nach meiner linken Brust. Seine Bewegungen werden rhythmischer, sein gesamter Körper lehnt sich nun in den Kuss und ich versuche mit ihm mitzuhalten, öffne meine Lippen, um meine Zunge mitspielen zu lassen, aber Bigfoot verwehrt mir den Eintritt. Stattdessen pressen seine Lippen sich fester auf meine, sodass ich fast fürchte, gleich werden wir die Zähne des jeweils anderen durch die Lippen spüren können. Seine Hüfte stimmt mit ein, drückt sich gegen meine und kurz weiß ich nicht, ob ich bereit bin, jetzt schon den nächsten Schritt zu wagen. Ich schiebe den Gedanken beiseite, ziehe ihm sein Shirt über den Kopf und er hilft mir aus meinem mitsamt dem BH, sodass wir oberkörperfrei uns ansehen, den Anblick des jeweils anderen aufsaugen und dann wieder in einen Kuss verfallen, der an Rhythmik verloren hat. Wild küssen wir uns gegenseitig wie Regentropfen, die auf der nackten Haut niederprasseln. Ein weiteres Mal versuche ich, meine Zunge mitmachen zu lassen, weil es die einzige Möglichkeit für mich ist, die Situation noch zu steigern, aber Bigfoot scheint anderer Meinung zu sein und drückt sich von mir weg.

„Sorry", murmelt er, schaut betreten zu meinem Bauchnabel, dann auf den Fernseher. Das Animepaar teilt sich einen Regenschirm, während sie durch die überströmten Straßen laufen.

Ich setze mich auf, streiche sanft über seinen Arm, aber er weicht meiner Berührung aus. Mit einem Mal fühle ich mich furchtbar nackt und angreifbar und nehme mir ein Kissen, um meinen Oberkörper damit so gut wie möglich abzudecken.

„Sorry, ich, es geht gerade irgendwie nicht." Bigfoot dreht sich mit dem Rücken zu mir und ich weiß nicht, was ich tun soll. Zum einen bin ich erleichtert, dass wir doch noch nicht miteinander schlafen. Zum anderen war ich so einer Situation bisher nicht ausgesetzt. Also sage ich das Einzige, was mir einfällt: „Ist doch nicht schlimm."

Der Ruck, mit dem Bigfoots Kopf in meine Richtung schnellt und das dunkle Aufblitzen seiner Augen zeigt mir, dass ich wahrscheinlich nichts Schlimmeres hätte sagen können.

Am liebsten würde ich ihn in dem Arm sehen und ihm versichern, dass ich es wirklich nicht schlimm finde, dass sowas bestimmt allen mal passiert und dass das nichts daran ändert, wie sehr ich ihn liebe. Ich stocke, als Bigfoot sich sein Shirt wieder anzieht und zu seinem Computer rübergeht, um eine Runde League zu spielen. Er ist schnell in seiner eigenen Zone, wenn er dieses Spiel zockt, und ich will ihn darin lassen, ihm die Möglichkeit geben, seine Gefühle zu ordnen.

Langsam greife ich nach meinen Klamotten und ziehe mich wieder an, wobei ich versuche, so leise wie möglich zu sein, um ihn nicht zu stören. Also lege ich mich auf das Bettsofa und checke mein Handy nach Nachrichten von meinem Bruder, von denen aber keine angekommen sind. Scheint alles in Ordnung zu sein.

„Nimmst du eigentlich die Pille?" Bigfoot hat sich in seinem Gamerstuhl zu mir umgedreht und mustert mich neugierig. Die Wut von eben scheint verflogen zu sein. Wahrscheinlich hilft ihm das Spiel tatsächlich, sich ein wenig zu beruhigen.

„Nein."

„Möchtest du?"

„Keine Ahnung, ich habe mir da noch keine Gedanken drüber gemacht", antworte ich ehrlich und bemerke, wie verantwortungslos es gewesen wäre, wenn wir tatsächlich Sex gehabt hätten.

„Nicht schlimm, ich wollte es nur wissen. Ich habe sowieso Kondome hier", er deutet auf einen kleinen Schrank, der zwischen Schlafsofa und Schreibtisch steht.

„Ah", bringe ich heraus, weil ich nicht weiß, was ich darüber denken soll, dass er so vorbereitet ist. In jedem Fall ist er verantwortungsbewusster als ich, was mich kurz aufatmen lässt. Er ist also nicht so naiv in die Situation hineingegangen wie ich. Bigfoot scheint meine Gedankenachterbahn zu bemerken, denn er lacht kurz auf.

„Keine Sorge, ich habe sie nicht extra für heute gekauft und das geplant." Mein Körper entspannt sich automatisch bei diesen Worten.

„Obwohl ich eine Liste habe", sagt er nach einiger Zeit und ich sehe ihn mit gerunzelter Stirn an. „Na, wo ich alles am liebsten Sex haben würde."

So eine Liste also.

„Und?", sage ich herausfordernd und schiebe das Kinn ein wenig vor. Bigfoot schüttelt lachend den Kopf.

„Du Nase."

„Was? Nicht mutig genug, sie mir zu zeigen?"

„Da gibt es nichts zu zeigen. Das ist alles hier drinnen", er tippt sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.

„Also auf meiner Liste steht das Auto", sage ich schulterzuckend, um ihn damit aus der Reserve zu locken. Als seine Augenbrauen nach oben schießen, weiß ich, dass es funktioniert hat.

„Oh, okay. Ein Auto also, damit kann ich wohl nicht dienen."

„Es muss ja auch nicht heute sein", sage ich grinsend.

„Stimmt. Also bei mir, ja, ich glaube, ein Hotelzimmer wäre schon wirklich geil." Ich nehme es stumm zur Kenntnis, versuche, es auf einer imaginären Liste mit Geschenken in meinem Kopf abzuspeichern. Wenn die Zeit gekommen ist, ist es vielleicht eine passende Überraschung.

„Oder ein Whirlpool."

„Im Wasser?"

„Klar, da ist man doch quasi schwerelos und das ganze Wasser ist doch sicher auch gut für dich." Darauf kann ich nichts erwidern, denn es klingt logisch in meinem Kopf, also nicke ich zustimmend. Warum sollte Wasser nicht als Gleitmittel herhalten können? Auf der anderen Seite würden die Gleitmittelhersteller bestimmt pleite sein, wenn bloßes Wasser ausreichen würde.

„Oder draußen, im Wald oder so", seine Augen blitzen kurz auf und ich merke, dass ich ein Thema losgetreten habe, bei dem er nicht mehr zu bremsen ist. Mir würde normaler Sex in einem normalen Bett vollkommen ausreichen und selbst dafür sind wir heute beide nicht wirklich bereit. Währenddessen träumt er schon von Erregung öffentlichen Ärgernisses.

„Ist das nicht ziemlich gefährlich?", versuche ich einzuhaken, aber Bigfoot winkt ab.

„Nicht, wenn man nicht erwischt wird."

Er dreht sich wieder zurück zu seinem Computer und ich beobachte seine Handbewegungen eine Weile, wie seine Finger über die Tastatur gleiten und sein rechter Mittelfinger unentwegt auf die linke Maustaste klickt. Sein Handballen ruht auf den Brüsten seines Lieblings-Champs aus League of Legends. Ich habe ihren Namen vergessen, aber sie ist eine Art Fuchsfrau in sexy und ich komme nicht drumherum mich mit dieser ausgedachten Figur zu vergleichen. Meine Brüste sind ein A-Cup, ein B-Cup vielleicht, wenn man beide Augen fest zusammenkneift und ich zwei Push-up BHs übereinander trage mit einem tiefen Ausschnitt. Aber eben nur vielleicht.

Nicht, wie die E-Cup Fuchsfrau, dessen sexy Stimme gerade fragt, ob sie den Puls hochtreiben soll, um dann wenige Sekunden später lasziv stöhnend zu sterben. Bigfoot entfährt ein sehnsüchtiges Seufzen.


Liebste Katie,

Du bist mein Wunschtraum, mit dir an meiner Seite fühle ich mich toll, nein, ich fühle mich episch. Gibt es eine höhere Stufe als episch? Wahrscheinlich nicht, aber wenn es sie gäbe, dann würde ich mich genauso fühlen. Ich weiß, das ist kitschig, aber mit dir ist jeder Tag wie ein Abenteuer ohne Ende, ein Abenteuer, aus dem ich nie erwachen möchte. Es ist besser als jeder Film, jeder Anime und jedes Spiel, denn du bist echt und wahrhaftig meine kleine Seelenverwandte, meine Nase, mein Wunschtraum.

In Liebe, Bigfoot

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