Traumfänger: Teil II
Mit jedem Schritt, den sie taten, zeigte das Gesicht des Doktors mehr und mehr Skepsis, doch Nina schien das gar nicht aufzufallen. Sobald sie bei der Doppeltür angekommen waren, öffneten sich die Türflügel automatisch.
~~~~~~~
Die beiden staunten nicht schlecht, als sie geschäftiges Treiben wahrnahmen. Mitarbeiter der verschiedensten Rassen wuselten umher, trugen aber alle das Gleiche: Eine schwarze Hose, mit einem weißen T-Shirt und einer weinroten Weste. Ein wenig erinnerten sie Nina an Stewards und Stewardessen, nur dass diese hier etwas mehr Alien waren als die, die sie von der Erde kannte.
Hinter der Tür schien es fast noch weißer zu sein, als im Rest der Mall. Das lag daran, dass die ganzen bunten Stände und Geschäfte fehlten und sich hier insgesamt trotz des Treibens weniger Aliens aufhielten.
Jemand hastete auf sie zu. Ein langer, dünner Mann mit fliederfarbener Haut und ohne jegliche sichtbare Körperbehaarung. Er war fast doppelt so groß wie der Doktor, dafür aber doppelt so dünn (und das wollte etwas heißen!). Außerdem hingen seine Gliedmaßen seltsam an seinem Körper herab, als würden sie wie zäher Teig langsam der Schwerkraft zum Opfer fallen. Seinen Kopf schien er gerade so aufrecht halten zu können. „Herzlich Willkommen im Gedächtnispalast", erwiderte er höflich. Seine Stimme... wackelte. Man konnte es nicht so einfach beschreiben. Es war, als würde jemand vor einem laufenden Ventilator stehen und sprechen. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"
„Oh, hallo...!", erwiderte der Doktor erfreut. Er schielte auf das Namensschild. „F... Red... D...?" Unbewusst machte er eine Frage draus. „Klingt wie der Name eines Rappers."
„Man spricht es im einen Rutsch aus, F-Red-D." Er lächelte. Nina musste ein Glucksen unterdrücken. Von all den Aliens mit ihren unterschiedlichen Planeten und unterschiedlichen Kulturen, die es hier gab, begegnete sie einem, der Fred hieß. Nur mit doppelten D. Und zwei Bindestrichen. Nina mochte das Weltall.
„Red D gefällt mir besser", gab der Doktor zu. „Wie dem auch sei, F-Red-D, schön, Sie kennenzulernen. Meine Begleiterin und ich wollten uns Ihren Gedächtnispalast mal ansehen, doch wie es scheint, sind Sie hier alle sehr... beschäftigt." Mit der Hand wedelnd wies er auf die vielen umherlaufenden Angestellten hin.
„Oh, kümmern Sie sich nicht darum", erwiderte F-Red-D freundlich. „Hier im Gedächtnispalast gibt es sehr viel zu tun, man braucht alleine für einen Besucher 36 Personen des Personals. Hier sind uns unsere Kunden sehr wichtig." Er lächelte breit und Nina sah, dass er keine Zähne besaß.
„Toll, toll", stimmte der Doktor geistesabwesend nickend zu. Sein Blick lag immer noch auf die umherhastenden Wesen. „Und... Die sollen alle so panisch sein?" Seine Augen trafen auf die von F-Red-D.
Das Grinsen des Angestellten erstarb. Anscheinend hatte er einen wunden Punkt getroffen. „Ein paar kleine Komplikationen bei einem unserer Besucher, weiter nichts. Komplexere Gehirne benötigen eben mehr Kräfte." Seine Stimme war kühler geworden.
Nina knuffte den Doktor in die Seite. „Seien Sie nicht so gemein!" Dann wandte sie sich an F-Red-D. „Was meinen Sie mit ‚komplexere Gehirne'?"
„Gehirne werden nach Größe und Anzahl der Synapsen eingeteilt. Je größer und verzweigter ein Gehirn ist, desto komplexer ist es."
„Ah ja, schön", wimmelte der Doktor schnell ab. Das interessierte ihn gar nicht. „Was meine Freundin, glaube ich, fragen wollte, war, wie im Allgemeinen der Gedächtnispalast funktioniert. Wissen Sie, wir haben uns nicht viel vorher informiert. Um genau zu sein, sind wir nur wegen der Werbung reingekommen." Abwartend schob er seine Hände in die Hosentasche.
F-Red-D nickte. „Ich verstehe. Bitte erlauben Sie mir, Sie etwas herumzuführen, während ich Ihnen den Ablauf des Gedächtnispalastes erkläre." Zu dritt setzten sie sich in Gang. „Es hat alles mit Professor Sintus begonnen, der Erfinder von ‚Gedächtnispalast'. Er ist ein Träumer wie es so viele Lebewesen in diesem Universum sind...."
„Was Sie nicht sagen", erwiderte der Doktor leise und Ninas Mundwinkel zuckten nach oben.
F-Red-D hatte gar nichts von der Unterbrechung mitbekommen. „Er liebte es, im Schlaf kontrollieren zu können, was er tat. Einfach alles. Doch ihm war das nicht genug. Oft konnte man sich nicht an Träume erinnern, oder im Großen und Ganzen an wunderschöne Sachen, die einem widerfahren sind. Letztendlich werden ein paar Erinnerungen zurückgestellt, nach hinten geschoben. Ihm gefiel das nicht. Er wollte, dass man sich an all die schönen Dinge erinnert, egal, ob Traum oder Wirklichkeit."
Während er redete, passierten sie mehrere Räume, durch die man durch ein wandhohes Fenster hineinschauen konnte. Der Doktor und Nina konnten noch mehr Angestellte sehen. Einige arbeiteten vor Bildschirmen, schienen irgendwelche Wellen und Bereiche zu analysieren. Andere wirkten wie in einem Labor, hatten Reagenzgläser, die sie abfüllten und in anliegende Räume brachte, die man vom Standpunkt des Besuchers aus nicht sehen konnte. Die Türen der Labore führten weiter hinter die Kulissen.
„Und dann hatte Professor Sintus die Idee: Warum sollte man sich nur an all die schönen Dinge erinnern? Wieso sollte man sie nicht hautnah erleben können? Mitten in ihnen sein?" F-Red-D blieb auf einmal stehen und drehte sich zu Nina und dem Doktor um. „Herzlich Willkommen im Gedächtnispalast! Lassen Sie Ihre Träume wahr werden!" Er hatte sie vorhin bereits willkommen geheißen, doch dieses Mal schwang viel mehr Feierlichkeit in der Stimme mit.
Die drei hatten die Halle komplett durchquert. Sie befanden sich vor einer Reihe von gewaltigen, weißen Würfeln. Besser konnte man es nicht beschreiben. Es war beeindruckend, wie sie sich an der ganzen Wand entlangzogen.
„Professor Sintus hat an diesem Gedanken festgehalten und ihn ausgearbeitet", setzte F-Red-D seine Erklärung fort. „Das hier sind die Wunschkammern. Sie sind eine von zwei wichtigen Faktoren. Innerhalb solch eines Raumes befindet man sich in einer ganz eigenen, individuellen Sphäre. Sie ist frei formbar und kann sich innerhalb einer halben Sekunde verändern. Selbstverständlich regulieren wir die Wechsel der Sphäre komplett."
„Ach ja?" Der Doktor hatte die Stirn gerunzelt, hatte er fast die ganze Zeit über schon. „Und was ist der zweite ‚Faktor'?" Er machte beim letzten Wort Gänsefüßchen in die Luft.
„Das Anima-Serum." F-Red-D griff mit einem seiner schlaffen Arme in die Hosentasche und holte ein kleines, hübsch verziertes Fläschchen heraus, was er den beiden Besuchern präsentierte. Eine glasklare Flüssigkeit war darin zu erkennen, die Nina an Wasser erinnerte, jedoch brach sich darin das Licht anders. Um genau zu sein, schien es sich nahezu gar nicht zu brechen. „Das hier ist die Grundform. Es wird auf jedes Gehirn individuell angepasst. Sobald Sie das Anima-Serum zu sich nehmen, ist Ihr Gehirn mit der Sphäre der jeweiligen Wunschkammer verbunden und sie wird sich Ihnen anpassen. Sie, also der Besucher, haben als Einziger die Möglichkeit, die für Ihnen geschaffene Welt wahrzunehmen und in ihr zu leben. Das Serum fokussiert sich dabei auf Ihre schönsten Erinnerungen, egal, ob Traum oder Wirklichkeit, und projiziert sie in der Sphäre wieder. Nebenbei ermöglicht uns ‚Anima' auch, Ihre Gehirnaktivitäten zu überwachen. In einer Wunschkammer selber gibt es ebenfalls eine altmodische Überwachungskamera. Uns ist es zwar nicht möglich, Ihre ganz persönliche Welt zu sehen, aber Ihre Bewegungen und Taten behalten wir im Auge. Schließlich geht Sicherheit vor alles Andere."
„Und da ist es nötig, Sicherheitskameras zu benutzen?", hinterfragte der Doktor misstrauisch, woraufhin Nina ihm zum zweiten Mal heute in die Seite knuffte. „Das ist in einem Horrorhaus doch genau das gleiche! Das sind reine Sicherheitsmaßnahmen, nichts weiter."
F-Red-D lächelte sie dankbar an. „Genau so ist es. Bis zu drei Personen können sich für drei Stunden in einer Wunschkammer aufhalten, danach verliert das Anima-Serum seine Wirkung. Auch ist es möglich, dass man leichte Anzeichen von Schwindel oder Kopfschmerzen erfährt, nachdem man die Wunschkammer wieder verlässt."
„Also, kurz gesagt. Wir müssen dieses Serum trinken, dann gehen wir in eine Wunschkammer und erleben dann die schönsten unserer Erinnerungen nochmal?", versuchte Nina kurz zusammen zu fassen. Der Blick des Doktors huschte zu ihr. Er ahnte, worauf das Interesse hinauslief.
„Nicht ganz", zögerte F-Red-D. „Sie nehmen das Serum ein, betreten die Wunschkammer und befinden sich... in dem Ambiente Ihrer schönsten Erfahrungen, könnte man sagen. Dabei kommt es natürlich häufig vor, dass man sich nicht mehr daran erinnert, es erlebt oder geträumt zu haben. Der Gedächtnispalast ist dazu da, Sie in fremde Welten zu versetzen, die Ihr Kopf bereits einmal entworfen hat. Er zeigt, wie vielfältig unsere Fantasie sein kann."
„Okay", verstand Nina. „Und was haben Sie vorhin mit den Bewegungen gemeint?"
Dem Angestellten gefiel es, dass sie sich so für den Gedächtnispalast interessierte. Dem Doktor eher weniger, nach seinem Gesicht zu urteilen. „Nun ja, nehmen wir an, Sie sehen etwas ganz Wunderbares und Außergewöhnliches, das Sie unbedingt halten wollen. Sie strecken Ihren Arm danach aus und nehmen es sich. Wir sehen Sie nur in der Wunschkammer, wie Sie nach irgendetwas greifen und es schließlich an sich nehmen."
„Krass", staunte sie und blinzelte mehrmals bewundernd.
Auch wenn der Doktor sichtlich nicht begeistert von dieser Sache war, war er doch neugierig: „Wie soll das Anima-Serum individuell angepasst werden?"
„Ah ja!", fiel F-Red-D wieder ein. „Fast hätte ich es vergessen. Man füllt einfach einen unserer Fragebögen... Moment, ich hole schnell einen." Er machte sich eilig davon; je nachdem, wie man eilig bei seinem schlurfenden Gang beschreiben konnte.
Sobald er außer Hörweite war, wirbelte Nina mit leuchtenden Augen zum Doktor herum und griff einen seiner Arme mit beiden Händen. „Oh, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte,...!" Das wäre vermutlich noch lange so weiter gegangen, würde er sie nicht unterbrechen, allerdings nur zögerlich: „Ich weiß ja nicht... Irgendein Serum, das dafür sorgt, dass an meinem Gehirn herumgepfuscht wird...?" Mit zusammengezogenen Augenbrauen kratzte er sich hinterm linken Ohr.
Sie ließ seinen Arm wieder los. Ihr Blick hatte etwas Flehendes. „Bitte, Doktor! Das ist das erste, was mich wirklich interessiert!"
„Ja, das haben Sie auch beim Grotaan-Sessel, der Wibbidi-Lupe und der Pipplipah-Kurztour gesagt. Nicht zu vergessen, die Astah-Bonbons, die Ihre Augen ausgebrannt hätten."
„Nein, das war was Anderes, dieses Mal wirklich!" Sie merkte selber, dass sie sich wie ein kleines, aufgeregtes Kind benahm, doch das war ihr schnuppe. Sie entdeckte soeben das Universum, in dem sie lebte, lernte ganz neue Welten kennen, ihrer Meinung nach durfte sie sich so kindisch verhalten, wie sie nur wollte.
Es juckte den Doktor schon irgendwie in den Fingern. Er ließ nur ein langes und lautes Seufzen von sich hören. Es war kein Ja, aber auch kein Nein und diese Chance ergriff Nina. „Wollen Sie nicht auch alte Erinnerungen wieder auffrischen? All die wunderschönen Dinge, die Sie schon gesehen haben müssen...! Und Sie können mir nicht erzählen, dass Sie sich bei 900 Jahren an jeden einzelnen Moment erinnern können." Gespannt schauten ihre dunklen Augen hoch zu seinem Gesicht.
Nachdenklich kippte er seinen Kopf zur Seite. „Ich glaube, das will ich auch nicht." Seine Stimme war ein leises Murmeln, das nicht einmal Nina hörte.
„Bitte, Doktor!" Sie griff wieder seinen Arm. Ungeduldig und flehend. Er schaute zu ihr herunter, sah dieses Funkeln in ihren Augen. Der Glanz der Neugier, Neues auszuprobieren. Dieses Mal sollte es aber nicht um fremde Welten gehen, sondern um einen Selbst. Philosophisch betrachtet konnte man diesen Gedächtnispalast sogar als Selbstfindung sehen.
Der Doktor musste lächeln, als er Nina, seine Begleiterin und Freundin, so sah. „Nun ja, wie oft hat man schon die Möglichkeit, seine eigenen Träume tatsächlich zu erleben?" Voller Freude ließ sie ihn los und schloss siegreich eine Faust. „Ja!" Sie strahlte übers ganze Gesicht.
F-Red-D kam wieder zurück und hatte zwei Klemmbretter dabei. „Bitte sehr." Er drückte jedem eins in die Hand. „Das ist ein Fragebogen zu Ihrem Gehirn und dessen Struktur. Geben Sie diesen korrekt ausgefüllt wieder zurück, dauert es nur ein paar Minuten, bis unsere Laborarbeiter das für Sie abgestimmte Anima-Serum hergestellt haben. Dabei wird die Ihnen zugestellte Rassenanonymität selbstverständlich eingehalten. Sind Sie sich nicht sicher, wie Sie die Felder korrekt ausfüllen, können Sie gerne zu unseren Ärzte gehen. Sie werden dann einige Tests mit Ihnen durchführen. Dafür müssen Sie einfach wieder die Halle runter und dann..." Er stockte mitten im Satz und räusperte sich. Seine Stimme wurde ein wenig professioneller. „Verzeihen Sie! Haben sich die Herrschaften denn schon entschieden, ob Sie in eine Wunschkammer wollen?"
Der Doktor und Nina warfen sich einen letzten Blick des Einverständnisses zu und grinsten dabei. „Äh... ja", antwortete er bereitwillig lächelnd. „Meine Freundin und ich sind neugierig geworden." Er ließ seine Hände in die Hosentasche verschwinden.
„Sehr schön!", rief F-Red-D erfreut aus. „Also, zu den Ärzten geht es..."
„Ich...", unterbrach der Doktor ihn nicht unhöflich. „... denke das ist nicht nötig. Ich bin selber so etwas wie ein Doktor. Ich glaube, wir sind im Stande, die Fragebögen auszufüllen."
„Ganz, wie Sie wollen", überließ F-Red-D ihm die Angelegenheit. „Ich bringe Sie zu Ihrer Wunschkammer und dort können Sie sich Zeit nehmen, die Fragen zu beantworten." So führte der Alien-Angestellte des Gedächtnispalastes die beiden an einigen Wunschkammern vorbei, bis er schließlich bei einer Halt machte und sich ihr näherte. So direkt vor einem dieser riesigen, weißen Würfel merkte Nina erst recht, wie gewaltig diese Größe war. Sie musste ihren Kopf in den Nacken legen, um das Ende zu sehen.
F-Red-D öffnete die Tür. „Das hier ist noch nicht die eigentliche Wunschkammer, es ist der Wartebereich. Die Sphäre betreten Sie, wenn Sie durch diese Tür gehen." Er deutete auf eine kleine Doppeltür an der gegenüberliegenden Wand. Der Raum an sich war nicht besonders groß und erinnerte Nina fast an ein menschliches Wartezimmer; einige Stühle an der Wand, ein kleiner Tisch mit Zeitschriften und ein Flüssigkeitsspender mit Behältern und einem Mülleimer. Das einzige, das befremdlich war, war der Mangel an Farbe, doch das war hier üblich. Der Doktor hatte vorhin erklärt, dass Weiß die Farbe des Friedens und der Reinheit war. Nicht nur auf der Erde, sondern im ganzen Universum. Baute man also eine Mall, in der alle bekannten Rassen des Universums aufeinandertreffen konnten, brauchte man eine möglichst beruhigende und neutrale Farbe. Nina beunruhigte das eher etwas. Als wäre es zu viel des Guten. Sie erinnerte das ganze Weiß mehr an ein Krankenhaus. Dennoch gab es etwas Farbe in diesem Raum, was den Krankenhaus-Gedanken wieder milderte: Die Zeitschriften auf dem Tisch und die Flüssigkeit im Behälter, die im Fünf-Sekunden-Takt ihre Farbe zu ändern schien.
„Bringen Sie die Fragebögen einfach hinaus, sobald Sie fertig sind. Einer meiner Kollegen wird sie entgegennehmen." F-Red-D wollte bereits gehen, doch dann schien ihm etwas einzufallen. „Ach ja, die Zahlung erfolgt in der Regel im Voraus."
„Ah, ja", schien dem Doktor einzufallen und er griff mit einer Hand in sein Jackett. Nina wusste bereits, was kommen würde; so hatte der Doktor bis jetzt immer ‚gezahlt'. „Hier." Er hielt dem Angestellten das Gedanken manipulierende Papier vor die Nase. „Ein Gutschein, den wir durch einen glücklichen Zufall gewonnen haben."
„100% Rabatt?" Hätte F-Red-D Augenbrauen, hätte er sie mit Sicherheit hochgezogen. „Soweit ich weiß, verlosen wir solche Gutscheine gar nicht."
Den Doktor schien das nicht zu beunruhigen. Zufrieden lächelnd steckte er das Ledercase mit dem Papier wieder zurück. „Ein sehr glücklicher Zufall." Ein letztes Mal blickte F-Red-D zwischen ihm und Nina verwirrt und skeptisch hin und her, dann verschwand er ohne ein weiteres Wort zu verlieren und schloss die Tür hinter sich.
„Was war das für einer?", wollte Nina belustigt wissen, als sie sich versichert hatte, dass die Tür wirklich zu war. „Ein Quoll", erwiderte der Doktor, nahm Platz, legte seine Beine auf dem Tisch ab und blätterte den Fragebogen durch. Es dürfte sich dabei um sieben bis acht Blätter handeln. „Ich nenne sie auch gerne ‚Pudding-Männer'." Dabei blickte er zu ihr auf und grinste. Dann streckte er die Hand aus. „Wollen Sie den mir geben?" Er meinte ihren Fragebogen. Sie ließ kurz ihren Blick über ein paar der Fragen schweifen und gab schon nach der vierten auf. Sie verstand kein Wort. Also reichte sie ihren Fragebogen dem Doktor, der sich bereits die Brille auf die Nase setzte und einen Stift aus seinem Jackett hervorholte.
Es verstrich einige Zeit, in der Nina nicht viel machen konnte. Die Zeitschriften hatte sie letztendlich alle einmal durchgeblättert und auch noch von der seltsamen Flüssigkeit probiert, die ihre Farbe wechselte und zusätzlich noch etwas dampfte, nicht ohne sich vorher beim Doktor zu vergewissern, dass sie ungefährlich war.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, war er fertig und brachte die Fragebögen raus. Wieder mussten sie warten, doch nun konnten sie es immerhin zusammen tun. Erst versuchten sie irgendwelche Spiele zu spielen, für die man nichts weiter brauchte. Besonders viel fiel ihnen nicht ein und für ‚Ich sehe was, was du nicht siehst' befanden sie sich nicht in der besten Umgebung.
Letztendlich waren sie zu dem Punkt gekommen, an dem der Doktor von seinen früheren Abenteuern erzählte. Grob nur, aber das Wichtigste war dabei. Nina wusste, dass vor ihr schon andere mit ihm herumgereist waren, auch wenn er das nie direkt gesagt hatte. Nur immer mal wieder angeschnitten hatte er es. Jetzt erwähnte er nichts dergleichen, doch sie wollte auch nicht danach fragen. So wirkte es, als wäre sie die Erste... Und irgendwie gefiel ihr die Vorstellung. Sie wollte diese kurzweilige Illusion nicht zerstören.
In einem der Labore in der Einrichtung von ‚Gedächtnispalast' war gerade Ninas Anima-Serum fertiggestellt worden. Eine humanoide Lebensform mit schwarzen Panzer, vier tiefblauen Augen und drei Fühlern goss die Flüssigkeit in einen schön verzierten Behälter aus durchsichtigem Material.
„Sie haben wir?", fragte jemand anderes erfreut. Ein weibliches Wesen der gleichen Art nahm beiläufig das zweite Klemmbrett, das des Doktors, in die Hand. „Scheint ein Mensch zu sein, hm? Der erste hier. Sehr interessant." Dann begann sie, durch den Fragebogen des Doktors zu blättern.
Ihre lockere Stimmung erstarb. „Meine Güte...", hauchte sie und überflog schnell die restlichen Blätter. „Das gibt's doch nicht! Diese Komplexität...! Wem gehört so ein Gehirn?" Sie war an der letzten Seite angekommen. Dort stand am Ende extra etwas hingeschrieben, was zu keiner Frage gehörte: Da staunen Sie, was? Daneben war ein Smiley hingemalt worden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top