Traumfänger: Teil I
Genau das war es, was der Doktor hören wollte. Ohne ein weiteres Wort öffnete er feierlich die Tür der Tardis.
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„Willkommen auf Fraymonia, Miss Featherstone. Traumhafter Planet, überzogen von einem einzigen Regenwald mit den wunderschönsten Pflanzen, die Sie sich vorstellen können, in allen Farben, Formen und Größen. Und an den Magnetpolen sind die zwei einzigen Meere der ganzen Oberfläche." Echter Elan lag in der Stimme des Doktors.
„Okay...", meinte Nina und war weitaus gebremster, man könnte schon misstrauisch sagen. „Und... wo ist das alles?"
„Die Atmosphäre war für kein Lebewesen im Universum aushaltbar. Jede einzelne Pflanze war höchstgiftig und die Meere waren eher Sümpfe. Außerdem kam kein Tageslicht an den Boden, da alles so dicht bewachsen war", war die nicht weniger enthusiastische Erklärung.
„Und deswegen...?", fragte sie weiter.
„Deswegen dachte sich eine sehr geschäftstüchtige Familie, die zufällig vorbeigeflogen kam, dass sie das zu ihrem Vorteil nutzen könnte. Sie führten ein komplettes Terraforming durch, machten die Atmosphäre für die meisten Lebewesen des Universums erträglich, während all die giftigen Pflanzen abstarben. Inzwischen ist Fraymonia einer der bekanntesten Touristenplaneten. Berühmt-berüchtigt ist vor allem dieser Ort hier."
Nina runzelte die Stirn. „Eine... Mall?" Denn das hier war nichts anderes. Die Tardis schien auf einer Art Parkplatz gelandet zu sein, denn die beiden nahmen Brems- und Anfahrtsgeräusche wahr, die aber nicht von Autos stammten. Viel sah man von ihrem Standpunkt aus nicht, eigentlich nur einen Übersichtsplan und die Eingangstüren. Sie sahen aus wie die sich automatisch öffnenden Schiebetüren, die es auch auf der Erde gab, mit dem Unterschied, dass das Glas (oder was auch immer das war) schwarz oder zumindest verdunkelt war; das hieß, man sah niemanden, der drinnen war.
Freudig grinsend sprang der Doktor aus der Tardis heraus und drehte sich vor dem Übersichtsplan zu ihr rum. „Ganz genau! Die Mall von Fraymonia! Aber sie ist nicht nur irgendeine Mall..." Er hielt einen Zeigefinger in die Luft. „... es ist die größte Mall im ganzen Universum."
Das beeindruckte Nina dann schon etwas. „Wirklich? Wow! Wie groß ist sie denn?"
„Nun ja..." Der Doktor legte beim Nachdenken den Kopf leicht schief. „Etwa ein Drittel von Fraymonia wird davon bedeckt. Und der Planet ist ungefähr so groß wie der Mars." Das ließ Ninas Kinnlade herunterklappen. „Was?!"
Er grinste wieder. „Ja, ich weiß."
Nun verließ auch sie die Tardis. Die Tür fiel hinter ihr zu. „Das ist locker 'n Kontinent. 'N riesiger Kontinent!" Ein Nicken bestätigte ihre Aussage. Jetzt, wo sie draußen stand, konnte sie sich umschauen. Die strahlendweiße Mall schien gigantisch zu sein, größer als jeder Wolkenkratzer, den sie schon einmal gesehen hatte. Sowohl nach oben als auch nach links und rechts hinweg konnte sie kein Ende erblicken. Fast wie eine unendliche Mauer. Momentan war es Nacht, doch das Gebäude schien wirklich zu leuchten, sodass man trotzdem problemlos etwas sehen konnte.
Sie ging zur Tardis zurück und lugte hinter der Kiste hervor. Sie bekam Stielaugen, als sie den Parkplatz sah. „Das gibt's doch nicht...", hauchte sie. Raumschiffe. Überall waren Raumschiffe, jede Form, jede Farbe, jede Größe. Und zwischen all diesen sonderbaren Gefährten liefen Wesen aller Art herum. Jeder wollte zur Mall.
Der Doktor kam zu ihr und lehnte sich hinter ihr an die Tardis. „Früher waren es die verschiedensten Pflanzen, die es auf Fraymonia gab, jetzt sind es alle möglichen Lebewesen."
„Wahnsinn!", gab Nina nur von sich.
Glucksend stupste der Doktor sie an. „Warten Sie erst einmal ab, wenn Sie drinnen sind." Er wandte sich dem Eingang zu und Nina folgte ihm. „Aber es ist Nacht", fiel ihr auf. „Das ist vollkommen egal. Die Mall ist nie geschlossen. Außerdem ist sie, wie Sie es bereits gesagt haben, tatsächlich ein eigener Kontinent. Ein Kontinent, bei dem jegliche Tag- und Nachtzeiten und Luftdruck künstlich hergestellt werden. Und zwar in der gesamten Mall einheitlich, vollkommen egal, wie es momentan draußen ausschaut, dort ist schließlich niemand."
„Alles ist künstlich?" Nina runzelte die Stirn. Der Doktor bemerkte ihre Zweifel und wollte diese schnell beseitigen: „Das ist nicht weiter schlimm. Teilweise ist das sogar vermutlich besser, als in der tatsächlichen Atmosphäre des Planeten zu leben. Wer weiß, wie gründlich das Terraforming durchgeführt wurde."
„Okay", gab sich Nina vorerst geschlagen, ganz überzeugt war sie aber noch nicht. Die beiden standen vor dem Übersichtsplan neben dem Eingang. Er sah genauso aus wie bei einer menschlichen Mall, stellte Nina fest, die eigentlich Größe war hier nicht zu erkennen. Offensichtlich war die Mall in wenige Gebiete aufgeteilt.
„Das hier ist nur ein ganz grober Plan", erklärte ihr der Doktor. „Jeder Bereich hat die Größe eines Landes. Das Beliebte an dieser Mall ist nämlich ihre Vielfältigkeit. In jedem Themenbereich ist jeder bis jetzt erforschte Planet in diesem Universum vertreten." Er wandte seinen Blick vom Plan ab zu ihr und schaute ihr tief in die Augen, als sie ebenfalls zu ihm schaute. „Jeder", wiederholte er nochmal nachdrücklicher. Abermals klappte Ninas Kinnlade auf. Mit einer schnellen Handbewegung schob der Doktor ihren Unterkiefer wieder nach oben, woraufhin beide lachen mussten.
„Wichtigste Frage, bevor wir da reingehen. Bevor wir überhaupt irgendetwas machen", meinte Nina dann, nachdem sich beide wieder beruhigt hatten. „Fallen wir auf?"
Der Doktor winkte mit einer knappen Kopfbewegung ab und sagte: „Lebensformen, die wie Menschen ausschauen, beziehungsweise Time Lords, der eine im Anzug, die andere mit Pullover und Hose. Was soll bei zwei weiteren humanoiden Lebensformen schon schiefgehen?" Das stimmte allerdings. Der Anzug des Doktors war heute braun (und wurde mit den weißen Schuhen getragen), während Nina im pfirsichfarbenen Hoodie und schwarzen Hosen und Stiefeln herumspazierte.
Ihr Blick viel auf eine Gruppe, die gerade hinter dem Doktor die Mall betraten. Sie würde das Aussehen dieser Wesen vermutlich als gummiartige, grüne Bäume beschreiben. Ihre Füße sahen aus wie Wurzeln, die sich so fortbewegten, indem sie neusprießende in den Boden vor sich stachen, während die Wurzeln hinter ihnen sich einfach wieder vom Boden lösten und mit dem Körper verschmolzen. Der Körper selbst war ein einziger Stängel. Einen Kopf besaßen diese Lebewesen gar nicht, stattdessen teilte sich der große Stiel in drei kleinere auf, die jeder am Ende ein großes Kullerauge hatten. Sie dürften Nina gerade mal bis zur Brust gehen. Bei deren Verhalten hatte die junge Frau auf einmal die Vorstellung von einer Gruppe Teenagern im Kopf, die am Nachmittag zusammen shoppen gingen.
Nina grinste. Der Doktor hatte schon öfters versprochen, dass die beiden nicht auffallen würden, was sich letztendlich nur selten bewahrheitet hatte. Dennoch brachte das stets Abenteuer mit sich und Nina machten diese einen Heidenspaß. Deswegen folgte sie dem Doktor bereitwillig hinter der Gruppe Pflanzen-Teenager zu den schwarzen Schiebetüren in die Mall.
Sobald sie die Eingangshalle betraten, kam Nina aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieser Ort war so... gewaltig. Kein Ende war zu sehen. Im Nachhinein könnte sie nicht sagen, was ihr als Erstes ins Auge fiel. Es gab so viele Eindrücke auf einmal. Auch wenn man sah, dass der Grundton von Boden und Wänden ein blank poliertes Weiß war, war es sehr bunt. Riesige Werbeplakate für Produkte, Filme, bestimmte Bereiche, Neuzugänge, Attraktionen und so weiter prangten an den Wänden. Dann waren noch Gleisen durch die Luft gezogen, auf denen ab und zu mal ein Waggon vorbeiraste, in dem einige mal lauter, mal leiser kreischende Passagiere drinnen saßen und einen großen Spaß zu haben schienen. Außerdem gab es noch die Pflanzen, die vermutlich als Dekoration dienten, die in verschiedenen Farben leuchteten und Formen besaßen, die Nina noch nie zuvor gesehen hatte. Am faszinierendsten aber fand sie die unzähligen Lebewesen, die hier herumliefen, lachten, sich überlegten, was sie nun machen sollten.
Im Prinzip war das eine stinknormale Mall. Nur millionenfach größer, auf einem anderen Planeten mit unterschiedlichen Lebensformen. Es gab fuchsähnliche Vierbeiner, die ihr bis zu den Knien reichten und jeder irgendeines der vier Elemente zu repräsentieren schienen; zum Beispiel war der Wasserfuchs mit blauen Schuppen überzogen, hatte Kiemen (und vermutlich noch irgendetwas, damit er auch ohne Wasser auskam) und einen aalähnlichen Schwanz. Der Feuerfuchs dagegen hatte feuerrotes Fell und einen so buschigen Schwanz, das man meinen könnte, er bestünde aus Flammen. Dann gab es ein Pärchen von etwas, das aussah wie Felsen auf Beinen. Aber es gab erstaunlich viele Wesen, die Nina an Menschen erinnerten; sprich: Sie liefen aufrecht auf zwei Beinen, besaßen zwei Arme und einen Kopf mit Gesicht. Diese Kombination gab es natürlich in verschiedenen Farben und Größen, doch ähnelten sie sich irgendwo. Humanoid, hatte der Doktor vorhin gesagt.
Nicht lange und Nina sah, dass es anscheinend abgesehen von der Achterbahn noch eine andere Fortbewegungsmöglichkeit gab; es gab eine Reihe von kreisrunden Metallplatten am Boden. Man stellte sich auf eine drauf, gab dem zuständigen Personal Bescheid, wo man hinwollte, das gab wiederum irgendetwas in eine Maschine neben den Metallplatten ein und dann... löste man sich in Luft auf, wobei noch ein helles Leuchten zu sehen war. Das war Teleportation.
Nina war ganz aus dem Häuschen und konnte gar nicht mehr aufhören zu strahlen. Alleine dieses Gefühl reichte schon fast für eine Reise, aber das wäre schade um die Mall. Wenn man schon mal da war, sollte man sich schließlich auch umsehen. Keinen Mucks entwich der jungen Frau, doch ihre Begeisterung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Den Doktor stimmte das fröhlich: „Freut mich, dass es Ihnen gefällt! Also: Irgendwelche Wünsche?"
„Skittles?!", stellte der Doktor mit seinem fragwürdigsten Blick fest und nahm ein grünes Päckchen in die Hand. „Deswegen wollten Sie her? Hier gibt es allerlei Köstlichkeiten aus jeden Ecken und Winkeln des Universums und Sie wollen hierher wegen... irdischen Süßigkeiten?" Immer noch komplett aus der Fassung hielt er die Skittles-Packung hoch. Nina schnappte sie sich empört mit einer schnellen Bewegung. „Wenn Sie Skittles nicht schätzen können, dann sind Sie es auch nicht wert, sie zu halten." Leicht nuschelte sie durch das Kauen der Süßigkeit. Die Packung wollte sie in ihre Handtasche stopfen, doch mitten in der Bewegung hielt sie inne. Ihre Handtasche war in der Tardis. Das war sie immer, Nina nahm sie nie mit nach draußen, brauchte sie ja schließlich auch nicht.
Das Wichtigste aber war, dass sie ihre Skittles wieder hatte. Ihre heißgeliebten Skittles. Ihre letzte Packung war vor einer Woche leergegangen und sie hatte den Doktor noch nicht Bescheid sagen können, dass sie sich neue kaufen wollte; dass sie sich neue kaufen musste.
Peinlich berührt hielt Nina ihm die angebrochene Skittles-Packung hin. Er hatte genug Platz in seinen Manteltaschen, um sie zu transportieren. Von innen eben größer als von außen. Mit immer noch kritischem Blick nahm er die Packung wieder entgegen. Solange Nina keine Handtasche dabei hatte, musste er die Skittles bei sich tragen, was er eigentlich nicht weiter schlimm fand. Na ja, bis auf eine Tatsache: „Sie wissen schon, dass das schlecht für die Zähne ist, oder?" Er zog die Augenbrauen hoch, während er die Schachtel umdrehte und sie weiter inspizierte. „Oder für die Gesundheit."
Nina verdrehte nur die Augen. „Machen Sie mal halblang, schließlich putze ich meine Zähne regelmäßig und bei dem ganzen Gerenne mach ich mir keine großen Sorgen über meine Figur." Um ihre Worte zu unterstreichen, zeigte sie mit den Armen einmal an sich hinunter.
Der Doktor gab nur ein komisches Geräusch von sich. Es drückte seine Missbilligung aus, aber zeigte auch, dass er nicht wusste, was er drauf erwidern sollte. Er sah nämlich ein, dass sie recht hatte.
Ein langes Seufzen war von ihr zu hören. „Manche rauchen, manche trinken Alkohol und ich esse eben Skittles. Ehrlich, jetzt machen Sie mal 'nen Punkt." Er gab wieder dieses seltsame Geräusch von sich, wobei sein Kopf etwas zur Seite zuckte. Dennoch ließ er die Skittles in seinem Mantel verschwinden und die Diskussion war fürs Erste beendet.
Sie schlenderten nicht lange weiter durch den riesigen, außerirdischen Food Court, als auf einmal ein leises Pling zu hören war. Leicht überrascht schaute der Doktor zu Nina, die ihr Handy aus der Hosentasche fischte. Verwundert klappte sie es auf. Sobald sie auf das Display sah, veränderte sich ihre Miene. Unbewusst führte sie eine Faust zum Mund und kaute auf ihrem Daumennagel herum.
Der Doktor schielte unauffällig zu ihr und wollte ihr Gesicht deuten. War da Scham zu erkennen? Nina machte nichts, sondern starrte nur auf das Display und kaute an ihrem Nagel. Die beiden schlenderten weiter. Als Nina immer noch schweigsam blieb, probierte es der Doktor mal: „Irgendein Anruf, den Sie machen müssen?" Er versuchte seine Stimme im normalen Plauderton halten, doch sein Blick ruhte weiterhin auf ihrem Gesicht.
In der Zeit, in der sie nun schon zu zweit herumgereist waren, hatte sie noch kein einziges Mal irgendetwas wie Familie erwähnt. Nie hatte sie verlangt, kurz mal bei ihr zu Hause vorbei zu schauen, dass sich auch ja niemand sorgen musste. Kein einziges Mal hatte sie einen beiläufigen Nebensatz fallen lassen, in dem sie etwas von Angehörigen erzählte. Doch der Doktor hatte das Gefühl, dass seine Begleiterin weder sehr einsam war noch ihr ihre Beziehungen egal waren, er glaubte einfach, dass sie dieses Thema bewusst nicht anschnitt. Tat er es nämlich, wenn auch nur ein kleines bisschen, dann wechselte sie es wieder innerhalb der nächsten zwei Sätze. Dennoch bohrte er nicht weiter nach. Er war wohl der Mann, der am wenigsten das Recht hatte, jemanden wegen seiner Vergangenheit auszufragen, wenn derjenige eigentlich gar nicht darüber reden wollte.
„Hm?" Sie blickte auf. Als sie das abwartende Gesicht des Doktors nicht nur sah, sondern wirklich wahrnahm, ließ sie schnell wieder ihre Hand senken. „Nein, nein", antwortete sie schnell auf seine Frage, klappte das Handy zu und steckte es wieder in seine Hosentasche. „Es ist nichts. Das war... nur die Ballettschule. Sie haben mich gefragt, ob ich heute einspringen kann. Ich schreib ihnen später einfach, dass ich nicht kann." Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie wandte ihren Blick von ihm ab.
„Wieso denn? Ich kann Sie ja hinbringen und dann in ein paar Stunden wieder abholen. Ist ja nichts weiter dabei für mich." Er musterte ihr Gesicht weiterhin.
„Nein, alles gut. Ich sag' ab."
„Vermissen Sie das Tanzen nicht?"
Daraufhin kam erstmal keine Antwort. „Nein", wisperte Nina schließlich und klang dabei alles andere als überzeugend. Der Doktor war sich sicher, dass sie bei der ganzen Sache flunkerte.
„Sehen Sie mal da! Was macht das denn hier?", merkte Nina plötzlich auf und deutete auf einen bestimmten Laden.
Und da war der Themenwechsel. Innerlich seufzte der Doktor auf.
„Ich dachte, wir wären nicht mehr bei ‚Köstlichkeiten der Erde'."
„Sind wir auch nicht mehr."
„Warum kann man dann hier diese Spieße mit den klebrigen, bunten Bällchen kaufen, die wir bei Kenzo gegessen haben?" Kenzo war der beste Schwertmeister von Japan des frühen 22. Jahrhunderts. Der Doktor und Nina hatten sich recht gut mit ihm verstanden und tatsächlich das ein oder andere gelernt (zum Beispiel, dass die junge Frau einfach nicht zum Schwertkampf geeignet war.)
„Dango-Spieße?", fragte er nach, als er ihrem Blick gefolgt war. Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. „Zählen Sie doch einfach Eins und Eins zusammen. Was bedeutet es wohl, wenn ein vermeintlich menschliches Lebensmittel auf einem intrauniversellen Markt im Bereich ‚Nessanas Naschereien' zu finden ist?" Erwartungsvoll blickte er sie an.
Nina blieb stumm und meinte nach einiger Zeit nur: „Gewöhnt man sich irgendwann daran, so etwas vor die Nase gesetzt zu bekommen, oder haut einen das immer wieder um?"
Der Doktor lachte auf. „Das bleibt Ihnen überlassen."
„Und wie kommt etwas von..." Sie schaute sich kurz um, bis sie ein Schild fand, das angab, wie die Abteilung hieß. „... Nessana auf die Erde?"
„Japan ist das reinste Aliennest", erklärte der Doktor. „Sie haben ja gesehen, wie die dort so rumlaufen."
„Das waren Aliens?!"
Der Doktor fasste sich an sein rechtes Ohrläppchen. „Oh ja! Na ja, die Hälfte in etwa. Kenzo war ein Mensch" Dann grinste er wieder. „Wenn Sie wüssten, wie oft Sie früher schon Aliens begegnet sind...!" Die beiden setzten ihren Weg fort.
Sie atmete lange und geräuschvoll aus, es klang fast schon frustriert. „Okay... Sagen Sie mir bitte nächstes Mal einfach Bescheid, wenn wir einem Alien gegenüber stehen."
„Mach ich", versprach er.
„Boah, die sollten einen vorwarnen, dass man sich nicht mit vollen Magen teleportieren lassen sollte. Nächstes Mal nehme ich wieder die Achterbahn." Nina war schlecht und sie hielt sich den Bauch. „Und nein!", schloss sie direkt vehement an und hob drohend einen Zeigefinger gen Doktor. „Da waren nicht die Skittles dran schuld! Ich hab' mehr als nur das gegessen."
Er erwiderte darauf nichts, sondern meinte nur: „Sie sind gerade teleportiert worden! Es dauert an die vierhundert Jahre, bis das eine tatsächliche, legitime Fortbewegungsmöglichkeit für Menschen ist, und Sie jammern herum." Ärgernis lag in seiner Stimme.
„Da kann ich doch nichts dafür!", verteidigte sie sich, ihre Arme immer noch an ihrem Bauch. „Mir egal, wie sonderbar etwas ist. Wenn mir schlecht wird, wird mir schlecht."
„Und die Achterbahn ist mit vollem Magen besser?", konterte der Doktor mit gerunzelter Stirn. Daraufhin verstummte Nina. Wo er recht hatte...
„Wo sind wir überhaupt?", erkundigte sie sich, nachdem sie sich wieder etwas erholt hatte und begann, sich umzublicken.
Diese Frage erfreute ihn sichtlich. „‚Technologien und Naturwissenschaften', Abteilung: ‚Neuheiten'."
„Besonders kreativ sind die hier ja nicht mit den Namen", stellte sie trocken fest.
„Ja, das stimmt wohl", gab er leicht nickend und sich umschauend zu. „Vor allem im Gegensatz zum Bereich mit den Unterkünften. ‚Hotel California' klingt harmlos und einfallslos, aber..." Nina schauderte. „Das verstehen auch nur Menschen, oder?" Er grinste. „Menschen und ein Time Lord."
„Okay... und... gibt es hier etwas Bestimmtes, was Sie mir zeigen wollen?", fragte sie nach. „Nun ja, die Abteilung", erklärte er. „Mal gucken, was es so für Technologien im Universum verteilt zu finden gibt. Das Interessante hierbei ist ja auch, dass nur Produkte vorgestellt werden, mit denen ein Großteil der Wesen dieses Universums etwas anfangen kann, ansonsten werden sie aus dem Sortiment genommen."
Eine Weile blickten die beiden sich um und Nina war tatsächlich faszinierter, als sie es zuerst erwartet hätte. Es gab Gürtel, die einem die Schwerkraft nahmen, eine Uhr, die die Zeit eines jeden bekannten Planeten in diesem Universum anzeigen konnte, einzelne Robotergliedmaßen, die man sich an- und abschnallen konnte, wie man wollte (falls man mal eine ‚helfende Hand' brauchte) und noch weiteren coolen Kram. Dann gab es aber auch eine Sache so groß wie eine Streichholzpackung, das beim Antippen die Farbe verändern konnte oder eine Kugel, die in einem vorprogrammierten Kreis rollte. Nina wollte unbedingt eine Art Mischung von Chemiebau- und Zauberkasten kaufen, in der erklärt wurde, wie man Sachen vor den Augen anderer verschwinden ließ, doch der Doktor hinderte sie daran, in dem er ihr erklärte, dass das ein einfacher Wahrnehmungsfilter war, den er ihr auch basteln könnte.
Letztendlich landeten die beiden im Bereich ‚Welt der Gedanken', der sich immer noch in der Abteilung ‚Technologien und Naturwissenschaften: Neuheiten' befand.
Hier gab es wirklich interessante Dinge. Kleine, fliegende Bällchen, die jegliche gewünschte Form des Besitzers annehmen konnten, Kleidung, die ihre Farbe änderte, sobald der Träger es sich wünschte und vorstellte, und so weiter. „Wow", staunte Nina. „Das ist der Wahnsinn! Wie hat man es nur geschafft Gedanken... zu... verkörpern?" Es war nicht gerade einfach, ein passendes Wort dafür zu finden. Sie beugte sich über eine Flüssigkeit, die angeblich für jeden anders roch. Man sollte seine persönlichen liebsten Düfte wahrnehmen können. Augenblicklich wehte ihr der Duft von Weihnachtspunsch, nassem Wald und einem schwer zu definierenden Geruch entgegen. Letzterer hatte etwas Staubiges, Kühles und zugleich Warmes an sich. Nina wusste sofort, dass das der Geruch eines Theaters war. Oh, wie sie das liebte!
„Na ja", meinte der Doktor nur und schielte auf eine Maschine, die das aufschrieb, was man dachte, sobald man angeschlossen war.
Nina richtete sich wieder auf und ging zu ihm. Auf ihren Lippen lag ein glückseliges Lächeln, die Dufteindrücke hatten ihr Herz leichter gemacht. „Wem sag' ich das eigentlich? Sie haben ja Ihr Papier."
„Ich bitte Sie, diesen Kram hier kann man nicht mit meinem Papierchen vergleichen!" Gespielte Empörung schwang in seiner Stimme mit. „Das Zeug hier spiegelt Gedanken wieder, meins aber manipuliert sie. Das ist höhere Technologie!" Mit belehrenden Blick schaute er zu ihr herunter.
Sie seufzte und begab sich weiter, zu etwas Spiralförmigen, was ein seltsames Klopfen von sich gab. Nina hatte keine Ahnung, was das sein sollte und wollte es vermutlich auch nicht wissen. Der Mitarbeiter mit vier Armen und gelber Haut blickte sie bereits erwartungsvoll an, doch sie zwang sich zu einem kurzen Lächeln, ehe sie weiterging. „Für mich ist das alles hier höhere Technologie." Wehmut lag in ihrem Blick, als sie sich umschaute. „Schade eigentlich, dass das kein anderer Mensch sehen kann."
„Ach, das können sie schon früh genug", erwiderte der Doktor munter und schnippte gegen ein Windklangspiel, das augenblicklich anfing eine heitere Melodie zu spielen. „Oh", erwiderte er überrascht. „‚Eikart, der Eiskrieger'" Er strahlte, tippte dabei mit der Zungenspitze an seinen Gaumen und drehte begeistert seinen Kopf zu Nina. „Das ist ein altes Kinderlied von Gallifrey. Hat jeder gekannt. Wenn man unartig war, musste man aufpassen, dass man nicht zu den Eiskriegern auf den Mars geschickt wurde, doch wenn man Glück hat, trifft man Eikart, der ein Schwert nicht von einem Löffel unterscheiden kann." Er schaute wieder zum Windklangspiel, sein Blick war fast liebevoll. „Das muss es in meinem Unterbewusstsein gefunden haben."
Nina ließ den Time Lord in Erinnerungen schwelgen und ging einige Schritte weiter. Dann war sie bei einer Wand angekommen, doch das hieß nicht, dass hier nichts war. Ganz im Gegenteil. Außerdem erkannte sie den Schriftzug. „Das habe ich vorhin ausgeschildert gesehen", rief sie aus. „Mehrmals sogar!"
Der Doktor kam um die Ecke, als er sie hörte. „Was denn?" Dann sah er die Ausschilderung, wobei er seinen Kopf leicht in den Nacken legen musste. „Oh. Das. Ja, das ist mir heute auch schon ein paarmal aufgefallen."
Ein gewaltiges, knallbuntes Banner war über eine große Doppeltür befestigt, die, wie die ganze Grundeinrichtung hier, schneeweiß war und sich kaum von der Wand abhob, wäre da nicht das Schild ‚Eingang'. Das Banner darüber verkündete den Namen dieser Attraktion: ‚DER GEDÄCHTNISPALAST – Lassen Sie Ihre Träume wahr werden'. Zu sehen waren alle möglichen Landschaften und nicht eine einzige war mit einer irdischen zu vergleichen. Wenn es Pflanzen gab, hatten sie seltsame Formen, gab es Bilder mit wüstenähnlichen Motiven, wirkte der Untergrund glatt, fast wie bei einer Eisfläche. Auf einem Bild regnete es, allerdings keine Wassertropfen, sondern... sondern...
„Sind das tatsächlich Herzchen?" Der Doktor runzelte die Stirn. Nina verdrehte die Augen. „Ist das überall so? Dass so'n Kitsch für Werbung genutzt wird?"
Mit einem bedauernden Gesicht nickte der Doktor. „Sie müssten mal sehen auf wie vielen Planeten mit einem lachenden Weibchen für das jeweilige Produkt geworben wird. Da ist es einfach statt: ..." Er verstellte grässlich schlecht seine Stimme, da er sie wie die einer Frau klingen lassen wollte, und begann auch noch mit seinen Armen zu gestikulieren. „‚Oh, dieser Salat ist so lecker, ich kann einfach nicht aufhören zu lachen!', ein: ‚Oh, der iumbale Zaikla funktioniert so toll, ich kann einfach nicht aufhören zu lachen!'"
Alles, was er dafür bekam, war einen Schlag gegen den Oberarm. „Weibchen?!", wiederholte Nina empört, obwohl ihr belustigtes Grinsen die Wirkung ihrer Worte nahm.
„Aua!", protestierte er beleidigt und rieb sich die betroffene Stelle. „Ich hab' versucht, mich neutral zu halten. Nicht jede Lebensform bezeichnet ihre Weibchen als ‚Frauen'."
„Ja, ja, schon gut", lachte Nina auf. „Und was ist ein iumbaler Zaikla?"
„Das ist für die Porkwee, schließlich müssen die ja irgendwie ihre Saugnäpfe reinigen."
„Ah, ja, klar", kam es tonlos von ihr zurück. Sie hatte keine Ahnung, was ein Porkwee war. „Dass ich da nicht selber draufgekommen bin..."
Der Doktor setzte sich in Bewegung und wollte weiter gehen, doch Nina hielt ihm am Arm fest. „Hey! Wohin gehen Sie denn?"
Verwundert deutete er mit seinem Daumen über die Schulter. „Die Mall weiter... anschauen..." Er bemerkte ihren vorwurfsvollen Blick. „... oder etwa nicht?"
„Mich interessiert das!", setzte sie ihn vehement in Kenntnis und näherte sich bereits der Attraktion. „Kommen Sie! Nur mal gucken", forderte sie ihn auf, als der Doktor sich nicht rührte.
Mit einem Schulterzucken folgte er ihr. „Gut, solange es nichts kostet..." Nina wusste, dass es nicht daran lag, dass er ein Geizkragen war, sondern dass er einfach kein Geld besaß. Er hatte es ihr bei ihrer ersten Begegnung bereits gesagt, doch damals hatte sie ihm nicht geglaubt, sie hatte ihn ja auch kaum gekannt. Nun ja, inzwischen wusste sie es besser.
Die Wand mit dem Banner und der Eingangstür, vor der die beiden nun standen, war keineswegs eine Wand, die das Ende der Mall darlegte, es war einfach ein innerhalb des riesigen Gebäudes abgegrenzter Bereich; ein sehr großer Bereich offensichtlich, denn man konnte nicht erkennen, wo die Wand in eine Ecke überging.
Mitten auf ihren Weg zu der großen, weißen Doppeltür, blickte der Doktor suchend hin und her und drehte sich sogar einmal um sich selbst dabei. „Seltsam...", murmelte er nur.
„Was ist?", wollte sie wissen. Er runzelte die Stirn. „Hier ist keiner."
Auch Nina schaute sich um und stellte fest, dass er recht hatte. Also, selbstverständlich liefen, krochen oder schwebten hier allerlei Lebensformen umher, doch sie wusste, was er meinte. Es war überraschend, dass kein Angestellter oder Ähnliches vor dem Eingang aufzufinden war. Vor den größeren Attraktionen hatte es immer irgendjemanden gegeben, der einen ansprach und anwerben wollte. Vermutlich war das auch der Grund, warum die beiden als einzige sich für den sogenannten ‚Gedächtnispalast' zu interessieren schienen.
Mit jedem Schritt, den sie taten, zeigte das Gesicht des Doktors mehr und mehr Skepsis, doch Nina schien das gar nicht aufzufallen. Sobald sie bei der Doppeltür angekommen waren, öffneten sich die Türflügel automatisch.
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