Der Zeitdieb: Teil VIII
Er blickte zur Standuhr, sie zeigte zwölf Minuten vor Zwölf. Ihnen blieben als nicht einmal mehr eine halbe Stunde. Abermals schaute er seinem Gegenüber in die Augen. Dann seufzte er: „Zehn Minuten, mehr nicht. Doktor, ich vertraue Ihnen."
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Der Doktor arbeitete an der Standuhr, während der Rest wartete. Ben und Nina saßen auf dem Sofa, Captain Luther auf dem Sessel, Claire und Isaac standen. Es war ungewöhnlich still dafür, dass sechs Personen in einem Raum waren. Abgesehen vom Schallschraubenzieher und dem Zischen irgendwelcher Leitungen, war nichts zu hören. Jeder hing seinen Gedanken nach; die Zeitagenten dachten vielleicht an ihre verlorenen Kameraden oder an die Ausmaße die ein mögliches Versagen in dieser Mission haben könnte. In dieser Bibliothek, in der die herumwirbelnden Staubpartikel durch das einstrahlende Sonnenlicht sichtbar waren und in der Luft tanzten, schien es so friedlich zu sein. Nichts deutete daraufhin, dass sich nur wenige Fuß unter ihnen ein Behälter befand, der die halbe Galaxie auslöschen könnte.
Während die Zeitagenten nervös waren wie Ben, der mit einem Bein ungeduldig auf und ab wippte, oder wie Isaac der alle paar Sekunden das Gewicht verlagerte, war Nina erstaunlicherweise ruhig. Sie vertraute dem Doktor so unglaublich, es war möglicherweise sogar ungesund. Dass er fast zwei Monate weg war, hatte ihr verdeutlicht, wie sehr sie ihn brauchte. Insgesamt reiste sie nun schon etwa ein Jahr mit ihm, auch wenn es sich nicht so lange anfühlte. Sie konnte sich ein Leben ohne den Doktor, der Tardis und den Reisen nicht mehr vorstellen. Hoffentlich würde das nie enden.
Der Time Lord vollendete seine Vorbereitungen innerhalb der gegebenen zehn Minuten. Er machte jeden darauf aufmerksam, in dem er an einer Handvoll Kabel zog, woraufhin es laut zischte und Funken sprühten. Jeder blickte erschrocken zur Uhr, doch das begeisterte Grinsen des Doktors ließ darauf schließen, dass alles beabsichtigt war. Zufrieden nahm er mit einer Hand die Brille ab, dann zog er an den Kabeln. Sie waren viel länger, als es den Anschein hatte. Irgendwann stoppte er und die Enden waren immer noch irgendwo im Boden und somit nicht sichtbar.
Erst als er den fragenden Blick seiner Begleiterin sah, erklärte er: „Alle Kabel in dieser Uhr hier leiten auf eine andere Art Energie ab: Einige mittels Elektrizität, andere mit beispielsweise natürlicher. Ich wette, dass auf dem Dach eine Solaranlage und Windräder sind. Jede Art der Energie wird hierhin geleitet." Damit deutete er auf die Uhr. „Schließlich muss der Countdown irgendwoher wissen, wie viel noch fehlt. Alle Energie sammelt sich also in der Uhr und wird dann nach unten in den Energiespeicher geleitet. Das hier sind einige Leiter, die von jeglichen Teilen des Hauses zur Uhr führen." Mit diesen Worten hielt er die nun ungangeschlossenen Kabel in seiner Faust hoch. „Die meisten der Leiter, die noch intakt sind führen zum Speicher." Während er sprach wies er mit seinem Kinn auf die verbleibenden Kabel im Uhrschrank hin.
„Bedeutet das, dass die Maschine nun kaum Energiezufuhr mehr erhält?", versuchte Claire zusammenzufassen. Sie wartete gar keine Antwort mehr ab, sondern sprach weiter: „Das ist doch genial! Dann müssen wir nur noch die restlichen Leitungen trennen, die Wächterin ausschalten, damit sie sie nicht wieder aktiviert, und wir können gehen."
„Nein, viel zu gefährlich", widerpsrach der Doktor sofort. „Wer weiß, was passiert, wenn der tatsächliche Eigentümer dieses Behälters herausfindet, dass etwas nicht stimmt. Er könnte wieder kommen und es reaktivieren. Oder wenn eine dritte Partei die bereits vorhandene Energie findet. Alleine jetzt schon würde jemand unglaubliche Macht erhalten."
„Was haben Sie also vor?", hakte Ben nach.
„Nina und ich werden den Behälter mit einer brandneuen Energiequelle speißen. Das sollte ihn überlasten und für immer funktionsunfähig machen." Was für eine neue Energiequelle?
„Was sollen wir tun?", meldete Isaac sich und wirkte entschlossen.
„Nun ja", meinte der Doktor mit einer kleinen Spur Schuldbewusstsein in der Stimme. „Nun, da das ‚Gefäß des Lebens' abermals manipuliert worden ist, wird die Wächterin vermutlich versuchen, es wieder geradezubiegen. Anscheinend war sie schon nicht wirklich glücklich darüber, dass Sie die Manipulatoren dazu benutzt haben, um den Prozess zu verlangsamen. Deswegen... hat sie auch Ihren Freund Michael und auch Greggory..." Er brach ab und ersprarte jedem den Rest des Satzes. „Jedenfalls wird sie entweder hier oben oder unten sein. Jemand muss klarstellen, dass sie weder hier noch dort etwas unternehmen kann. Außerdem hoffe ich, dass es unter Ihnen jemanden gibt, der die Leiter an der Uhr stabil halten kann. Möglicherweise wird die neue Energiequelle bereits die Standuhr überfordern. Ich muss sicher sein, dass die Energie bis in den Speicher gelangt."
Die Agenten blickten alle zu ihrem Anführer, welcher nickte. „In Ordnung. Isaac kann sich um die Leiter hier kümmern, er war bei Michael im Training und kennt sich mit Technik aus."
„Mo...Moment", widerpsrach dieser stotternd. „Ich war im Training, Captain, ich bin noch nicht ausgebildet. Ich weiß nicht, ob..."
„Das ist ein Befehl, Isaac", fuhr Luther streng dazwischen. Die Züge eines ehemaligen Soldaten traten an die Oberfläche. „Entweder tust du es oder wir sterben alle. Nicht nur wir, unzählige Leben stehen auf dem Spiel." Der Jüngere schluckte schwer. „Aye, Captain", gehorchte er schließlich. Luther nickte knapp.
„Ich kann Ihre Vortex-Manipulatoren wiederherstellen", ergänzte der Doktor. „Die Zeit wird nicht mehr verlangsamt, aber einige Minuten haben wir durch den verringerten Energiezufluss gewonnen." Als Erklärung hielt er die Leitungen hoch. „Sie können miteinander kommunzieren und sich Bescheid geben, wenn Ann auftaucht." Abermals wurde zugestimmt.
Daraufhin packte der Doktor seinen Schallschraubenzieher und richtete ihn auf das Zifferblatt. „Sobald ich die Verzögerung deaktiviere, geht es um jede Sekunde. Na ja, so wie jetzt auch schon, aber Sie wissen, was ich meine. Machen Sie sich also bereit." Jeder hörte auf ihn und bereitete sich mental vor. Nina wusste immer noch nicht, welche neue Energiequelle ihr Freund meinte.
Es blieb keine Zeit mehr zu fragen, denn er zählte ab: „Drei... Zwei... Eins... Los!" Sofort war das Geräusch des Schraubenziehers zu hören und der Doktor beschrieb mit seinem ausgestrecktem Arm einen Kreis. Nacheinander sprangen die Vortex-Manipulatoren von der Uhr ab und landeten mit einem vom Teppich gedämpften Fump auf dem Boden.
Augenblicklich setzte sich jeder in Bewegung. Während die Zeitagenten ihre Gerätschaften griffen, nahm der Doktor Nina an der einen Hand, die Kabel hielt er bereits in der anderen und stürmte so aus dem Zimmer.
„Wohin gehen wir?", wollte Nina atemlos wissen. Rennen, Gegenständen ausweichen und über sie drüber klettern und gleichzeitig sprechen, war nicht das Einfachste. Der Doktor musste zusätzlich noch klarstellen, dass sich die kabelartigen Leitungen nicht irgendwo verfingen. Der Einfachheit halber ließen sie das mit dem Hände Halten sein. „Zur Tardis", erklärte er knapp. „Wir benutzen ihre Energiequelle." Nina war sich nicht sicher, was genau das bedeutete, aber sie fragte nicht weiter nach. Zum Einen wollte sie Atem sparen, zum Anderen glaubte sie nicht, dass eine gehetzte Erklärung des Time Lords ihr weiterhelfen würde.
So bahnten sich die beiden so schnell sie konnten einen Weg zur Eingangshalle. Die Leitungen ließen sich immer noch problemlos mitziehen. „Wie lang sind die?", meinte Nina ohne wirklich eine Antwort zu erwarten und keuchte. „Na ja, sie ziehen sich durchs ganze Anwesen", erwiderte der Doktor nur.
Als sie durch die Tür nach draußen traten, fühlte Nina sich leichter. Es war als hätte sie die ganze Zeit über ein schweres Gewicht bei sich getragen und nun war es verschwunden. Sie war so angespannt gewesen ohne es richtig zu merken. Unbewusst musste sie lächeln. Es war ein wunderbares Gefühl. Je weiter sie sich vom Haus entfernte, desto besser ging es ihr. Das war es wohl, was der Doktor gemeint hatte mit dem natürlichen Überlebensinstinkt, der einen von hier fernhalten wollte.
Sie waren nur wenige Fuß von der blauen Box entfernt, als der Doktor und somit auch Nina plötzlich stehen blieben. Die Leitungen hatten ihr Ende erreicht. Man konnte sie nicht weiterziehen. Bereits jetzt waren sie leicht gespannt „Ich will sie nicht loslassen", ärgerte sich der Doktor, „für den Fall, dass sie zurückgezogen werden." Hastig kramte er in seiner Hosentasche und fischte etwas heraus, das er Nina zuwarf. Reflexartig griff sie danach und fing es gerade noch auf. Es war ein Schlüssel.
„Für die Tardis", bat er sie. „Unter dem Gitterboden bei dem Sofa gibt es Verlängerungskabel. Ach, und..." Auf einmal lächelte er und seine Augen funkelten. „... Sie können ihn behalten. War schon lange Zeit dafür."
Ninas Herz machte einen Satz, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Trotzdem konnte sie das Grinsen nicht unterdrücken. Glücklich hielt sie den Schlüssel in beiden Händen. „Danke", erwiderte sie ehrlich und leistete dann eilig seiner Bitte Folge.
Es war das erste Mal, dass sie die Tardis aufsperrte. Sie ließ die Tür offen. Schnell fand sie den Haken, mit dem man Teile des Bodengitters herausheben konnte. Sie kniete sich neben das Sofa bei der Steuerkonsole und tat, was der Doktor ihr erklärt hatte. Das Gitter war schwerer, als es aussah, aber sie schaffte es mit Ächzen. Nun kam das nächste Hindernis: „Doktor, welches von denen? Da sind mindestens dreißig Verlängerungskabel drinnen." Und sie waren allesamt miteinander verheddert.
„Das Gelbe", rief er ihr durch die offene Tür zu.
„Da sind fünf Gelbe", erwiderte sie. „Oder ist das alles das Gleiche? Ordnung ist auch nicht gerade Ihre Stärke, wie?"
„Ich bin ein viel beschäftigter Mann", verteidigte sich der Doktor beleidigt. „Wenn Ihnen mal langweilig ist, können Sie das ja sortieren."
„Soweit kommt's noch. Das ist nicht meine Tardis!"
„Das Kabel, Nina...!"
Isaac brauchte nicht lange, um die Funktionsweise der Leitungen zu verstehen. Er konnte nicht sagen, welche Rasse sie hergestellt hatten, aber es war simpel gehalten und für jeden mit etwas Kenntnis in Physik verständlich. Er trug ein paar Gerätschaften bei sich, mit denen er beispielsweise die Fließrichtung der Energie bestimmen konnte, jedoch war das nichts im Vergleich zu Michaels Arsenal.
Das Herz des Zeitagentes zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken an seine Freunde. Vor zwei Jahren hatte seine Ausbildung begonnen und seitdem hatte das Team die Verantwortung für ihn übernommen, auf ihn aufgepasst, ihn gelehrt. Er war noch ganz grün hinter den Ohren und musste doch schon an so einer wichtigen Mission teilnehmen. Wenn er daran dachte, welche Folgen ihr Versagen haben könnte, wurde ihm schlecht.
Auch wenn er versuchte seine Angst nicht zu zeigen, wusste er, dass es ihm nicht ganz gelang. Aber er tat, was er zu tun hatte. Mit dem Captain im Rücken konnte er sich vollends auf seine Aufgabe konzentrieren. Er musste das tun, wenn er weitere Tode verhindern wollte. Und momentan wollte er nichts lieber. Er hoffte inständig, dass es Ben gut ging.
Es herrschte Schweigen zwischen ihm und dem Captain. Luther respektierte sein Bedürfnis nach Ruhe, da Isaac sich sonst unter Druck fühlte. Zwar wusste er, dass jemand bei ihm war, aber wenn ihm beim Arbeiten nicht über die Schulter geschaut wurde, half ihm das ungemein.
Außerdem musste Captain Luther wachsam bleiben. Was ist, wenn diese Frau mit den Schlüsseln tatsächlich hierher kommen würde? Isaac hatte sie noch nie gesehen, nur gehört. Und dazu kam noch diese Assoziation mit Michaels Schrei. Isaac musste zugeben, dass er eine Heidenangst vor einem tödlichen Geräusch ohne Gesicht hatte. Seine Fantasie hatte der Gestalt alle möglichen Formen gegeben und nun, da er wusste, dass es sich um eine alte Haushälterin handelte, blieb das Bild einer hässlichen Hexe mit Buckel und Hakennase in seinem Kopf. Isaac hatte als Kind Hexen gehasst.
Jedoch durfte er sich nicht von seinen Gedanken ablenken lassen. Wichtig war herauszufinden, wie er die Kabel stabilisieren sollte.
Er und sein Captain hörten das Schlüsselklirren gleichzeitig. Es war leise, sie schien also noch weiter weg zu sein. Aber sie kam auf sie zu, so viel war sicher. Erschrocken drehte Isaac sich in seiner knieenden Position um und sah Captain Luther, wie er seine Waffe gehoben und schussbereit zur offenen Tür gerichtet hatte. Er konnte den Jüngeren nicht sehen, schien aber seine Panik zu spüren. „Ganz ruhig, Isaac", gab er fest von sich. Beinahe klang es wie eine Befehl. „Mach deine Arbeit, ich kümmere mich um das hier."
Er versuchte zu gehorchen, schluckte schwer und wandte sich wieder dem Uhrkasten zu, doch sein Fokus war nun auf etwas Anderes gerichtet. Das Klirren wurde immer lauter. Verbissen wollte er es ausblenden, jedoch erreichte er nur den gegenteiligen Effekt. Je mehr er es ignorieren wollte, desto präsenter wurde es in seinen Gedanken. In seinem Kopf hallte das Geräusch wieder, forderte seine ganze Aufmerksamkeit, er nahm nichts anderes mehr wahr. In seiner Vorstellung kam die Hexe immer näher, hatte Captain Luther still und heimlich bezwungen und schlich sich nun an ihn ran. Und ehe er es sich versah, war er...
Panisch drehte er sich wieder um. Sein Herzschlag und sein Atem hatten sich beschleunigt, doch als seine unruhigen Augen sahen, dass sich nichts verändert hatte, entspannte er sich allmählich wieder, wenn auch nur ein klein wenig. Captain Luther war immer noch da und von der Haushälterin weiterhin nichts zu sehen.
Jedoch zu hören. Sie schien tatsächlich zur Bibliothek zu wollen. Isaac fühlte sich in einem Albtraum gefangen. Es war ihm lieber, wenn er sah, was vor sich ging, anstatt den Geschehnissen den Rücken zu kehren.
Gerade wollte er sich neben seinem Captain aufrichten und seine Waffe greifen, als die Haushälterin in der Tür erschien.
Isaac wurde starr vor Schreck. Sie sah nicht aus wie eine Hexe, sondern einfach wie eine sehr alte Frau. Sie benötigte eine Gehhilfe und war blind. Alles in Allem wirkte sie im 21. Jahrhundert fehl am Platz. Sie schien so... hilflos. Da er wusste, dass sie Michael und Greggory auf dem Gewissen hatte, fand Isaac diese Erscheinung noch viel gruseliger als die der bösen Zauberin aus seiner Fantasie.
„Ma'am", sprach Captain Luther mit fester Stimme. „Ich muss Sie bitten, dort stehen zu bleiben." Die Haushälterin hörte nicht und schlurfte näher. „Zwingen Sie mich nicht zu schießen!" Seine Stimme blieb fest, doch Isaac bemerkte, dass sein Captain das Gewicht leicht verlagerte. Anscheinend war ihm nicht wohl dabei eine Waffe auf eine alte Frau zu richten. Isaac konnte es ihm nicht verübeln.
„Das Gefäß des Lebens", krächzte die blinde Frau und kam noch näher. „Der Prozess darf nicht gestoppt werden." Trotz ihrer Sehbehinderung schien sie zielgerichtet zu sein. „Ihr verhindert die Rückkehr Artus." Zornesfalten bildeten sich auf ihrer Stirn und Isaac wich innerlich zurück. Er sollte aufstehen und seinem Captain beiseite stehen, aber er konnte sich einfach nicht rühren.
„Ma'am...", setzte Luther abermals an. Weiter kam er nicht. Blitzschnell hob die Haushälterin ihren Gehstock und schoss mit diesem auf den Captain. Das, was ihn in der Magengrube traf, sah aus wie ein Energiestoß. Ehe es sich die Zeitagenten versahen, traf ein weiterer Schuss in der Brust.
Captain Luther stolperte rückwärts. Isaac konnte sein Gesicht nicht sehen, aber musste genauso überrascht sein wie er selbst. Er reagierte normalerweise nie so langsam. Als auch der dritte Schuss saß, weckte das Isaac auf. Seine Schockstarre fiel ab und Angst durchflutete seinen Körper wieder.
Aber er war ein Zeitagent. Er hatte seine Pflicht zu erledigen und seinen Captain zu beschützen. Ungeschickt rappelte er sich auf und wollte seine Waffe greifen. Es gelang ihm nicht richtig, da er den Blick nicht lösen konnte.
Captain Luther wurde noch weitere zwei Male getroffen, bevor er endgültig zu Boden fiel. Er rührte sich nicht. Isaac wusste nicht, ob er nur bewusstlos oder... oder tot war. Jedoch waren die vor Überraschung geweiteten Augne des Captains, in denen jeglicher Lebensfunke erloschen war, Antwort genug. Isaacs Herz sackte in die Hose. Seine Waffe glitt durch seine schwitzigen Hände und die Haushälterin richtete ihren Energiestock nun auf ihn.
Isaacs Mund war staubtrocken. Er wollte ihn mit Spucke befeuchten, aber er schien keine mehr produzieren zu können. Sollten das seine letzten Augenblicke sein? Würde er in der Vergangenheit sterben? Es war erst seine erste Mission. Er wusste, dass er nicht der beste Absolvent in seiner Ausbildung war, aber er dachte, dass er zumindest ein paar Jahrzehnte arbeiten könnte. Captain Luther war tot und es war seine Schuld. Wenn er nicht so ein verdammter Schisser wäre, würde er vielleicht jetzt noch leben... Möglicherweise hatte Isaac den Tod sogar verdient, dachte er sich.
Die Haushälterin blickte nicht mehr wütend. Ihr Gesicht war komplett ausdruckslos. Jegliche Spur von Emotionen fehlte. Isaac war sich nicht sicher, ob ein Mensch wirklich solch eine Expression zustande brachte. Er erinnerte sich daran, wie der Doktor gemeint hatte, dass sie nichts weiter als eine Wächterin sei, die ihren Job erledigte. Isaac sah nun, was er damit gemeint hatte. Sie tat, was sie zu tun hatte, und zwar diese Uhr und den Energiespeicher mit allen Mitteln zu beschützen. Und da er nun im Weg war, musste er wohl beseitigt werden.
Hoffentlich... Hoffentlich ging es Ben gut.
Ein Schuss ertönte und Isaac zuckte zusammen. Er wartete auf Schmerz, ein Stoß, irgendetwas. Nichts dergleichen kam.
Es war kein Energiestoß zu sehen gewesen. Hatte sie ihn auf eine andere Art angegriffen? Doch wie gesagt: Kein Schmerz, keine körperliche Reaktion, nichts.
Erst jetzt sah er, dass die alte Frau angespannt war. Ein Ruck schien durch sie gegangen zu sein. Sie schwankte einen Augenblick, ehe sie vorüber kippte und scheinbar reglos liegen blieb.
Hinter ihr kam Claire zum Vorschein. Sie schien wutentbrannt. Aus dem Lauf ihrer nach vorne gerichtete Waffe dampfte es leicht. Mit einem Schlag wurde Isaac klar, dass sie ihm gerade das Leben gerettet hatte, indem sie das der Haushälterin auf wirklich feige Art beendet hatte.
Isaac war zu geschockt, um etwas zu sagen. Claire übernahm das Sprechen: „Ein Hoch auf meine Intuition." Voller Verachtung blickte sie auf die tote Frau herab. „Ich sage Ben Bescheid, dass er hierher kommen kann. Du kümmerst dich weiter um diese verdammte Uhr." Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf besagtes Objekt. Sie entschärfte ihre Waffe und nahm sie zur Seite. „Ich kann es kaum erwarten hier raus zu kommen."
Der Doktor hatte mit flinken Fingern das Verlängerungskabel an die der Uhr befestigt. Das andere Ende war unter der Steuerkonsole angestöpselt worden. Nun befand er sich mit Nina in der Tardis und betätigte wie eine Irrer allemöglichen Knöpfe, Hebel und Schalter. Die Tardis hatte sich von dem Trotzanfall, den sie nach ihrer Ankunft gehabt hatte, erholt und summte leise vor sich hin, wie sie es auch normalerweise tat. Im Prinzip war alles so wie immer und Nina musste bei diesem Anblick leise lächeln.
„Helfen Sie mir bitte Mal." Die Stimmte des Doktors riss sie aus ihren Gedanken und sie eilte einmal um die Steuerkonsole. Sie befanden sich genau an der Stelle, an der das Verlängerungskabel nun mit dem sogenannten Herz der Tardis verbunden war. „Sorgen Sie dafür, dass dieser Hebel in dieser Position bleibt", ordnete er an und deutete auf ein großes Exemplar. Nina griff ihn mit beiden Händen und lehnte sich dagegen. Noch konnte sie keinen Widerstand spüren, aber das würde vermutlich noch kommen.
Der Doktor machte um sie herum mit seiner Arbeit weiter. „Es gibt also eine Zeitagentur?", begann Nina ein Gespräch. Es fühlte sich ein bisschen wie Smalltalk an, aber sie wollte von den Agenten aus der Sicht des Doktors hören.
„Jap", erwiderte er. „Die Menschen haben sie gegründet, um das Fehlen der Time Lords auszugleichen. Sie meinen, dass es immer irgendjemanden geben muss, der über Raum und Zeit wacht." Nina fiel der leicht abfällige Tonfall auf. Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch und folgte dem Doktor mit ihrem Blick bei seinem Herumgeflitze. „Ach, und Sie meinen das nicht?"
Gespielt empört schaute er zu ihr herüber. „Wozu bin ich denn sonst da?" Daraufhin musste Nina auflachen. Jedoch musste sie einfach weiter provokant nachbohren. „Nichtsdestotrotz bedeutet das, dass Sie nicht das einzige Wesen im Universum sind, das durch die Zeit reisen kann."
„Ich bitte Sie!" Nun wirkte er ehrlich beleidigt. Das Einrichten der Steuerkonsole führte ihn zurück zu Nina. „Die Hopsen einmal hin und wieder zurück. Ich habe die Tardis." Mit einer umfassenden Armbewegung wies er auf sein Raumschiff hin. Mit der anderen Hand hielt er einen Knopf neben Nina gedrückt. „Außerdem hält sich die Zeitagentur nicht lange. Im 52. Jahrhundert wird sie aufgelöst. Der Mensch ist für eine Aufgabe mit so großer Verantwortung einfach nicht gemacht." Mit einem Ton der keinen Raum für Argumente übrig ließ und einem selbstgefälligem Grinsen zu seiner Begleiterin beendete er die Diskussion.
Den einen Knopf immer noch drückend, fasste er einmal um Nina herum, um noch einige letzte Schalter umzulegen. Seine Brust striff ihren Rücken und Ninas Herz schlug automatisch schneller. Ihr wurde warm. Sie war ganz froh darüber, dass er ihr Gesicht momentan nicht sehen konnte. Er musste noch etwas weiter greifen, sodass sie sogar sachte seine Herzen gegen ihre Schülterblätter klopfen spürte. Was für ein sonderbarer Herzschlag das doch war. Immer viermalig, bevor es eine kleine Pause gab. Ganz anders als ihrer, der gerade einen Trommelwettbewerb gewinnen wollte.
„Achten Sie auf den Hebel", mahnte der Doktor sie, während er ein letztes Rädchen drehte. Nina hatte ihre Aufgabe beinahe schon vergessen und lehnte sich gerade noch rechtzeitig dagegen, ehe sie eine große Kraft spürte, die gegen ihre Arme arbeitete. Was auch immer mit der Tardis geschah, sie wollte unbedingt diesen Hebel andersgerichtet haben. Nina ließ sie nicht. Sie drückte so verbissen dagegen, dass sie die plötzlich fehlende Nähe des Doktors gar nicht bemerkte.
Der legte blitzschnell drei Schalter auf einmal um, klopfte zweimal mit seinem Gummihammer und drückte einen letzten Knopf. Auf einmal verschwand die Kraft, die gegen Nina gedrückt hatte, und sie ließ überrascht den Hebel los. Offensichtlich war das in Ordnung, denn der Doktor hatte keine Einwände. „Sehr gut", meinte er aufgeräumt. „Das sollte den Ernergiespeicher überlasten." Allem Anschein nach floss nun Energie aus dem Herzen der Tardis über die Uhr in den Keller, obwohl man nichts dergleichen an den Kabeln erkennen konnte.
Der Doktor verließ die Zeitmaschine wieder und Nina folgte ihm. Außen blieb er kurz stehen. Missmutig betrachtete er das Haus. Ein ergebenes Seufzen wich aus seinem Mund. „Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt, müssen wir wohl noch einmal hinein."
Nina verstand seine Gefühle. Ein leichtes Schaudern lief ihr über den Rücken. „Es ist fast wie in einem Horrorhaus", meinte sie.
„Ja", stimmte er geistesabwesend zu. „Es ist das unnatürliche Wesen des Hauses, das einem eine Gänsehaut bereitet. Man weiß, dass etwas nicht stimmt und man am liebsten wegrennen sollte."
„Aber das tun wir nicht, nicht wahr?", erwiderte Nina grinsend. Sie wandte ihren Blick zu dem Time Lord neben sich. „Wir rennen nicht weg."
Auch er lächelte nun breit. „Wir rennen niemals weg." Mit diesen Worten im Kopf eilten sie zurück zum Anwesen.
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