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Das Gefühl der Einsamkeit verfolgte mich noch bis nach Hause und selbst Anton konnte das Gefühl nicht mindern. Obwohl er auf meinem Schoss saß und mich mit seinem Schnurren versuchte zu trösten, saß ich auf meinem Sofa und klickte mich durch mein Handy. Vor einer Weile hatte ich Ellie geschrieben, ob sie nicht vorbeikommen wollte, weil nur sie mir die Einsamkeit gerade nehmen konnte. Aber bis jetzt kam noch keine Antwort. Wahrscheinlich war sie mit ihren Geschwistern unterwegs oder lernte.
Ich seufzte und mein Blick glitt über den Fernseher. Darunter stand ein Bild von meiner Mutter und mir. Während ich die schlanke, braunhaarige Frau mit den ovalen Gesicht und den runden braunen Augen betrachte, wünschte ich mir so sehr, dass sie wieder hier war. Dass alles wieder beim alten war.
Meine Mutter war eine Person, mit der ich früher über alles reden konnte und die immer für mich da war. Doch durch die Arbeit war sie selten da und das wirkte sich auf unsere Beziehung aus. Seit dem Umzug sprachen wir selten über wirklich persönliche Themen, hauptsächlich nur, wie die Schule war oder was für Passagiere meine Mutter diesmal geärgert hatte. Über meine wirklichen Probleme sprach ich nur mit Ellie. Will war nicht der einzige, der etwas vorgab zu sein, was er nicht war.
Schon seit ich ein kleines Kind war, wurde ich von vielen Mitschülern gehänselt. Der Grund war mein Vater, der ein ziemliches Alkoholproblem hatte und öfter auf der Straße aufgelesen wurde. Das machte die Runde und ich durfte für die Vergehen meines Vaters zahlen. Meine Mutter war damals auch schon selten Zuhause und so war ich oft nur mit meiner Oma Zuhause, die leider oft krank war und um die ich mich dann kümmerte. Leider starb sie recht bald und mein Vater versprach, er würde in Therapie gehen, um sein Alkoholproblem zu lösen. Nach recht kurzer Zeit brach er es aber ab und griff vermehrt zur Flasche. Natürlich bekamen einige Leute das mit und schnell ging es in der Schule herum, was meinen Ruf nur noch weiter verschlechterte. Genau in dieser Zeit lernte er jemanden kennen und brannte mit ihr durch. Meine Mutter und ich entschlossen uns daher wegzuziehen und komplett neu anzufangen. Von da an ging es mir besser. Es gab keinen alkoholisierten Vater mehr, der mich wegen jeder Kleinigkeit schlug. Keine Flasche, die gegen die Wände geworfen wurden. Keine Angst zu Hause zu sein. Auch das Mobbing in der Schule war nicht mehr da, was daran lag, dass niemand davon wusste.
Ich lernte Ellie kennen und die Chemie zwischen uns stimmte vom ersten Moment an. Sie sorgte dafür, dass ich mich nicht mehr alleine fühlte. Sie half mir, meine Vergangenheit loszulassen. Ansonsten hielt ich mich freiwillig von den anderen Schülern fern. Ich hatte Angst, meine Vergangenheit würde mich deshalb doch einholen und es würde wieder von vorn anfangen. Und wenn jemand wie Susanne davon erfährt, dann kann ich mir gleich eine neue Schule suchen. Weit weg. Am besten auf einem anderen Kontinenten. Schon jetzt hielten mich meine Klassenkameraden für einen Freak, der keine Freunde finden kann. Oder will.
Eine Träne fiel auf meine Hand, die auf Antons Rücken lag und erst da bemerkte ich, dass ich weinte. Verdammt. Sofort wischte ich die Tränen weg und versuchte mich zu beruhigen. Anton maunzte leise und drückte seinen Kopf gegen mein Kinn. Sofort presste ich meine Nase gegen seinen Kopf und nahm seinen vertrauten Katzengeruch auf. Ich war so froh, den alten Mann hier zu haben. Wie oft er mich getröstet hatte, wenn es mir schlecht ging. Ohne ihn wäre ich lange verloren. Er schnurrte weiter und ich schaffte es mich zu beruhigen. Es war schon erstaunlich, was eine Wirkung Tiere auf uns hatten.
Ich nahm mein Handy wieder, welches irgendwann auf dem Sofa gelandet war und ging auf Instagram. Nach einer Weile war ich irgendwie auf den Profil von William Baker gelandet. Ich ertappte mich oft dabei, wie ich sein Profil durchschaue. Es war ein ganz gewöhnlicher Feed, wie man es von einem Teenager im Alter von 18 Jahren erwartete. Er hatte einige Bilder mit seiner Clique hochgeladen, aber auch welche, wo nur er drauf zu sehen war. Aber nichts von seiner Familie oder ähnliches.
Ganz besonders mochte ein Bild von ihm, wo er alleine auf einer Mauer saß. Ein Bein hatte angewinkelt auf der Mauer, das andere baumelte herunter und seinen Arm hatte er auf das angewinkelte Bein gestützt. Seinen Kopf hatte er zur Seite gedreht und schien etwas zu betrachten, was nur er sehen konnte. Warum mir das Bild so gefiel, war wieder dieser kaum erkennbare traurige Blick, durch den er mir erst so im Gedächtnis geblieben war. Auf dem Bild stachen auch seine hochsitzenden Wangenknochen etwas heraus und seine buschigen Augenbrauen lockten dazu, über sie zu streichen.
Ich erschrak etwas, als mein Handy plötzlich vibrierte und eine Nachricht von Ellie auf der Benachrichtigungsleiste erschien. Sie schrieb: Sorry, Süße. Ich bin heute mit Abe allein und kann nicht weggehen. Aber ich muss dir unbedingt etwas erzählen!
Abe, mit vollem Namen Abraham, war Ellies jüngster Bruder. Da ich vom schlimmsten ausgehen musste, holte ich erneut tief Luft und fragte, was passiert war. Ellie ging fast sofort wieder online und schrieb.
Ich musste Abe heute vom Kindergarten abholen und da war ein Mädchen, welches von hinten aussah wie Max. Ich bin zu ihr hin gerannt und hab sie voll glücklich angeschrien, dass ich mich freue, sie zu sehen und blaaa. Es war gar nicht Max, das war so peinlich!
Ich schmunzelte und stellte mir die Situation vor. Doch bevor ich eine Antwort schreiben konnte, änderte sich Ellies Status wieder zu schreibt.
Es ist noch was passiert.
Ich: was denn?
Als ich die nächste Nachricht las, gefror mir mein Blut in den Adern und meine Nackenhaare stellten sich auf.
Ich bin bei Michelle Coopers Haus vorbei gelaufen, die wohnen zwischen uns und dem Kindergarten. Die Polizei war davor und hat mit ihrer Mutter gesprochen. Ich bin hin und hab gefragt was passiert sei. Michelle hat heute morgen das Haus verlassen, um in die Schule zu gehen. Dort aufgetaucht ist sie aber nie.
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