28.

Um halb acht Uhr morgens sitzen wir in einem kleinen Café und frühstücken, doch sehr entspannen können wir uns nicht. Was ist, wenn dieser Kellner einer von James und Tom ist? Oder der eine alte Mann da hinten, der uns schon die ganze Zeit beobachtet? Meine Hände sind ein bisschen nass und sie zittern unkontrolliert. Nach nur zwanzig Minuten sind wir wieder weg und stehen draußen in der kühlen Vormittagsluft. René scheint nachzudenken.

"Theoretisch können wir jetzt gar nichts machen, außer uns zu verstecken."

Doch natürlich gefällt das meinem Freund nicht - es ist ihm zu langweilig - und er meldet uns für eine Kreuzfahrt auf einem kleinen Schiff an, die zwei Stunden dauern sollte. Wie schon die ganze Zeit habe ich ein sehr ungutes Gefühl. Ich weiß zwar nicht, wie weit James und Tom schon gekommen sind und wo sie überall Verbündete haben (vielleicht ja auch nur in Deutschland?), aber trotzdem sollten wir vorsichtig sein.

In fünfzehn Minuten geht die Fahrt auf dem Meer los. Ich hätte nie gedacht, dass Italien so schön sein kann, auch wenn man die ganze Zeit weiß, dass man höllisch aufpassen muss, mit wem man redet. Es wäre besser, wenn es einfach ein Urlaub sein würde mit meinem Schatz.

Insgesamt fahren zwanzig Leute mit dem Schiff mit. In jedem Alter.

Auf ein weiteres Problem komme ich drauf, als wir schon einige Minuten Schifffahrt hinter uns haben. Wenn uns hier einer unserer Feinde begegnet, können wir höchstens ins Wasser springen, weil es auf einem Schiff schließlich keinen anderen Ausweg gibt.

"Hannah, schau doch nicht so grimmig drein!", raunt mir René plötzlich ins Ohr. Ich zucke unwillkürlich zusammen.

"Ich bin nicht sauer. Ich bin besorgt."

Er legt einen Arm um mich und tut so, als ob wir ein einfaches verliebtes Pärchen wären, das sich gerade nicht in Lebensgefahr befindet. Um es noch ein wenig realistischer darzustellen, lächelt er dem gegenübersitzenden Mann zu. Er fragt etwas auf Italienisch. Er hat eine raue Stimme, so, als rauche er am Tag drei Päckchen Zigaretten. Er scheint um die sechzig zu sein und ist, glaube ich, ein Einheimischer. Ich bin ziemlich verwundert, als René auf einmal anfängt, sich mit dem Mann auf Italienisch zu unterhalten. Wann hat er denn bitte diese Sprache gelernt?! Das muss schon länger her sein. In den letzten Jahren hatte er schließlich nur ein einziges Hobby.

Als wir bereits fünfundvierzig Minuten hinter uns haben, und noch immer nichts geschehen ist, entspanne ich mich allmählich. René übersetzt mir das Gespräch mit dem Mann - der übrigens Alessandro heißt - und so wird es ganz amüsant. Er wohnt schon seit seiner Geburt hier und hat eine Familie, die aus einer Ehefrau und zwei Söhnen besteht. Die vier wohnen im Fischerdorf. (In dem wir uns gerade befinden.) Anscheinend erklärt René ihm gerade, wer ich bin, denn beide sehen mich an und lächeln. Als sie sich wieder wegdrehen, denke ich mir, wie gut René Sachen verdrängen kann. Es ist fast so, als hätten wir keine Probleme.

Nach einer Stunde wird Essen ausgeteilt. Spaghetti - typisch italienisch! Sie schmecken köstlich.

Nach dem Essen gehen René und ich ein wenig auf dem Schiff herum. Ich spähe über die Reling ins Wasser hinunter. Jetzt ist es doch noch schön geworden und die kalte Luft ist verschwunden. Mein Freund umarmt mich von hinten und verschränkt seine Hände auf meinem Bauch. Das Rauschen und Plätschern des Meerwassers lässt mich müde werden und ich schließe die Augen. Ich drehe mich Richtung Sonne und genieße die Wärme in meinem Gesicht. Auf einmal wird es wieder kühl und irgendetwas verdeckt die Sonne. Dann spüre ich auch schon etwas Weiches, Warmes auf meinen Lippen. Ich schmunzle.

Etwas später, als wir uns wieder zu unserem neuen Freund gesellt haben, teilt mir René mit, dass Alessandro gefragt hat, ob wir zu ihm nach Hause kommen wollen. Er meint auch, dass wir sicherlich eine Nacht bleiben könnten. Ich schaue meinem Freund in die rehbraunen Augen und zucke mit den Schultern.

"Vergiss nicht, warum wir hier sind."

"Schatz, er ist nett. Er würde uns niemals etwas antun, glaub mir. Sieh ihn dir doch an! So ein kleiner, lächelnder Mann, der selbst Frau und Kinder hat, würde sich doch meinem Vater nicht anschließen. Nie im Leben."

Ich seufze. "James hat auch einen Sohn. Dich. Aber okay, wie du meinst. Doch wenn etwas passiert, ist es deine Schuld", antworte ich. Ich weiß, dass es dann schon egal sein würde, wessen Schuld es wäre, wenn wirklich etwas passieren sollte.
Er grinst und gibt mir einen schnellen Kuss auf den Mund. Alessandro hat uns die ganze Zeit beobachtet. Er lächelt uns freudig an.

René erwidert die Frage des Mannes und als wir nach einer weiteren Stunde das Schiff verlassen, gehen wir gleich zu Alessandro heim. Weit weg ist es ja nicht, hat er gesagt.

Ungefähr sieben Minuten Fußmarsch sind vergangen, als wir in eine Wohnsiedlung kommen. Hier sieht es nicht recht modern aus, sondern schmutzig, alt und es riecht nach Fisch. In einer Holzhütte wohnt Alessandro mit seinen drei Mitbewohnern und einem italienischen Windhund namens Bambino. Als wir eintreten, wird es doch nicht ganz so schlimm wie ich gedacht habe. Na ja, bis auf das, dass an den Wänden überall tote Fische hängen; egal welcher Gattung. Eine kleine, rundliche Frau mit fast ganz grauem Haar und einer ziemlich großen Nase dreht sich zu uns um.

"Oh, Alessandro." Sie redet irgendwas, das ich unmöglich verstehe. Sie unterhalten sich dreißig Sekunden, in denen René und ich einfach nur dastehen. Dann drehen sich beide zu uns um und reden wieder. Aber dieses Mal antwortet René und spricht mit.

"Okay, äh. Am besten, wir gehen wieder", sagt René nun zu mir.

"Was? Warum?"

Doch er antwortet nicht und öffnet nur die Haustür, damit wir verschwinden können. Alessandro ruft uns zurück.

"Si prega di rimanere qui!"

René schaut zu dem alten Mann. "Tua moglie vuole, ma non", erwidert er.

Sie diskutieren weiter. Schließlich endet es damit, dass wir doch bleiben dürfen. Ich habe mir Alessandros Frau netter vorgestellt ... Na das kann was werden. Was ist, wenn diese Familie doch falsch ist?

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Endlich wieder ein Kapitel! :D

Wie gefällt es euch bis jetzt? (Kommentare ;) )

Was denkt ihr über Alessandro und seine Frau?

Bis bald, eure Lina_Cel_♥♥

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