RENÉ

Ich breche die Tür auf und betrete das Haus. Ich habe gehört, dass Anton einige Tage lang nicht anwesend sein wird. Sofort laufe ich in den Keller und mache den Weg frei, der zu dieser kleinen Zelle führt. Es ist nicht besonders einfach, die zweite Tür aufzukriegen, doch irgendwie schaffe ich es. Und da ist sie. Am liebsten hätte ich auf der Stelle umgedreht und wäre davongelaufen. Dieser Anblick versetzt mir einen schmerzhaften Stich im Herzen. Was hat Anton nur mit ihr angestellt? Und wie lange ist er schon weg?! Ihre Augen sind eingefallen und ihr Körper besteht nur noch aus Haut und Knochen, so spindeldürr ist sie. Ich überwinde mich zu ihr zu gehen und beuge mich langsam über ihren Körper. Ihr Kopf ist zur Seite geneigt und ihre Augen sind geschlossen, doch ich höre keinen einzigen Atemzug von ihr. Ich höre und fühle an ihrer Nase, doch ich spüre nichts auf meiner Haut. Panik überkommt mich. Ich fühle, ob ihr Herz noch schlägt, doch auch da werde ich enttäuscht. Ich schüttle meinen Kopf und rufe ihren Namen, obwohl ich weiß, dass sie dadurch nicht aufwachen wird. Schnell fummle ich in meinen Taschen herum und wähle auf meinem Handy die Nummer für einen Krankenwagen. Womöglich ist es schon zu spät, doch ich muss es einfach versuchen. Fünfzehn Minuten später trifft der Wagen ein und zu dritt bringen sie Hannah aus ihrem jahrelangen Versteck. Jetzt ist sie frei. Hoffentlich bringt es ihr noch etwas.

Ein Sanitäter fragt mich, wie ihr Name ist.

"Hannah. Hannah Weingärtner."

Der Mann vor mir runzelt die Stirn, dann scheint ihm das Licht aufzugehen.

"Ist das etwa ...?"

"Ja, das ist diese Hannah. Das Mädchen, das seit fünf Jahren vermisst wird. Ich bin einer der Entführer; es gibt noch vier andere. Ich kann Ihnen die Namen nennen, wenn es sein muss. Ich will das nicht mehr. Ich will, dass es Hannah gut geht, und dass sie endlich wieder zurück zu ihrer Familie kehren kann. Macht mit mir was ihr wollt, schließlich hab ich es verdient." Die Polizei trifft wenig später ein.