16.

RENÉ

James, Tom, Anton (der Mann, dem dieses Haus gehört) und ich haben uns rund um einen Tisch versammelt.

"Gut, also ist das Mädchen jetzt bei euch", wirft Anton ein. Es wird genickt.

"Wie lange schon?"

"Einen Monat?", schätzt James schulterzuckend. "Ich habe mir die Videos von euch angesehen. Ganz ehrlich: Das war keine gute Idee von euch, es auf so eine offensichtliche Seite zu stellen. Die Bullen werden es dadurch viel leichter haben! Wie ihr ja seht, haben sie schon eine Spur. Ich würde erstens einmal eure Gesichter tarnen, also vielleicht nur verschwommen zeigen und zweitens auf eine etwas versteckte Website stellen, die man nicht so leicht findet", erklärt Anton uns. James und Tom scheinen zu überlegen.

"Ja, da könntest du recht haben. Sollen wir die Videos löschen?", fragt James seinen jüngeren Bruder.

"Ja, es wäre besser. Hast du die Filme auf dem Computer gespeichert?"

"Ja, warum?"

"Ich arbeite als Computerspezialist und kenne mich deswegen gut mit Elektronik aus. Ich würde die Gesichter der Männer - also eure - undeutlich machen und auf eine geheimere Seite stellen. Ist das okay, wenn ich das für euch erledige?", fragt Anton. James, Tom und ich sind einverstanden. Anton schaltet gleich James' Laptop ein und öffnet die Videos. Er schaut beide an und als sie aus sind, pfeift er anerkennend. "Na, hat es Spaß gemacht?" Anton wendet sich mir zu. "Du scheinst ja ein richtiger Gott im Bett zu sein, oder? Zumindest ist das Mädel sehr gut drauf" Er zwinkert mir zu. Ich grinse und erwidere: "Vielleicht, keine Ahnung."

Unser Kollege erledigt das Ganze mit den Pornos und zeigt sie uns dann. "Ja, das ist wirklich besser. Auf welche Seite stellst du es?"

"Auf Deep-Web", antwortet Anton. "Kennst du das?" James schüttelt den Kopf.

"Das ist eine Pornoseite, auf der man sich anmelden muss, bevor man Videos anschauen kann. Außerdem kostet es etwas; das ist praktisch. Wenn man eigene Videos auf diesem Kanal hat, verdient man einiges."

"Und wie viel?"

"Mhhh ... Das kann man nicht so genau sagen. Ein nicht so bekannter Pornodarsteller verdient im Monat vielleicht zwei bis dreitausend Euro, mehr nicht. Schließlich dreht man ja nicht jeden Tag, sondern nur zweimal oder so im Monat. Und für ein Video bekommt man circa tausend Euro. Aber auf diesem Kanal verdient man für ein Video ungefähr zweitausendfünfhundert Euro oder so, weil ja die Zuschauer für den 'Eintritt' zahlen müssen", erklärt Anton.

"Na ja, recht bekannt bin ich noch nicht. Aber diese Seite, die möchte ich gerne einmal kennenlernen", sagt James begeistert. Wieder einmal ist er nur auf das Geld aus.

"Okay, dann müssen wir dich anmelden. Deine Email-Adresse, deine Handynummer, dein Name, dein Geburtstag und deine normale Adresse bitte", fordert Anton und fängt an zu tippen. Ich und Tom sehen uns derweilen im Haus um.

"Wie lange waren wir jetzt schon nicht mehr hier? Oh, mein Gott, ich habe es so vermisst", seufzt Tom und sieht mich von der Seite an.

"Ist was?", fragt er nun.

"Was soll jetzt aus Hannah werden?"

Tom sieht mich verwirrt an. "Na was soll schon mit ihr sein? Sie bleibt da unten in dem Raum und wenn wir sie bei einem neuen Video brauchen, holen wir sie. Ab und zu kriegt sie Essen und Trinken und die Hygiene ... Tja. Duschen darf sie womöglich auch hin und wieder."

"Und was bringt uns das?! Wollen wir mit dieser Methode etwa mehr Geld verdienen? Weißt du, Tom, James geht es doch nur um die Kohle, an die Opfer, die er dabei nimmt, denkt er nicht. Das macht er nicht, und er hat es auch nie getan! Und er wird es auch nie machen, wenn es ihm keiner sagt! Warum müssen wir so unser Geld verdienen? Warum können wir nicht einfach eine normale Familie sein?! Es war immer schon das gleiche. James schnappt sich irgendwelche Frauen, vögelt sie durch und stielt anschließend ihr Geld, dann haut er einfach ab. Tom, willst du, dass aus uns auch sowas wird? Na ja, leider sind wir schon so, aber wir könnten es noch ändern. Wenn ich ganz ehrlich bin: Wir schaden der Menschheit!" Mit diesen Worten lasse ich Tom stehen und laufe weg, aus dem Haus. Ich habe noch nie viel von unserer Geldverdienerei gehalten. "René! Hau jetzt nicht ab, du Feigling!" schreit mir Tom nach. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er kommt näher, bis er schließlich wieder mir gegenüber steht.

"René, ich weiß, dass du es hasst, wie dein Vater handelt, aber wie wollt ihr sonst das, na ja, du weißt schon, bezahlen? Er braucht das Geld, und eine Ausbildung hat er keine, genauso wie du."

"Halt dich da raus, verdammt nochmal! Warum bist du überhaupt hier?! Verschwinde und lass uns in Ruhe! Damals war sowieso alles besser!"

"Ist dir eigentlich klar, was ich in all den Jahren für dich und deinen Vater getan habe?! Ich hab euch Geld geliehen und ihr habt es mir nie zurückgezahlt. Ich habe so viel Geduld mit euch und was tust du jetzt? Du beschimpfst mich nur und beleidigst mich!", brüllt Tom. Sein Kopf wird rot vor Wut. Auf einmal habe ich ein schlechtes Gewissen.

"Tut mir leid. So hab ich das nicht gemeint, aber alles ist gerade irgendwie so verdreht. Hannah ist hier und..."

"Ich weiß, dass du in sie verknallt bist", unterbricht mich Tom. Ich schnappe nach Luft.

"Was? Nein! Ich steh nicht auf sie! Sie ist unsere Gefangene und unsere Marionette, sonst nichts. Ich halte nicht viel von ihr. Außerdem sieht sie nicht einmal gut aus."

"René, ich kenne dich schon ewig. Deswegen bin ich mir auch sicher, dass du für dieses Mädchen etwas empfindest", erwidert Tom und schaut mir in die Augen. Ich sehe, dass er mich nicht verarschen will, sondern dass er es ernst meint. Ich schließe kurz meine Augen, um mich zu beruhigen, dann antworte ich: "Nein. Nein, ich bin nicht in sie verliebt. Sie ist nur eine weitere von vielen."

"Okay, wie du meinst. Komm jetzt wieder ins Haus, wir müssen die Besichtigungstour fortsetzen", sagt Tom und zwinkert mir zu.

"Mach das alleine, ich brauche etwas Zeit für mich, sorry. Bis dann." Ich laufe dem Berg hinunter, den wir vorher heraufgekommen waren und komme an der Hauptstraße an. Ich laufe weiter, immer weiter, bis ich so erschöpft bin, dass ich stehen bleiben muss. Meine Lunge brennt wie Feuer. Angespannt warte ich und werde langsam ruhiger. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass ich nicht in Hannah verliebt bin, denn dazu kenne ich sie zu wenig, und mich zu gut.

HANNAH

Ich sitze verkrampft auf dem eiskalten Boden und stelle mir vor, wie eine fette haarige Spinne auf mir herumkrabbelt. Aber ich musste mich hinsetzen, weil meine Füße schmerzten. Hier drin ist kein einziges Möbelstück, also nicht, dass ihr denkt, ich sei blöd und setze mich freiwillig auf den Betonboden. Es ist so leise, dass man eine Stecknadel beim Runterfallen hätte hören können. Ich mache meine Augen zu und bete in Gedanken, dass ich so bald wie möglich zu meiner Familie zurückkehren kann. Auf dem Dachboden war es ja wunderschön im Gegensatz zu hier! Mir ist schlecht, kalt und mein Gewand ist noch immer nicht getrocknet. Wahrscheinlich erkälte ich mich. Traurig und der Verzweiflung nahe beginne ich zu weinen, bis schließlich laute Schluchzer aus meiner Kehle kommen. "Wieso kann ich nicht bei Julian sein?!", schreie ich und das Echo wiederholt meine Worte. Heulend lasse ich mich sinken, sodass ich auf dem Rücken liege. Es ist so dunkel, dass ich die Decke nicht sehen kann. Wieso kommt den keiner? Wo bleibt René? Normalerweise besucht er mich ... Außerdem habe ich schrecklichen Hunger. Irgendwann versiegen die Tränen und zurück bleibt ein Spannungsgefühl auf den Wangen. Mein Gebiss zittert ununterbrochen vor Kälte. Wie viel Grad hat es hier unten, zehn vielleicht?

Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, als endlich die Tür aufgeht und eine Gestalt erscheint.

"René?", frage ich leise und mit einem hoffnungsvollen Unterton in der Stimme.

"Anton. Warum liegst du hier so nutzlos herum?"

"Weil es keine Möbel gibt, auf die ich mich setzen könnte."

"Fresse! Ich hab dir nicht erlaubt, zu sprechen!", brüllt dieser furchteinflößende Typ. Er wirft irgendwas auf mich. Ich zucke vor Schreck zusammen, doch als ich bemerke, was er als Wurfgegenstand benutzt hat, bin ich etwas erleichtert. Ein halbes Laib Brot! Gierig beiße ich hinein und verschlinge es in wenigen Minuten.

"Deine drei 'Freunde' sind wieder zurück nach Deutschland gereist", gibt Anton plötzlich von sich.

Mir bleibt der letzte Bissen im Hals stecken, und ich muss eine Weile husten, bis meine Luftröhre wieder frei ist.

"Kommen sie denn wieder?"

"Keine Ahnung. Ich übernehme derweilen ihren Job, dich zu quälen." Er grinst und kommt auf mich zu. Ich krabble rückwärts zurück und stoße an der Wand an. Er zieht mich hoch, bis ich nur noch wenige Zentimeter von seinem Mund entfernt bin. "Und das freut mich auch." Dann lässt er mich zu Boden fallen und verlässt mit großen Schritten den Raum. Er schlägt die Tür zu und sperrt ab. Ich bin wieder alleine.

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Hey, wie glaubt ihr, geht es weiter? Und denkt ihr, dass James, Tom und René wirklich weg sind, oder dass Anton sie anlügt? Schreibt's in die Kommentare!

Bb, Lina_Cel _ ♥♥

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