Chapter Three
Ich fühl mich wie gerädert, die Nacht war eindeutig viel zu kurz. Auch wenn ich schon einige Einblicke in die Planung des neuen Anbaus hatte, das ganze Ausmass wurde mir erst bewusst, als ich dann gestern spät Abends den Ordner aufgeschlagen hatte. Und ich kann ja nicht unvorbereitet in das Treffen mit dem Architekten heute gehen.
Daher hab ich mich gestern Abend früher als sonst von meinen Mädels verabschiedet.
Mein Tattoo ist wunderschön geworden, Sami hat ganze Arbeit geleistet. Und es hat auch kaum weh getan, jetzt im Moment ist es, als wäre man hin gefallen und hätte sich eine Schürfwunde zugezogen, also gut auszuhalten. Die Folie muss noch zwei Tage drauf bleiben und dann muss ich ein bisschen Pflegecreme drauf machen und dann wird es schnell abgeheilt sein. Meine Piercings sind auch immer schnell abgeheilt.
Im Bellinis haben wir erstmal auf meine “Beförderung" angestossen, allerdings hab ich nach dem zweiten Glas lieber aufgehört.
Jetzt sitze ich mit meinem Kaffee wieder vor den Papieren und bereite mich auf gleich vor. Melody hat mir gestern Abend noch eine Nachricht geschickt, das ich ruhig erst um neun kommen soll, damit ich mehr Zeit zum vorbereiten habe. Trotzdem kann ich nicht verhindern, das mein Herz vor Aufregung rast. Gott, bin ich nervös.
Auf den Architekten bin ich auch mal gespannt. Ace...interessanter Name. Nach Nikis Schwärmereien auch ein interessanter Mann. Aber mich interessiert im Moment eigentlich nur der Eine.
Gestern haben wir beschlossen, am Wochenende mal zu versuchen, den Weg, den ich gegangen bin an dem Abend, zu rekonstruieren. Vielleicht kommt mir ja einiges bekannt vor, ein paar Anhaltspunkte, irgendwas was mir bekannt vor kommt. Im Idealfall finde ich die Strasse wieder und dann dürfte es ein leichtes sein, das Haus wieder zu finden. Ich verfluche meinen nicht vorhandenen Orientierungssinn. Wie kann man nur so blind durch die Gegend laufen, das gibt's doch gar nicht.
Ich seufze auf. Er beherrscht in jeder freien Minute meine Gedanken. Ob es ihm genauso geht wie mir? Ich würde ihn so gerne finden, nein, ich muss ihn einfach finden. So etwas hab ich noch nie erlebt, das muss doch was zu bedeuten haben, oder nicht? Vielleicht interpretier ich auch einfach zu viel in die Sache rein, wer weiss denn schon, ob das nicht einfach eine Masche von ihm war? Vielleicht verschwendet er auch einfach keine Gedanken mehr an diese Nacht. Oder er denkt, ich bin eine Schlampe, weil ich einfach so mit ihm mitgegangen bin?
Ich meine, Erzieherin hin oder her, ich bin auch nicht ohne, hab auch Bedürfnisse, die gestillt werden müssen. Und wenn der kleine, pinke Freund nicht ausreicht, nehme ich mir halt in einem Club, was ich brauche. Ein Vibrator ersetzt halt keinen Mann. Er ersetzt keine starken, rauen Männerhände, die über deinen Körper streichen, keine warmen Lippen, die Küsse auf deinem Körper verteilen und an den richtigen Stellen saugen, keine Zunge, die an deinen Nippeln lecken oder an deiner Perle...keine Zähne, die kleine, zarte Bisse verteilen...ich seufze auf, verliere mich in den Erinnerungen an meinen Santa.
Er wusste irgendwie ganz genau, welche Knöpfe er bei mir drücken muss, als wären wir total aufeinander eingespielt. Bei der Erinnerung an seine Blicke, als er meine Piercings entdeckt hat, lache ich leise auf. Aber chapo, er hat den Dreh, wie er sie zu meinem Vergnügen mit ins Spiel einbeziehen kann, schnell raus gehabt. Und welch ein Vergnügen das war. So schnell und heftig bin ich selten gekommen, wenn ich genauer darüber nachdenke, gar nicht eigentlich. Ach, er war einfach perfekt. Und seine Augen, oh mein Gott, wer hat schon solche Augen? Ich…
Das Läuten meines Handys reisst mich aus meinen Träumereien.
“ Ja,...”
“ Mina, wo bleibst du denn? Wir haben schon halb zehn, du wolltest um neun hier sein. Der Architekt kommt gleich.”
“ Scheisse, scheisse, scheisse. Ich komm sofort, Ely, sag Melody, ich geh direkt zum Anbau, ich komm nicht mehr rein vorher. Das merkt sie gar nicht. Ich komm sofort. Bin gleich da!”
Ich schmeisse mein Handy auf den Tisch und renne ins Schlafzimmer. So ein verdammter Mist, ich sitze hier blöd rum und verliere mich in meinen Träumereien und bin noch nicht mal angezogen. Oh mein Gott, jetzt aber schnell. Die Dusche muss warten, schnell eine Katzenwäsche, Jeans und Bluse an, Pulli drüber….Schuhe! Verdammt, wo sind denn meine Booties. Das kann doch nicht wahr sein, wo hab ich die denn gestern hin gekickt?
Ich renn wie ein aufgescheuchtes Huhn durch meine kleine Hütte und finde sie unter dem Küchentisch. Warum stehen die denn da?? Egal, schnell Jacke, Mütze, Schal, Tasche und den Ordner und los gehts. Ich könnte es noch pünktlich schaffen, wenn der Verkehr mit spielt.
Ace’s Pov
Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es unpünktliche Menschen. Zehn Minuten vor der Zeit, ist des Maurers Pünktlichkeit, hat mein Opa immer gesagt. Und ich sehe das genauso, lieber zehn Minuten zu früh, als zu spät. Leven und Alessio sehen das genauso, deswegen haben wir auch einen guten Stand in unserer Branche, also nicht nur deswegen, aber ich bin überzeugt, dass das auch mit ein Grund ist, neben unseren ganzen anderen Vorzügen, die wir haben.
Und warten gehört eh nicht zu meinen Stärken. Ich hasse warten. Ich hasse es wirklich. Es gibt kaum eine grössere Zeitverschwendung.
Und nicht nur, das mich der Ersatz für die süsse Niki warten lässt, nein, jetzt hat der Innenarchitekt auch noch angerufen, das er sich verspätet. Der Tag fängt richtig gut an, der erste Termin heute und direkt läuft wieder nix, wie es soll.
Grossartig! Einfach grossartig.
Ich stehe in dem Rohbau und lasse ihn auf mich wirken. Ich kann es schon förmlich vor meinem inneren Auge sehen, wie es aussieht, wenn alles fertig ist. Es wird fantastisch aussehen. Die Kinder werden sich richtig wohl fühlen hier drin.
Genervt schaue ich wieder auf die Uhr. Viertel nach zehn. Ich rufe im Büro an.
“ Ja? Gibt's Probleme, mein Freund?”
“ Wenn in den nächsten fünf Minuten keiner auftaucht, dann ja, dann gibt es Probleme. Ich steh hier ganz alleine, keiner ist da.”
“ Reg dich ab, Ace, du weisst ja nicht, warum alle zu spät sind. Warte erstmal die Erklärung ab, bevor du gleich los polterst.”
Er kennt mich viel zu gut, aber das ist auch gut so. Er bringt mich immer runter, wenn ich auf 180 bin.
“ Kann man denn nicht zeitig losfahren? Wo ist denn das Problem? Das ist unprofessionelles Verhalten, wenn wir auch so arbeiten würden…”
“ Tun wir aber nicht und deswegen sind wir auch gut. Warte noch ein paar Minuten und reg dich ab…”
“ Herr Hamilton? Sind sie hier irgendwo? Hallo?”
“ Ach, da ist sie ja endlich. Na, die kann was erleben, fast zwanzig Minuten zu spät. Bis später Bro.”
“ Ace, mach keinen Scheiss.” hör ich Leven noch sagen, leg aber auf.
Jajaja, ich weiß schon, wie man sich professionell verhält, nicht so wie manch anderer hier.
“ Herr Hamilton? Sind sie noch da?”
Was sie wohl tut, wenn ich mich nicht mucke?
“ So ein verdammter Mist, verdammt, verdammt, verdammt. Bestimmt sind die schon weg. Ganz toll gemacht, Mina. Ganz toll. Super Eindruck hast du hinterlassen. Oh man. SCHEISSE!”
Ich kann ja nicht mehr. Für eine Erzieherin flucht die Gute aber ganz schön viel. Ich muss mir ein lachen unterdrücken.
“ Ähem.”
Ich räuspere mich, um mich dann doch mal bemerkbar zu machen und muss grinsen, als ich sehe, wie sie zusammen zuckt vor Schreck.
Doch dann dreht sie sich um und mir bleibt das Grinsen im Hals stecken. Hola die Waldfee, DAS ist eine Erzieherin? Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, sie ist wunderschön. Sie gehört für mich auf das Cover einer Zeitschrift oder auf einen Laufsteg, nicht in einen Kindergarten.
“ Herr Hamilton, oh mein Gott, es tut mir so leid, das sie warten mussten, das ist so unprofessionell, ich kann es gar nicht leiden zu spät zu kommen, das ist furchtbar, ich weiss auch gar nicht, wie ich das wieder gut machen kann...ich"
“ Stop. Bitte, stop. Es ist alles in Ordnung, ich bin selber gerade erst gekommen. Alles okay, ganz ruhig.”
Selber gerade erst gekommen? Was erzähl ich denn da?
“ Ok. Ok. Danke. Hach, ich dachte schon, ich wäre so spät, das alle schon weg wären. Und das ausgerechnet heute. Puh, Glück gehabt. Ach Mensch, wo sind denn meine Manieren. Darf ich mich kurz vorstellen? Mein Name ist Mina Dräger und ich bin die Vertretung von Niki. Sie ist leider krank.”
“ Sehr erfreut, nennen sie mich doch Ace.”
Sie strahlt mich an und es ist, als würde die Sonne aufgehen.
“ Sehr gerne, Mina.”
Als ich ihre ausgestreckte Hand in meine nehme, durchfährt mich ein Kribbeln. Sie schüttelt sie und lacht mich an und zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich vor einer Frau und weiß nicht, was ich sagen soll.
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