☁︎ Wolke 3 ☁︎

„Es soll ein ganz besonderer Tag für uns beide werden und unsere Liebe besiegeln."

Bastis Blick war so voller Lügen, so tief und schlammig wie der Boden eines Teichs. Es ekelte Leona regelrecht an, so von ihm angesehen zu werden. Nicht, dass sie es sich nicht gewünscht hätte. Doch nicht in diesem Kontext, so voller Lügen, so schleimig von seinen hohlen und ausgelutschten Phrasen. So widerlich süß, so demütigend erfunden. Und mit dieser verdammten blonden Perücke auf dem Kopf.

„Sie beide sind noch ziemlich jung ...", bemerkte die Verkäuferin und bedachte Leona mit einem besonders langen Blick.

„Das höre ich oft. Ich nehme es als Kompliment", lachte Leona die Bemerkung weg. Die dunkelbraunen Augen beherbergten einen messerscharfen Verstand, das merkte sie. Es war eine schlechte Idee gewesen, hierher zu kommen. Zumindest als sie gesehen hatten, dass nur eine ältere Verkäuferin da war, hätten sie den Rückzug antreten müssen. Mehr Lebenserfahrung hieß mehr Argwohn. Mehr Aufpassen. Mehr Risiko. Und die Frau kam Leona die ganze Zeit, seitdem sie das Juweliergeschäft betreten hatten, schon ziemlich unentspannt vor.

„Man spürt es, wenn man füreinander geschaffen ist", sagte Basti und griff sanft nach Leonas Hand. Die Alte war eine harte Nuss, das war zu erwarten gewesen. Je mehr man erlebt hatte, desto mehr war man gefasst. Er musste einen Gang höher schalten. Seine Finger strichen zärtlich über die von Leona. Aber es fühlte sich einfach nur so an, als würde man einen Handschuh in der Hand halten. Basti fühlte rein gar nichts. Trotzdem projizierte er ein turbeltäubchensüßes Bild an die Wand des Juweliergeschäfts. Er konnte gar nicht dick genug auftragen.

Eine Wunderkerze brannte laut knistern in Leonas Bauch. Das hatte er noch nie gemacht. Händchen gehalten. Er verschränkte seine Finger mit Leonas und tauchte wieder in ihre Augen ein. Dann beugte er sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf den Mund, um sein Argument vor der Verkäuferin zu untermauern. Aus dem Augenwinkel sah Leona, wie diese peinlich berührt ihre Brillengläser am Zipfel ihrer Bluse putzte. Basti nahm seine Hand wieder weg, doch nicht ohne etwas in der von Leona hinterlassen zu haben.

„Sie ist einfach genau die Richtige für mich", schwärmte Basti mit einer Stimme, die Leona bei ihm noch nie gehört hatte.

„Und er für mich", stieg Leona mit ein, nur ihre Stimme hörte sich seltsam hölzern und hohl an. Sie räusperte sich und schaute die Verkäuferin an, die sich sichtlich wünschte, dieses knutschende Pärchen möge den Laden endlich räumen.

„Sie verstehen sicher, dass es etwas ganz Besonderes sein soll", fuhr Basti fort und wischte sich wie nebenbei den Lippenstift von Leona aus dem Gesicht. Den hätte sie ruhig weglassen können, aber wenn man so etwas Vielversprechendes in Aussicht hatte, schadete es nie, dick aufzutragen.

„Ja ... ja, natürlich ...", entgegnete die Frau verunsichert und stellte ein Kästchen mit Eheringen in verschiedenen Modellen vor den beiden auf den Tresen. Leona würde die Aktion am liebsten sofort abbrechen. Es waren Kameras im Laden. Sie war wenigstens verkleidet, aber Basti? Es war der pure Wahnsinn.

„Oh, wie wär's mit diesem hier, Liebling?", fragte Basti und nahm einen goldenen Ring heraus, der aufwändig gestaltet war. Er hielt ihn Leona hin und als sie ihn annahm, berührten sich ihre Finger. Es fühlte sich an wie ein Elektroschock. Leona konnte nicht sagen, ob es schön oder schlecht war.

„Ja. Der ist wirklich etwas ganz Besonderes ...", murmelte sie. In dem Moment läutete ein Telefon. Unsicher schaute die Verkäuferin von dem Nebenraum zu dem Pärchen und wieder zurück.

„Ich ..."

Geh doch, dachte Leona sich. Sie gab sich Mühe, so zu wirken, als sei sie ganz versunken in die Betrachtung des Rings. Das Telefon klingelte unablässig weiter. Die Frau wollte die beiden nicht allein lassen, das spürte Leona. Das Telefon verstummte und die Verkäuferin entspannte sich wieder. Doch keine paar Sekunden später setzte es wieder ein. Das musste etwas Wichtiges sein.

„Einen Moment nur ...", entschuldigte sich die Verkäuferin und eilte in den Nebenraum. Kaum hatte sie den beiden den Rücken gedreht, nahm Leona sich das einfachste Modell heraus und tat, als würde sie die Vollendung der runden Form studieren, wobei sie sich nur für den kleinen Stempel in der Innenseite interessierte. 750, Leonas neue Glückszahl. 

Sie drehte sich, denn sie hatte die Kamera schon ausfindig gemacht. Nun stand sie mit dem Rücken zu dem digitalen Überwachungsauge und tat, als würde sie Basti den Ring zeigen. Dabei ... upsi ... rutschte er ihr beinahe aus den Fingern. Schnell glitt er in ihren Ärmel und aus der Hand am ein anderer hervor. Messing vergoldet, aber von der Form her sehr ähnlich. Als die Verkäuferin sich mit dem Hörer in der Hand zu den beiden drehte, war alles schon vorbei.

Es ging so schnell und flüssig dank Bastis Planungstalent und seiner exorbitanten Kreativität. Perfekt. Alles war so perfekt, dass er leichtsinnig wurde. Er hatte auf eine Verkleidung verzichtet. Fast. Statt der Lederjacke trug er eine Collegejacke. Das machte einen anderen Eindruck als das zerschlissene schwarze Teil, das er aber einfach nicht entsorgen konnte. Erfolg konnte leichtsinnig machen, aber Basti konnte es sich erlauben. Warum Leona dann verkleidet war? Sie hatte Angst, erkannt zu werden. Sollte sie sich doch jedes Mal die blonde Perücke überziehen, Basti störte das nicht. Es stand ihr sogar.

„... so etwas führen wir hier nicht. Das müssten sie sich individuell anfertigen lassen ...", erklärte die Verkäuferin am Telefon und warf beunruhigte Blicke in den Verkaufsraum. Leona steckte den ersten Ring wieder zurück und nahm einen anderen heraus, der mit einem Diamanten gefasst war. Den hätte sie viel lieber mitgenommen, doch das Duplikat, dass sie auf Risiko mitgenommen hatten, war ein sehr gängiges Modell. Einfach, ohne Schnickschnack, ohne Gravur, ohne Stein. Es war alles pures Risiko. Schiefgehen konnte viel, wenn man Dinge jenseits des Legalen tat. Aber in dem Moment, in dem Leona das kühle Gold an ihrem Arm spürte, gab ihr das einen Kick. Sie hatte ihn, jetzt mussten sie noch irgendwie hier rauskommen.

„Ja, genau, vierzehn Karat entsprechen 585er Gold", klärte die ältere Frau mit drängendem Unterton die Person am anderen Ende der Leitung auf. Die ganze Zeit über behielt sie das Pärchen im Auge, doch etwas Verdächtiges schien sie nicht zu bemerken. Nach einer Weile hatte sie die Person schließlich abgewimmelt.

„Haben Sie etwas gefunden?", fragte sie leicht genervt.

„Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, aber ich denke, wir müssen noch eine Nacht darüber schlafen ... hach, wir zwei haben ein bisschen andere Vorstellungen vom perfekten Ring", säuselte Leona und bedachte Basti mit einem erzwungen romantischen Blick. Der lachte und zuckte verlegen mit den Schultern.

„Tja, ich hatte es mir auch einfacher vorgestellt, aber bei der tollen Auswahl ..."

Ein kleines Lächeln huschte über das dezent furchige Gesicht der Verkäuferin. Es hatte lange gedauert, aber jetzt hatte Basti sie mit seinem Charme. Jetzt hatte er sie doch, so wie er jede bekam. Auch Leona, selbst wenn sie es nicht zugeben wollen würde. Leona steckte den Diamantring zurück. Nach einem Blick der Verkäuferin in das Kästchen wurde selbiges wieder geschlossen und das Paar verabschiedet. Und damit auch rund eintausend Euro.

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