[30] 30|Dienstag
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Beim Aufwachen dreht sie sich herum, aber keine Alice ist zu spüren. Nun weiß sie, was Alice gestern meinte. Sie vermisst es, sich am Morgen im Bett noch einmal an sie zu schmusen, um dann mit diesem wohligen Gefühl aufzustehen. So muss sie ohne diesem auskommen, steht auf, schmeißt sich ihren Morgenmantel über und schlendert ins Badezimmer. Auf dem Weg dorthin ruft Alice ihr ein 'Guten Morgen' zu. Freude steigt in ihr auf. So lange hatte sie sich nicht mehr wohl mit jemandem fühlen können. Sie ist glücklich. Vom Badezimmer aus folgt sie dem Duft des Cafés und den frisch gebackenen Croissants. Alice ist zu gut, denkt sie sich freudestrahlend dabei. Aber sie nimmt die Croissants gerne an.
Festgestellt haben sie für sich, dass sie ihr Frühstück gemeinsam gut und gerne genießen, so wie es vorher mittags im Le Petit gemacht haben. Dass der Rest sich ergeben wird, darin haben sie einfach Vertrauen und werden darüber sprechen, wenn sie etwas für gut befinden oder verändern möchten. Genauso haben sie vereinbart, dass sie sich zunächst getrennt Vorstellungen fürs gemeinsame Wohnen notieren und dann zusammen darüber ins Gespräch kommen mögen.
„Hast du Lust zu malen?", fragt Ronja.
„Klar, wieso nicht? Aber fragst du mich das nur, weil ich jetzt hier bin oder weil du mit mir malen möchtest? Du weißt, dass du trotzdem auch weiterhin Sachen alleine machen kannst oder? Du musst dich mir gegenüber nicht verpflichtet fühlen."
„Alice ... Ich male sehr gerne mit dir. Und ich weiß, dass ich nicht meine komplette Freizeit mit dir verbringen muss. Aber gerade möchte ich ganz viel mit dir verbringen und bestimmt wird es auch andere Phasen geben, so wie es üblich ist, denke ich. Du darfst natürlich auch Nein sagen. Wir haben uns doch gesagt, dass wir direkt darüber sprechen, wenn irgendetwas nicht passt. Hm?"
„Ja tut mir leid. Das war wieder ..."
„... Dein Minder-Ich?! Aber du weißt ja, dass ich dich nicht so betrachte. Dienstags ist übrigens mein Mal-Tag. Also meistens."
„Okay."
„Und heute habe ich Lust mit dir zu malen. Also?"
„Na worauf wartest du?"
„Geht doch." Ronja lacht.
Ronja möchte gerade hinein gehen, als ihr einfällt, dass sie weder am Samstag eine Bestellung aufgegeben, noch gestern eine abgeholt hat. Genug vorhanden, um jetzt malen zu können, ist dennoch glücklicherweise.
Ronja holt zwei Staffeleien und die Farbpalette, Alice die Tüte von motley's, die Ronja vom letzten Mal noch gar nicht richtig ausgepackt hatte.
„Wofür steht das Rot in der Regenbogenflagge noch einmal?", fragt Alice hibbelig nach.
„Das steht für Leben."
„Das Blau für Harmonie. Und Gelb?"
„Für das Sonnenlicht und die Freude."
„Danke."
„Kein Problem. Habe ich mir auch erst nach Elmars Rätsel richtig merken können", antwortet Ronja schwelgend sowie erinnernd zurück, bevor ihr die nächste Frage direkt in den Sinn kommt. „Ist denn dein Bild für unsere Wohnung gedacht?"
„Ja, ich musste ans Baby denken und wollte etwas, was es willkommen heißt."
„Oh, wie schön." Ronja steigen ein paar Tränen in die Augen.
„Ich glaube aber, dass deine Gelbtöne jetzt doch zuneige gehen. Soll ich mal zu motley's gehen?" Alice geht zur Tüte, um einmal diese dann mitzunehmen, aber auch um die Rechnung wegen der Adresse herauszuholen. Dabei entdeckt sie auch etwas anderes. „Weißt du noch mehr über die Stellenausschreibung bei motley's?"
„Ach stimmt ja. Das habe ich schon wieder vergessen. Wäre das etwas für dich?"
„Kann ich mir schon vorstellen. Die Arbeit im Le Petit und Michel als Chef ist super, aber für mich ist es, glaube ich, nichts mehr. Ich fühle mich dort nicht mehr zugehörig, also der Arbeit."
„Ja, dann frag Pat doch gleich mal nach dem Job. Das wäre doch super."
„Weißt du denn vielleicht noch mehr darüber?"
Ronja erzählt ihr, so gut sie sich erinnert, was Pat ihr gegenüber aussprach. Alice scheint richtig begeistert und saugt alle Informationen auf. Kurz darauf springt sie auf, zieht sich um und möchte sich auf den Weg machen.
„Ich wünsche dir viel Erfolg, aber auch Freude. Und ich hab dich gewarnt, Pat ist super drauf, aber auch verwirrt."
„Danke. Bis später."
Da Alice nun zum motley's sich vorstellen geht, spaziert Ronja heute alleine zum Hafen. Währenddessen drückt sie ganz feste die Daumen für Alice.
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„Hallo Ronja."
„Hey Elmar."
„Alice heute zu Hause geblieben?"
„Nein, sie hat ein Vorstellungsgespräch für eine neue Arbeit."
„Und wo?"
„Im Kunstladen motley's. Kennst du den?"
„Ja. Da bin ich schon gewesen."
„Ich kaufe da mein Zubehör für das Malen. Wie findest du den Laden?"
„Chaotisch."
„Ha, ja das kann sein. Ich bestelle meistens per E-Mail und kann das dann bei Pat vorne abholen. Das Chaos ist aber einer der Gründe, warum Pat jemanden sucht."
„Also soll Alice dann Ordnung machen?"
„Ja, eine Ordnung schaffen, die auch bleibt und Verkauf."
„Pat braucht mehr Ordnung."
„Dann hoffen wir mal, dass es für Alice klappt."
„Ja. Grüß sie von mir."
„Das mache ich."
„Bis morgen Ronja."
„Bis morgen Elmar."
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Auf dem Weg zurück nach Hause wird Ronja bewusst, dass die beiden sich noch gar nicht über ihre Arbeitszeiten unterhalten haben. Ronja braucht Ruhe. Zudem ist sie aus datenschutzrechtlichen Gründen dazu verpflichtet, einige Dinge zu beachten. Alice kann sich nicht im Wohnzimmer oder auf der Terrasse aufhalten. Zu Hause angekommen ist sie erleichtert, dass sie es ihr nun nicht in Windeseile erklären muss. Sie setzt es jedoch schnell als Punkt auf ihr Memo für den Umsetzungswunschplan, den sie morgen anfangen wollen, zu besprechen. Danach beginnt sie mit ihrer Arbeit.
Mittendrin hört sie die Wohnungstür aufgehen, aber es kommt keine Alice ins Wohnzimmer hinein.
Zwischen den Telefonterminen und der offenen Sprechstunde legt Ronja eine kurze Pause ein.
„Alice?"
„Ja, ich habe es mir einfach im Schlafzimmer bequem gemacht. Ich weiß doch, dass du arbeitest."
„Das ist mir erst vorhin eingefallen. Wir haben gar nicht darüber geredet. Das sollten wir wohl noch machen oder?"
„Können wir ja mit dem anderen verbinden, wenn wir über unsere Umsetzungswünsche quatschen. Ich habe es mir hier mit einem Buch gemütlich gemacht. Alles gut."
„Bekomme ich noch einen Kuss, bevor ich wieder an die Arbeit muss?"
„Ronnie, als würde ich dir diesen je verwehren."
„Ronnie? Gefällt mir, meine Al."
Alice steht lachend auf und zieht Ronja an sich heran.
„Al gefällt mir auch. Besser als Schatz oder Süße oder so etwas."
„Gut. Finde ich auch."
„Ich habe auch neuen Café gekocht."
„Du bist die Beste."
Ronja befüllt ihre Tasse neu und verschwindet wieder an ihren Arbeitsplatz.
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Nach der Dokumentation der Telefonate, es ist 18:46 Uhr, macht Ronja Feierabend. Sie schaltet den Computer aus, saugt einmal frische Luft auf der Terrasse ein und sagt Alice Bescheid, dass sie Feierabend hat.
Sie setzen sich gemeinsam auf die Terrasse und Alice berichtet von ihrem Gespräch mit Pat bei motley's. Pat ist direkt von Alice und ihrer Leidenschaft und ihrem Organisationstalent begeistert gewesen, sodass er ihr unmittelbar die Stelle anbot, die sie aus dem Gefühl heraus annahm. Wie viele Stunden die Woche und an welchen Tagen und welche Aufgaben möchte Ronja wissen.
„Ronnie, ganz ruhig. Du bist ja aufgeregter als ich."
„Ja, ich freue mich so für dich. Also?"
„Ich habe gesagt, dass ich zwanzig Stunden die Woche auf drei Arbeitstage verteilt haben möchte. Die Wochentage werden wir noch besprechen. In erster Linie werde ich Ordnung in den Laden bringen sowie ein System dazu erstellen. Ansonsten Verkauf, Bestellungen, Beratungen, alles, was so anfallen kann."
„Wie schön. Das freut mich. Und ab wann?"
„Ich muss erst einmal beim Le Petit kündigen, das werde ich bis Freitag regeln. Und da meine Krankmeldung nur noch diese Woche läuft, kann ich ab Montag anfangen. Pat muss das für sich noch klären, ob er mich zum 05.06. oder lieber zum 15.06. einstellen möchte wegen der Finanzen und dem Bürokratischen."
„Bis wann weißt du Bescheid?"
„Ich gehe morgen zum sogenannten Probearbeiten hin. Also er möchte mich dann schon einmal durch den Laden führen. Und er wollte es mir bis morgen schon sagen können, damit ich auch wegen der Kündigung und Krankmeldung Bescheid weiß."
„Okay schön, dass Pat da mitdenkt. Und ... Hm ... Hast du ihm von der Schwangerschaft erzählt?"
„Ja, ich wollte einfach mit offenen Karten spielen. Es gibt ja dann nur Pat und mich. Für ihn ist es kein Problem, dass ich dann in ein paar Monaten für kurze oder auch längere Zeit, je nachdem, wie wir das regeln werden, ausfalle. Er meinte sogar, dass ich das Baby auch ab und zu mit in den Laden zur Arbeit bringen kann."
„Wow, ja Pat ist echt super."
„Ein guter Chef und Mensch, denke ich. Deswegen habe ich auch Ja gesagt."
Mittlerweile ist es schon recht spät geworden. Sie essen Abendbrot, was Alice liebevollerweise bereits vorbereitet hatte und gehen dann ins Bett.
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