[29] 29|Montag

Wieder breitet sich ein Lächeln auf Ronjas Gesicht aus, da Alice neben ihr im Bett liegt. Eine wohlige Wärme durchströmt sie. 

Nachdem Woody ankam und ihre Hausschuhe prüfte, erhebt sich Ronja ganz leise, um Alice noch ihre Ruhe lassen zu können. Als sie aus dem Schlafzimmer heraustritt, zieht sie die Tür vorsichtig ran. Sie macht sich frisch und geht mit ihrem Laptop auf die Terrasse. 

Ihr fiel gestern bereits Elmars Mail ein, sie hatte dies aber völlig aus den Augen verloren. Sie hört sich diese jetzt an. Er ist außergewöhnlich


Hallo Ronja. 
Wenn du heute nicht dran denkst. Das ist okay. 
Ich weiß, du bist gut. 
Deine Beschreibung von Mut kann ich verstehen. Sehr gut. 
Auch deine Impressionsweise. 
Mein Bild zu Mut: 
Ich tue etwas, weil es gut ist. Nicht böse. Ich tue etwas, weil es hilft. Nicht schadet. Ich tue es, auch wenn ich Angst habe. Weil es richtig ist. Nicht falsch. Weil es getan werden muss. Oder ich tue etwas nicht. Die gleichen Gründe. Kann leise und laut sein. 
Ist Angst für dich gut oder schlecht? 
Meine nächste Mail sende ich am Donnerstag, den 01.06.. 
Danke. 
Viele Grüße. 
Von Elmar. 


Hallo Elmar. 
Tatsächlich kam ich erst eben dazu, mir deine Mail anzuhören. 
Deswegen antworte ich dir auch erst jetzt. 
Dein Bild von Mut gefällt mir sehr und ich kann es sehr gut verstehen. 
Allgemein ist Angst weder das eine noch das andere. Also weder schlecht noch gut. 
Ich denke, es gibt gute, aber auch schlechte Angst. 
Wieder: Es ist Impressionsweise. 
Angst kann dich aufmerksam und achtsam machen. 
Angst kann dich aber auch hindern, Dinge zu tun, die du machen möchtest. 
Aus Angst habe ich beinahe Alice meine Gefühle nicht gesagt. Das wäre schlecht gewesen. 
Aus Angst und Sorge bleibe ich aufmerksam, damit ich nicht unachtsam über eine Straße laufe.  Das ist gut. 
War das auch verständlich beschrieben? 
Was ist Angst für dich? 
Ich danke dir auch. 
Viele Grüße. 
Von Ronja. 

◦◦◦◦◦◦

Alice kann Gedanken lesen, glaubt Ronja, als ihr eine Tasse hingestellt wird, von der ein wunderbar angenehmer Duft nach oben steigt. 

„Guten Morgen." 

„Guten Morgen. Da bist du einfach ohne mich aus dem Bett gekrochen." 

„War das so schlimm? Ich wollte dir noch ein wenig Ruhe gönnen. Und ich hatte Elmars Mail gestern vergessen." 

„Nein quatsch. Nur ein bisschen schade. Keine Ronja mehr neben mir, an die ich mich schmiegen konnte, als ich aufwachte." 

„Dazu haben wir im Gesamten noch eine Menge Zeit." 

„Du, Ronja. Ich hab noch eine Frage." 

„Ja klar, schieß los." 

„Was bin ich hier?" 

„Was meinst du?" 

„Wie frei darf ich mich hier fühlen?" 

„Ah. Oh, tut mir leid, Alice. Daran habe ich gar nicht gedacht. Also ein weiterer Schlüssel hängt vorne bei der Tür, den bekommst du natürlich. Und falls du deinen mal vergisst oder so, Joe hat einen Ersatzschlüssel." 

„Ähm ... Danke. Also wirklich. Aber eigentlich meinte ich noch etwas anderes." 

„Dann bitte erkläre es mir. Vielleicht bin ich gerade zu doof." 

„Als was bin ich hier? Dein Gast? Oder ..." 

„Ich meinte doch gestern, dass ich mich freuen würde, wenn du bleibst." 

„Ja, ich bin doch hier." 

„Ich meinte nicht nur für gestern." 

„Ach so. Also ..." 

„Ja Alice." 

„Danke." 

So sitzen sie noch einen kurzen Moment in ihrer Freude darüber auf der Terrasse, bevor sich Ronja auf den Weg zu Joe macht. 

◦◦◦◦◦◦

„Guten Morgen meine Liebe." 

„Guten Morgen Joe." 

„Wie, das wars?" Deswegen auch das Liebe ... Ja ja. 

„Was meinst du genau?" 

„Tu nicht so. Ich will Einzelheiten. Ich sehe es dir doch an." 

„Aha. Was siehst du mir denn an?" 

„Dein freudiges Lächeln verrät dich Ronja. So langsam kenne ich dich ganz gut." 

„Ja okay." 

„Also?" 

„Bekomme ich erst einmal bitte meinen Café?" 

„Ist schon fertig. Also?" 

Joe bringt ihr ihren Café und sie erzählt ihm von den vergangenen Tagen mit Alice. Er fragt und fragt und sie erzählt und erzählt. Aber es macht ihr richtig Freude davon zu berichten. Es ist einfach wunderschön. 

„Dafür möchte ich aber ein großes Dankeschön." Joe lacht dabei. 

„Keine Sorge. Alice sagte bereits, dass wir uns bei dir und Elmar dafür bedanken müssen." 

„Na dann ist ja gut. Nein, mal Spaß beiseite. Ich freue mich für dich." 

„Danke Joe." Ronja schnappt sich Joe und gibt ihm eine feste Umarmung. Sie ist ihm wirklich dankbar, er hat sie unterstützt, ermutigt und für sie daran geglaubt, bis sie es selbst konnte. 

Dann geht sie weiter zum Park und setzt sich dort mit ihrem restlichen Café auf die Bank. Klick. Die Uhr sagt, es ist 11:08 Uhr. Sie bleibt noch etwa eine halbe Stunde dort sitzen.  

Ausgeruht und mit einem Wohlgefühl macht sie sich auf den Weg zum Hafen zu Alice und Elmar. Mit Alice hatte sie vorhin abgemacht, dass sie gegen 10:30 Uhr losgehen wird und sich mit Elmar treffen möchte und Ronja nachkommen wird. 

Dort angekommen hört sie die beiden im fröhlichen Ton miteinander quatschen. 

„Hallo ihr beiden." 

„Hallo Ronja." 

„Hey du." 

„Habt ihr euch schön unterhalten können?" 

„Ja, Alice weiß auch ganz viel." 

„Und Elmar ist sehr intelligent." 

„Ja das weiß ich, also von euch beiden." 

„Ihr geht zur Beratungsstelle. Richtig?" 

„Ja genau." 

„Okay. Bis morgen Ronja. Bis bald Alice." 

„Bis morgen Elmar." 

„Bis bald Elmar." 

◦◦◦◦◦◦

Bei der Beratungsstelle angekommen, bleibt Ronja dieses Mal direkt draußen und Alice geht hinein zu ihrem Termin bei Frau Winter. Ihre Spannung und Aufregung ist dieses Mal noch gewaltiger. 

Was wird besprochen? Wird es auch um mich gehen? Um das Kind? Welche Rolle werde ich eigentlich das Kind betreffend spielen? Es gibt noch so viele Fragen zu klären. Ganz ruhig, denkt sie sich und erinnert sich erneut an ihre Atemübung. 

Sie überlegt sich, wie ihre Wohnung umgestaltet werden könnte. Sie hat oder sollte sie zukünftig sagen, sie haben eine Dreizimmerwohnung. Es gibt das Schlafzimmer, das Wohnzimmer und ein drittes Zimmer, das Ronja gar nicht nutzt. Sie geht da tatsächlich nie hinein. Früher dachte sie, sie würde dort ihren Arbeitsbereich einrichten, aber da würde sie sich nicht wohlfühlen, da ist nicht die Terrassentür. Es könnte Alice Rückzugsort oder das Zimmer für das Kind werden. Oder bräuchten sie eine größere Wohnung? Das Schlafzimmer ist recht groß, sodass Alice sich dort ebenso eine großzügige Ecke einrichten könnte. Wir sollten wahrscheinlich einfach einmal darüber reden

Sie wird aus ihren Gedanken gerissen. Alice hatte sie vermutlich schon ein paar Mal angesprochen. Erst als sie sie antippt, bemerkt Ronja, dass sie sehr weit in ihren Gedanken war. 

„Ronja, alles in Ordnung?" 

„Ja tut mir leid. Ich war einfach in Gedanken. Ist der Termin schon vorbei?" 

Alice muss ein wenig lachen. 

„Nein, ich fragte dich eben, ob du wieder mit reinkommen magst. Ich möchte, dass wir das gemeinsam besprechen." 

„Ja na klar." 

◦◦◦◦◦◦

Während Alice einkaufen ist, sitzt Ronja zu Hause auf ihrer Terrasse mit einem Café und lässt das Beratungsgespräch nachwirken.  

Ein wenig schmunzeln muss sie dabei. Zu weit gedacht hatte sie also doch nicht. Derweil sie draußen über Optionen in ihrer Wohnung grübelte, hatten Alice und Frau Winter dasselbe im Beratungsbüro getan. Alice holte sie dazu, um zunächst sicherzugehen, ob sie wirklich bei ihr fest einziehen kann. Als Ronja ihr dies nochmals bestätigte, fragte sie, inwieweit sie diese gemeinsam gestalten könnten. 

Und da kam der sogenannte 'Aha-Effekt', denn ganz aus Alice Perspektive hatte sie es nicht betrachtet. Aber ihr wurde klar, dass es bisher lediglich die Wohnung von ihr ist und nicht die von ihnen beiden. Ronja erzählte, was sie selbst herumtrieb. 

Frau Winter empfahl ihnen, sich gemeinsam zu Hause einen Plan zu machen, die beider Bedürfnisse gerecht werden sowie den Umzug von Alice zu organisieren. 

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