[18] 18|Donnerstag
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Nach dem Aufstehen kontrolliert sie als Erstes ihr Handy, keine Nachrichten, keine Mails und keine Anrufe. Das ist gut, dann kann sie nichts Wichtiges verpasst haben.
Sie verschwindet ins Badezimmer, kleidet sich und bereitet schon mal vor dem ersten Spaziergang die Kaffeemaschine für heute Mittag vor. Nach dem sie alles so weit fertig hat, geht sie zu Joe los.
„Hey Joe."
„Hey meine Ronja."
„Na wie geht es dir?"
„Richtig gut eigentlich. Und dir?"
„Ja geht so. Alice geht es gerade nicht so gut. Ich möchte ihr helfen, aber ich fühle mich tatsächlich teilweise hilflos, also ... weil ich ihr leider nicht so gut helfen kann."
„Sieht sie das auch so?"
„Sie sagt, sie ist dankbar und dass sie noch nie jemanden so nah stand. Aber ..."
„Dann machst du alles richtig."
„Aber ihr geht es ja trotzdem nicht gut. Nicht die ganze Zeit. Sie macht gerade eine schwierige Zeit durch."
„Schwierige Zeiten kannst du ihr aber auch nicht wegzaubern. Die gibt es einfach manchmal. Gerade du müsstest das doch wissen. Aber auch du weißt, dass es nur eine Zeit ist, die auch vergeht und wieder bessere Zeiten kommen. Es ist gut für Alice, dass sie dich an ihrer Seite hat und sie sieht es offenbar auch so."
Ronja denkt über Joes Worte nach. Es ergibt Sinn, ja. Wie oft sagt sie dieselben Worte zu ihren Klient*innen? Und nun konnte sie sich selbst nicht an ihre eigenen Worte erinnern, zumindest nicht, was das angeht. Daher sicherlich die innere Unruhe, den Wunsch mehr helfen zu müssen, aber es gar nicht zu können. Einfach so weiter für sie da sein.
„Danke Joe."
„Kein Problem. Ich bin auch gerne mal in der Position."
„Na dann, bitte."
„Ihr versteht euch ganz gut oder?"
„Wer? Alice und ich?"
„Ja, wen soll ich denn sonst meinen?"
„Ich finde Alice ist eine super inspirierende Frau mit einer besonderen Ausstrahlung."
„Aha und weiter?"
„Nichts weiter", antwortet sie, auch wenn sie seinen kuriosen Ton sehr wohl registriert hat, aber darauf kann sie nicht weiter eingehen, weil sie gar nicht weiß, was er damit meinen will.
„Na, wenn du das sagst."
„Was anderes. Elmar ist total aufgeregt wegen deines Geschenks."
„Ach ja?"
„Ja, er hat mich gestern gebeten, dich zu fragen, wie dein Boot heißt, weil er dann im Hafen mal danach Ausschau halten würde, und er würde gerne wissen, wann ihr den Bootsausflug machen wollt."
„Also mein Boot heißt Luca, Luca mit einem C. Wann wäre es gut, hm, also meine Nichte könnte ich bestimmt wieder fragen, aber dann am besten für einen Samstag, damit ich mal den ganzen Tag freimachen kann, außer zum Auf- und Zuschließen. Sag ihm den 27.05. Ihr könnt das ja besprechen, wann und wo er und ich uns treffen und du gibst mir Bescheid. Ist das okay?"
„Ja klar, danke."
„Dafür doch nicht. Ich mache das gerne und ich habe auch sonst niemanden, der gerne mit mir aufs Boot will."
„Jetzt dafür einen, der eventuell Boote mehr liebt als du."
„Wer weiß, wir werden sehen."
„Also wenn ich dann nun meinen Café bekommen könnte ..."
„Natürlich will die Ronja immer nur das Eine."
„Ach, du spinnst doch."
„So, hier hast du ihn. Ach, und wenn du mal quatschen willst, wie ich sagte, du weißt ja, wo ich bin." Wieder mischt sich dieser eine merkwürdige Ton mit in seine Stimme.
„Danke Joe."
Sie geht durch den Park und fühlt sich inspiriert durch das Treiben um sie herum, das Spielen der Kinder, das Rascheln in den Gebüschen und Bäumen, den Gesprächen der Menschen, irgendwie durch alles und jeden. Sie fühlt sich einfach lebendig und gut.
Daher schnappt sie sich fast unmittelbar ihre Malutensilien und geht mit denen auf die Terrasse, als sie wieder zurück in der Wohnung ankommt. Dort bringt sie die eben gewonnenen Eindrücke auf das Aquarellpapier zum Ausdruck und lässt ihren Gefühlszustand mit einfließen. Eine Farbkombination aus Grün und Rot tupft und streift sie auf den rauen Untergrund, der sie magisch anzieht und erst wieder loslässt, als sie das Gefühl bekommt, dass nichts mehr aus ihr herauskommen will.
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Frei und gut gelaunt nach diesem Start geht sie zum Hafen, setzt sich auf ihre Treppe und wartet auf Elmar. Sie fragt sich, warum Elmar sie noch nie auf Woody ansprach. Ob er sich denkt, dass ein Begleithund kein Schmusehund ist, dass er nicht gestreichelt werden darf oder hat er einfach kein Interesse an Hunden? Sie weiß es nicht.
„Hallo Ronja", wird sie freudig zappelnd von einem wedelnden Elmar begrüßt, was sie durch die sich bewegende Luft ausmachen kann, die mittels seiner Armbewegungen erzeugt wird.
„Hey Elmar."
„Hast du Joe gefragt?"
„Ja habe ich."
„Und?"
„Das Boot heißt Luca, mit einem C geschrieben. Und er möchte sich am 27.05. mit dir zum Bootsausflug treffen, das ist ein Samstag. Ist das okay?"
„Ja na klar. Toll."
„Er meinte, dass du und ich besprechen sollen, wo und wann ihr beide euch trefft und ich sage ihm Bescheid. Okay?"
„Okay."
„Soll ich ihm einfach sagen, dass ihr euch um 11 Uhr hier trefft? Ich kann Joe herbringen und dann gehe ich wieder. Ist das okay?"
„Ja."
„Schön. Es freut mich für euch beide."
„Wieso?"
„Weil ich euch beide mag und ihr euch beide freut. Joe freut sich auch."
„Echt?"
„Ja, er meinte, dass er niemanden hat, der gerne mit aufs Boot kommt."
„Ich komme gerne mit aufs Boot."
„Ja, das weiß ich."
„Okay. Bis morgen Ronja."
„Bis morgen Elmar."
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Bevor Ronja mit der Telefonberatung startet, schickt sie Alice noch eine Nachricht.
Ronja:
»Hey Alice. Sag bitte Bescheid,
falls ich nerve. Wollt nur
nachfragen, ob es dir gut geht.
Liebe Grüße, Ronja«
Sodann holt sie sich einen frisch gekochten Café aus der Küche, atmet noch einmal frische Luft von der Terrasse ein, nimmt schließlich ihr Diensttelefon zur Hand und beginnt mit ihren Telefonberatungen am Arbeitsplatz. Drei terminierte sind angesetzt und danach die offene Telefonzeit.
Zwischendrin piepst ihr Handy gleich zweimal. In dem nächstgelegenen Moment horcht sie, was für Nachrichten eingegangen sind. Die eine lässt sie sich gleich vorlesen.
Alice:
»Du nervst doch nicht. Nicht
so gut, aber besser als gestern.
Ich freue mich auf morgen. Danke
für deine Nachfrage. LG, Alice.«
Nach der Arbeit überlegt Ronja, ob sie Alice noch einmal antworten soll, aber eigentlich gibt es keinen Grund und sie wolle sie nun nicht wirklich noch nerven. Außerdem ist es mittlerweile 20:14 Uhr und eventuell hat sich Alice schon hingelegt.
Die offene Telefonzeit wurde heute um Sage und Schreibe knapp zwei Stunden verlängert. Per Mail meldete sich ein sogenannter Akuttermin an, den Ronja noch dran genommen hatte, der sich aber als weniger dringlich herausstellte und kurz vor Sprechstundenende riefen noch einige an, die sie bat, später erneut anzurufen, aufgrund des sogenannten Akutfalls. Und so machte sie heute Überstunden. Na ja, so etwas kann vorkommen und umsonst ist es auch nicht.
Die zweite Nachricht ist eine Mail von Elmar, was sie beinahe zum Hüpfen bringt. Sie hatte gar nicht so schnell mit einer Mail von ihm gerechnet.
Hallo Ronja.
Danke für deine Mailadresse.
Ich bin Autist. Deswegen nehme ich Dinge anders wahr. So wie du, aber auch anders.
Mehr schreibe ich in der nächsten Mail am Sonntag, den 21.05..
Bis morgen.
Von Elmar.
Hallo Elmar.
Ich danke dir für deine E-Mail und dass du mir das geschrieben hast. Ich freue mich darüber, dass wir uns kennengelernt haben. Und bin schon auf deine Mail am Sonntag freudig gespannt.
Bis morgen.
Von Ronja.
Sie kocht sich nun noch einen Holundertee auf und legt sich mit diesem sowie ihrem Hörbuch ins Bett.
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