[34] 23|Samstag

Völlig erschöpft und erschlagen sind sie gestern ins Bett gefallen. Mit einem Lächeln wacht sie dafür heute auf. Die Welt sieht schon wieder ganz anders aus. 

Alice, die noch neben ihr liegt, gibt ihr momentan unglaublich viel Kraft und Halt. Das weiß sie. Vielleicht sollte sie sich in die Küche schleichen und das Frühstück machen? Langsam und so leise wie möglich schlängelt sie an den Rand des Bettes. Woodys weiches Fell ist direkt an ihren Beinen zu spüren. Sie kann aufstehen. 

„Guten Morgen, Ronnie", murmelt eine belegte Stimme neben ihr, die ihren Plan durchkreuzt. 

„Guten Morgen." Ronja bückt sich hinunter, um ihr einen Kuss zu geben. 

„Wolltest du gerade aufstehen?" 

„Ähm. Ja, schon ...?" Mist. 

„Ach, ist doch noch so früh." 

„Bleib ruhig noch liegen, Al." 

„Okay. Weckst du mich dann oder soll ich mir einen Wecker stellen?" 

„Ich wecke dich früh genug", antwortet Ronja, gibt ihr noch einen Kuss auf die Stirn und verschwindet dann aus dem Schlafzimmer. 

Nachdem sie im Bad fertig ist und sie sich um Nika gekümmert hat, geht sie mit ihr ins Wohnzimmer. Vor sich hin summend schreitet sie in die Küche. Mit lockeren Bewegungen bereitet sie sowohl Tee als auch Café vor, sodass nur noch auf Start gedrückt werden muss. Dann macht sich an das Aufbacken von Brötchen. Ich kann zwar nicht backen, aber das bekomme ich noch hin, ... hoffe ich. Mit dem nächsten Schwung und einem Lächeln gelangt sie an den Kühlschrank, aus dem sie Tomaten und eine Salatgurke holt. Mit dem Hintern lässt sie die Tür des Kühlschranks wieder zufliegen und schafft alles auf die Arbeitsplatte. Messer in die Hand und los gehts. 

Ein bisschen schnippeln, ... Tomaten, Gurke, vielleicht noch Apfel? Aaaaah, die Brötchen! Schnell dreht sie sich um, wobei sie das Messer in ihrer Hand zunächst vergessen hat. Al hat recht. Sie ist die Bessere für so was. 

Die Brötchen sind zum Glück noch völlig – oder gerade noch – in Ordnung, sie holt sie heraus und wendet sich wieder dem Gemüse und nun auch Äpfeln zu. 

Kurz verschnaufen. Während sie sich über die Stirn wischt, fragt sie sich mal wieder, wie Alice das immer so hinbekommt. 
Tee und Café ist vorbereitet, nur noch auf Start drücken; Brötchen sind im Korb und auch noch voll okay; Gemüse und Obst ist geschnitten; ... Fehlt nicht noch etwas? Ah ja, natürlich. 
Sie klatscht sich gegen die Stirn. Für Eier ist es jetzt zu spät, aber Aufschnitt, Frischkäse und so was könnte sie ja schon einmal auf den Tisch stellen. Sie arrangiert alles, so gut sie sich das vorstellen kann auf dem Küchentisch und hofft, Alice hiermit eine Freude machen zu können. 

Bevor sie die Küche verlässt, schaltet sie die Kaffeemaschine sowie den Wasserkocher an. Mit dem Babyphone geht sie ins Schlafzimmer, um auf eine bereits erwachte Al zu treffen. 

„Na, was hast du so in der Küche getrieben?" 

„War ich so laut?" 

„Nicht soooo, aber eben ein wenig." 

„Tut mir leid", erwidert Ronja geknickt. 

„Nicht doch. So war das doch gar nicht gemeint. Komm und helf der Alten hoch", versucht Alice sie wieder aufzumuntern, was ihr tatsächlich gelingt. Ronjas typisches schelmisches Lachen kommt zum Vorschein. Sie zieht sie rauf und mit sich in die Küche. 

„Oh Ronnie, du hast Frühstück gemacht und ..." 

„... und die Brötchen sind nicht verbrannt!" 

„Mmmh ... Ja, hast recht." Alice entfernt sich einen Schritt und ergänzt dann: „Noch nicht." 

„Ich wollte dir etwas zurückgeben, dir zeigen, wie ... Ich bin dir dankbar, Al." 

„Du für mich, ich für dich, wir für sie und für uns. Weißt du noch? Das hast du gesagt und ich sehe das genauso." 

Beide geflutet von den Emotionen – sowohl der angestauten der vergangenen Zeit als auch der Glücksgefühle, die aus diesem Moment entstehen, – nehmen sie sich in den Arm und verharren in dieser innigen Umarmung, als könnten sie dadurch alles zum Ausdruck bringen. 

◦◦◦◦◦◦

Nach dem Frühstück, was sie sich schmecken lassen haben, gehen sie gemeinsam vor die Tür. Alice geht mit Nika zum Rückbildungskurs, Ronja mit Woody ihre Runde durch den Park. 

„Also, du hast das wirklich abgeklärt und machst heute wirklich früher Schluss?", fragt Alice – ungefähr das zehnte Mal nach. 

„Ja. Wirklich. Ist das so schwer zu glauben?" 

„Äh ..." 

„Ja, okay. Ich hab nicht gefragt. Verstehe schon." 

„Also wirklich?" 

„Ja wirklich. Jetzt los. Sonst kommst du noch zu spät zu deinem Rückbildungskurs." 

Giggelnd macht sich Alice davon, während Ronja sich von Woody leichtschwingend mitführen lässt. Sie erstrahlt wie die Sonne da oben am Himmel. 

Zu Hause wird die Terrassentür aufgerissen. Frische Luft. Dann schwingt sie sich schnell unter die Dusche und zieht sich bequeme Kleidung über. Freudig an den Nachmittag denkend beginnt sie mit der E-Mail-Beratung. Als Erstes schickt sie Oskar eine Dankesmail, weil er ihr heute die späteren Beratungen abnimmt und bietet ihm dafür den Montag als Tausch an. Da heute eher lockere Beratungen beziehungsweise Aufklärung und Informationsaustausch anstehen, schweift sie immer wieder in Gedanken ab. Das tut ihr leid, aber irgendwie kann sie nicht viel dagegen machen. 

Was, wenn er doch seine Meinung ändert? Unwahrscheinlich oder? Aber möglich?! Obwohl Frau Winter sagte, er hat es schon kundgetan. Das Gericht weiß Bescheid. 

Ein weiterer Gedanke, ... der tut ihr vielmehr weh ... 

Wie sollen sie es einmal Nika beibringen? Sie würde Tim an ihrem Leben teilhaben lassen. Das würde sie. Im Moment vielleicht eher weniger alleine ... Aber sie würde es ... Kann sie ihm denn jemals ernsthaft vertrauen? 

Still und starr sitzt Ronja an ihrem Arbeitsplatz, bis ihr selbst bewusst wird, wo sie sich gerade befindet. 

Stopp und Halt! Frau Winter ist da und sie geleitet sie dadurch! Sie schaffen das. Mit allen Hürden, die noch kommen mögen. Gemeinsam. 

Ihre Aufmerksamkeit richtet sie wieder auf ihre Klient*innen und tatsächlich gelingt es ihr besser. 

◦◦◦◦◦◦

Nach ihrer letzten E-Mail-Beratung fährt sie ihren Computer runter, setzt sich ihre neuen, – wirklich fantastischen – Kopfhörer auf und beginnt mit der Vorbereitung für das, was sie heute noch machen wollen. Dazu holt sie ihre Staffelei mitsamt der Palette und beginnt das Aquarellpapier zu bemalen. Oh, wie sie das vermisst hat. Das muss sie wieder öfter machen. 

Gewählt hat sie eine kleinere Größe des Papiers, da daraus zwei Karten entstehen sollen. Einladungskarten zu Ostern für Joe und Elmar. Die eine Seite bemalt sie mit unterschiedlichen Blau-, hingegen die andere mit Orangetönen. In der Mitte, das merkt sie, verlaufen sie etwas und sie kann sich denken, dass ein Grünstreifen entstehen wird. Wie passend. Für Elmar ist es somit eine Kombination aus beruhigender Harmonie mit Hoffnung und für Joe erstarkende Lebenslust mit Hoffnung. 

Mit einem breiten Lächeln nimmt sie die Pinsel, wäscht sie diese aus und verräumt dann die Malutensilien ordentlich. 

Kurz darauf kommt auch schon Alice zurück, die sich nun regelmäßig nach dem Rückbildungskurs mich Michel verabredet. 

„Hey Ronnie. Sind wieder da. Ich denke übrigens ..." 

„Ja?" 

„Das sieht ja cool aus." 

„Hm? Sind doch nur die Hintergründe der Karten." 

„Ja, aber es gefällt mir! Also ich möchte auch so eine bekommen!" 

„Vielleicht zu deinem Geburtstag dann." 

„Na, wehe, wenn nicht." 

„Wirst du ja dann sehen. Was wolltest du denn gerade sagen?" 

„Ach ja. Michel. Ich denke, wir können in Zukunft auf ihn vertrauen als Babysitter. Nika ist ja wie Wachs in seinen Händen. Also er ist definitiv so was wie ihr Onkel." 

„Na, das ist doch cool. Vielleicht kann er ja dann samstags Nika nehmen? Also ich meine, ..." 

„Ich hab das Gleiche gedacht, damit ich dann, wenn der Rückbildungskurs beendet ist, einen Yogakurs besuchen kann." 

„Genau und wenn er so vernarrt ist, vielleicht kommt es uns auch mal zu Gute. He?" 

„Ronnie!" 

„Jaaaa?" 

„Ja, ja." 

„Also ich möchte mal anmerken: Wer hat gerade ihre Hände an wessen Po?" 

„Okay. Hm. Ich?!" 

„Richtig." Ronja macht eine kurze Pause. „Aber das gefällt mir ja." 

„Hatten wir nicht was anderes vor?" 

„Spaßverderberin", schmollt Ronja gekünstelt. „Na gut. Hast du schon Ideen für originelle Sprüche?", geht sie dennoch zum Kartenthema über. 

„Nein, leider nicht. Aber ich dachte, wenn dir die Idee gefällt, dass wir zwei Dinge auf den Karten vielleicht kombinieren könnten und Joe und Elmar sie morgen als erstes lesen sollten." 

„Na, dann erzähl mal." 

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