[32] 21|Donnerstag

„Na los. Ich bin neugierig." 

„Merke ich ja gar nicht", zieht Ronja Alice auf. 

„Also ich musste mich schon bis heute früh gedulden." 

„Dafür kann ich ja nichts oder?", gibt Ronja belustigt wider. 

„Es macht dir gerade eindeutig zu viel Spaß, mich zu ärgern", versucht Alice es auf die beleidigte Weise. 

„Ja." 

„Oh Ronnie. Du bist echt fies." 

„Ja. Wer kann, der kann", lacht sie nun auch noch. 

„Merke ich mir", probiert Al es nun so. 

„Okay", gibt Ronja gelassen zurück. 

„Wie lange soll ich noch betteln?" 

„Hm ... Mal sehen ..." Ronja kostet das gerne aus, steht unverrichteter Dinge auf und verschwindet auf die Terrasse. 

„Denkst du wirklich, dass du mich so loswirst?" 

„Ach quatsch, Al." 

„Hm." 

„Komm her. Ich hab sie mit rausgenommen." Ronja wedelt mit der Geburtstagskarte von Elmar vor ihr rum. 

„Na endlich." Schnell hopst sie auf Ronja zu und nimmt sie ihr aus der Hand. „Wow", mehr kann sie nicht dazu sagen, nachdem sie fertig gelesen hat. 

„Ja oder?" 

„Er hat aber recht." 

„Nicht Al ..." 

„Ist aber so. Du kannst nicht immer andere ihre tollen Eigenschaften hervorloben und bei dir nicht." 

„Doch, merkst du doch", dabei muss Ronja lachen. 

„Du weißt genau, wie ich das meinte. Darüber reden wir noch mal. Erzähl gerne noch von gestern." 

„Aber erst einmal einen Café. Wir sind gerade erst aufgestanden." 

Derweil Alice ihnen Frühstück zaubert, holt Ronja sich schnell ihren Laptop raus auf die Terrasse. Tatsächlich hat Elmar schon seine heutige Mail geschickt. 


Hallo Ronja, 
Ich hoffe, deine Geburtstags-Tage haben dich gefreut und dass du deinen Geburtstag jetzt lieber feierst. 
Der Kuchen war lecker. Sag Alice von mir Danke. 
Eigentlich mag ich umarmen nicht, aber gestern war anders. 
Wie fühlt sich Befreitsein an? 
Weniger angespannt sein? Weniger zappeln und wippen? Weniger Gedanken? Weniger Anstrengung? 
Gibt es auch mehr von irgendetwas? 
Wie ist das bei dir? 
Ich kenne das nicht, was das gerade ist. 
Es macht Angst, aber auch nicht. 
Angst, weil neu. Keine Angst, weil gutes Gefühl? 
Meine nächste Mail schreibe ich am 25.03.. 
Bis morgen. 
Von Elmar. 


Hallo Elmar, 
Tatsächlich habe ich meinen Geburtstag durch Alice, Joe und auch dich zu schätzen gelernt. 
Ich habe mich gestern wirklich sehr gefreut und bin sehr gerührt, wie und was du für mich gemacht hast. Das bedeutet mir sehr viel. 
Ich mag dich sehr. 
Befreit und frei sein. 
Wie fühlt sich das an?! 
Ich fühle mich befreit, wenn ich locker lassen kann, wenn mein Körper nicht angespannt ist, wenn die Muskeln sich nicht durchgehend versteifen. Wenn das Wohlgefühl die Schmerzen übersteigt. 
Ich glaube, es gibt immer einen Gegenpart zu wenig. Wenn etwas weniger ist, ist etwas anderes mehr. Manchmal wissen wir vielleicht nur nicht, wie es heißt. 
Wenn du dich weniger angespannt fühlst, fühlst du dich bestimmt lockerer. 
Weniger ängstlich, mehr? 
Weniger Gedanken, mehr? 
Wenn doofe Gedanken und Gefühle weniger werden, fühle ich mich befreit. 
Wenn es das bei dir ist, dann fühlt es sich bei mir auch so an. 
Wir hatten ja schon öfter geschrieben und gesagt, dass Angst nicht nur negativ ist. Daher kann es auch eine Aufregung sein. Dass du aufgeregt bist, Neues kennenzulernen. 
Bis morgen. 
Viele Grüße. 
Von Ronja. 


Was für eine tolle Frage, aber auch wirklich schwer zu beantworten. Sicherlich auch individuell. Woher soll mensch wissen, wie jemand anderes etwas fühlt? 

Beim gemeinsamen Frühstück kann sie diese Fragen sacken lassen und erzählt Alice vom gestrigen Abend. 

◦◦◦◦◦◦

Bis wann hat ER Zeit? Auf der Bank im Park kommt sie ins Grübeln. Wieso nur hat sie das vergessen? Innerlich beginnt es sich zu verkrampfen, doch das will sie nicht zulassen. Dafür ist sie in viel zu freudiger Stimmung. Das wird schon. Es muss. Sie versucht diesen Gedankenwirrwarr loszulassen. 

Einatmen, ausatmen. 

Auf den See und das Drumherum konzentrieren. 
Das Plätschern. 
Das Schnattern. 
Die Brise. 
Sehr leichter Hauch. 
Wärmende Strahlen. 
Der Geruch von frischgemähten Rasen. 
Flieder. 

Beim Geschmackssinn fällt ihr sofort Café ein und sie muss grinsen. Sie erhebt sich und begibt sich auf den Weg zu Joe.

„Hey Sonnenschein. Da bist du ja", wird sie gleich überschwänglich begrüßt. 

„Ja-ha. Ju-hu. Hier bin ich", steigt sie mit ein. 

„Ich nehme mal an einen Café für dich und kann ich sonst noch etwas für dich tun?!" 

„Du hast doch sooo angefangen", kontert sie mit einem Grinsen, geht jedoch direkt an ihm vorbei und lässt sich an dem Ecktisch nieder. Als wenn ich die Bekloppte bin ... 

„Aha", kommt nur noch von ihm. So könnte sich die Luft womöglich anfühlen, wenn Augenbrauen wackeln oder die Augen rollen, denkt sie noch. 

„Wie geht es dir?", fragt Ronja dieses Mal direkt, kurz bevor Joe sich hinsetzt. 

„Gut. Ist wirklich okay bei mir. Und dir? Du machst mir eher Sorgen." 

„Ich? Wieso?" 

„Du wirkst irgendwie so ... Keine Ahnung ... So ..." 

„Du hast keine Ahnung, wie ich wirke?" 

„Nicht genau. Mist." 

„Tja, dann stimmt mit uns beiden wohl etwas nicht", woraufhin sie beide wieder lachen müssen. 

„Kann sein", flüstert er nach einer Weile des Schweigens. 

„Vielleicht", entgegnet sie ihm. „Ich habe Sorgen", beginnt sie. „Manchmal kommen sie so plötzlich, dass ich denke, ich würde daran ersticken." 

„Das ..." 

„Ich weiß ... Brauche ich nicht. Bla ... Es ist dennoch so. In anderen Minuten weiß ich genauso, was für ein riesiges Glück ich habe. Al ist einfach großartig. Und ich sage mir auch ständig, dass es wird. Dass wir das schaffen. Aber ... Ja." 

„Das tut mir leid." Oh. Das wollte er sagen. Joe drückt ihre Hand, was sich wirklich gut anfühlt. 

◦◦◦◦◦◦

Ihre Sorgen mal etwas rauslassen können, das tat verdammt gut. Befreiter, so fühlt sie sich jetzt. Wieder überkommt sie ein Grinsen. Elmar und ihre Verbindung. Einzigartig und wunderbar. Damit schnappt sie sich jetzt das Telefon und beginnt ihre Arbeit. 

Zwischendrin inmitten ihrer Telefonberatung hört sie Trippelschritte, als würde da jemand direkt vor der Wohnzimmertür nervös lauern ... Was soll als Nächstes kommen? Nicht so rumspinnen! Ronja versucht sich wieder auf das Gespräch mit ihrer Klientin zu konzentrieren. Das Geräusch verschwindet – nach einem kuriosen Knarzen, – woraufhin sie sich jedoch mehr und mehr beruhigen kann. 

◦◦◦◦◦◦

„Ronnie! Er hat geschrieben!", schreit Alice auf einmal, indes sie die Tür zum Wohnzimmer aufreißt, gerade als Ronja das Telefonat beendet hatte. Sie kommt gar nicht zum Reagieren, bekommt nur Alice' lautes und hektisches Atmen mit. 

„ER! Ronnie ... Was ... Will ..." 

„Al. Beruhige dich erst einmal." 

„Will ... sprechen ...!" 

„Komm mal her. Setz dich bitte." 

„Nein! Er. Ist zu wichtig! Will das nicht!" 

„Was? Ich weiß nicht genau, ob ich es richtig verstehe", so langsam wird auch Ronja hibbelig. Sie schickt – glücklicherweise ist das eine ihrer Vorlagen – eine Mail an Oskar raus, der ihre anderen weiteren Termine bitte absagen soll und schaltet nebenbei das Telefon auf stumm. Alice benötigt gerade sowieso etwas Zeit, um sich zu sammeln. „Al?" 

„Ja. Tim natürlich." Alice löst sich aus ihrer Starre, bewegt sich auf Ronja zu. 

„Hab ich mir schon gedacht, dass du nicht Joe meinst." 

„Haha. Ja-ha danke." 

„Tut mir leid. Erklär mir bitte was los ist." 

„Oh. Du musst arbeiten." Und schon springt Alice wieder auf, als wäre nichts und dabei hat sie sich doch gerade erst hingesetzt. 

„Al?!" 

„Ja?" 

„Komm. Setz dich wieder zu mir." 

„Echt? Aber deine Arbeit ..." 

„Hab schon Bescheid gegeben. Jetzt erlös mich bitte und weihe mich ein. Bitte." 

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