[26] 15|Freitag

Mit pochendem Herzen erwacht Ronja. Doch sie versucht eigenes heute beiseite zu schieben, um sich ganz auf Elmar und seine Lage fokussieren zu können. 
Einatmen ... Beruhigen! Ausatmen ... Konzentrieren! 
Aber ihr Herz schlägt wilder um sich. Dazu werden ihre Hände feucht. Sie befürchtet Elmar nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, die sie ihm gerne gegeben hätte. Ihr schlechtes Gewissen zerfrisst noch ihren gesamten Bauchraum. So fühlt es sich zumindest an. Zu sehr war sie in ihrem eigenen Themenkreislauf gefangen. 

Alice und sie haben alles getan, was geht. Nun muss Tim sich sowieso beweisen und nur wenn er das kann ... Ronja unterbricht sich. Nika wird bei ihnen bleiben. Ganz sicher, daran will sie glauben. Aber? 

Schluss jetzt damit! 

Sie dreht sich um und streichelt Alice über den Arm. Unmittelbar huscht ihr ein Lächeln übers Gesicht. 

„Guten Morgen, Ronnie." 

„Guten Morgen. Wollte dich nicht wecken." 

„Ach quatsch. Und außerdem ist dein Lächeln doch mit das Schönste, was mich begrüßen kann." 

„Du Charmeurin." 

„Hab ich mir bei Joe abgeguckt." 

Ronjas Lächeln wandelt sich zu einem Grinsen, bis sie es nicht mehr halten kann und ins Lachen verfällt. Ja, der Joe ist gut darin. 

Da die beiden noch ein wenig gekuschelt haben, fiel das Frühstück kürzer aus. Nachdem sie Alice verabschiedet hat, bereitet sie Café vor und schaltet die Maschine ein. Bis dieser durchgelaufen ist, öffnet sie die Terrasse, um Woody noch einmal in den Garten zu lassen und packt ihre Tasche für den späteren Termin mit Elmar und Frau Peters. 

Bis dahin setzt sie sich mit ihrem gerade durchgelaufenen Café gemütlich auf die Terrasse. Dem Frühling lauschend genießt sie den Morgen in der angenehmen Wärme. 

Gegen 11:00 Uhr heißt es, sich fertig zu machen, das beinhaltet Nika zu füttern, sie frisch zu machen sowie sich selbst zu duschen. 

◦◦◦◦◦◦

Als Ronja fast beim Treffpunkt angekommen ist, kann sie Elmar bereits an einem Klatschgeräusch ausmachen. Nervös oder aufgeregt? Mit jedem Schritt, den sie sich ihm nähert, bemerkt sie, wie die Luft herumgewirbelt wird, wahrscheinlich durch Wippbewegungen seiner Hände und Beine. 

„Hallo Elmar." 

„Hallo Ronja und Nika." 

„Na, bist du gut oder schlecht aufgeregt?" 

„Weiß ich nicht." 

„Das ist okay. Ich weiß das auch nicht immer. Wollen wir gemeinsam herausfinden, welchen Weg es für dich gibt und ob du ihn magst?" 

„Ja. Okay." 

„Oh Elmar. Keine Sorge, wenn es dir nicht gefällt, überlegen wir uns was anderes, okay?" 

„Okay", was ihm deutlich entspannter aus dem Mund kam als die vorherigen Antworten. 
Er geht voran. Dadurch zeigt er Woody den Weg an, worauf sich Ronja verlassen kann. Eine halbe Stunde später etwa stoppt Elmar. 

„Wir sind da", lässt er zur Bestätigung verlauten. 

„Okay. Wollen wir rein?" 

„Wollen?" 

„Ich möchte, also Ja." 

„Wieso?" 

„Weil ich dich mag und du mir wichtig bist. Weil ich möchte, dass für dich ein schönes neues Zuhause gefunden wird und weil ich möchte, dass du angehört wirst. Sowie, dass du deine Wünsche dazu äußerst." 

„Okay." 

Elmar öffnet routiniert die Tür, hält sie Ronja, die Nika und Woody bei sich hat, auf und führt sie in den Eingangsbereich. Elmar plappert direkt drauf los und beschreibt ihr alles Nötige, was zu sehen ist, wo das Badezimmer mit Wickeltisch ist, und geleitet sie an der Anmeldung vorbei weiter in den Aufenthaltsbereich. Auch dort erzählt er, was sich zu den Seiten von Ronjas befindet und dass sie gerade angestarrt werden von den einzelnen Mitbewohner*innen. Ronja muss grinsen. Das ist bestimmt auch ein witziges Bild, sie mit dem Begleithund sowie einem Baby vorne drum rum und Elmar, der sie rumführt. 

„Hier rechts hängt auch ein lustiges Bild." 

„Ach ja? Was denn für eins?" 

„Da ist eine Banane drauf." 

„Eine Banane?" 

„Ja", Elmar fängt an zu lachen, „nur eine Banane." 

„Das findest du wohl sehr witzig, wie ich merke." 

„Ja. Ich meine, wer macht denn ein Bild von einem Obststück?" 

„Och, da gibt es mehrere, wie ich gehört habe, aber ich verstehe schon, was du meinst." Ronja muss tatsächlich auch anfangen zu grinsen, wenn sie sich die Form der Banane auf einen rechteckigen Papier vorstellt. 

„Und der Hintergrund ist einfach nur weiß." 

„Immerhin nichts unverständlich. Von wem ist es denn?" 

„Ähm. Andy Warhol steht da als Name." 

„Der soll auch schwul gewesen sein, wenn ich mich richtig erinnere. Äh ... Hm. Ja, also schon. Aber ..." Jetzt fühlt sich Ronja etwas daneben, auch wenn sie alle Bescheid wissen, wollte sie ihn niemals ... 

„Schon okay", unterbricht er ihre Gedanken. 

„Danke." 

„Das Bild ist trotzdem lustig", redet er amüsiert weiter. 

◦◦◦◦◦◦

Kurz darauf werden sie von Frau Peters begrüßt und folgen ihr ins Büro. Elmar zeigt Ronja einen Stuhl an. Sie setzen sich. Schweigen. Derweil Frau Peters noch Wasser für jeden einschenkt, bemerkt Ronja, wie Elmar wieder nervöser wird. 

„Elmar, wird schon. Du weißt, was ich zu dir gesagt habe oder?" 

„Hm-m." 

„Okay." 

„Es freut mich wirklich sehr, dass Sie es heute so spontan einrichten konnten, Frau Flemming." 

„Ja, mich auch. Und danke, dass ich meine Kleine mitbringen konnte." 

„Elmar, du weißt ja, dass Frau Flemming, also Ronja, und ich bereits telefoniert haben und es letzte Woche die Fallbesprechung gab. Bei beiden wurden ausführlich Möglichkeiten, die es für dich gibt, besprochen und welche wir am besten für dich finden würden. Aber mir und auch Frau Flemming ist es wichtig zu erfahren, was du möchtest. Und dann schauen wir, ob sich das deckt und wie wir was umsetzen können. Hast du das bisher so weit verstanden?" 

„Ja." 

„Das ist gut. Du kannst immer nachfragen. Auch später, auch an einem anderen Tag. Sowohl bei mir als auch bei Frau Flemming. Okay?" 

„Okay." 

„Wie du weißt, schließt diese Wohngruppe zum Herbst, ein genaues Datum steht nicht fest. Tut mir leid. Aber, was ich dir auch schon mitteilte, auch ich höre etwa zeitgleich auf zu arbeiten. Ich gehe zum ersten September in Rente. Bis dahin wollen wir ein neues Zuhause und eine neue Betreuung für dich haben. Okay?" 

„Hmm." 

„Dank Frau Flemming habe ich mich noch einmal mehr dahinter geklemmt und kann und möchte dir jetzt die Alternativen vorstellen, die uns in den Sinn kamen und möglich sind und danach möchte ich, dass du mir sagst, was du davon auf keinen Fall möchtest. Okay?" 

„Okay." 

„Die erste Option: Suchen einer neuen Wohngruppe. Wir würden natürlich hier in der Stadt eine suchen, aber es besteht das Risiko, dass es eine andere Stadt wird. 

Zweite Option: Suchen eines ambulanten Trägers mit eigenem Wohnungsbestand. Das bedeutet, du würdest in eine Wohnung von einer sozialen Einrichtung ziehen, in dieser Wohnung alleine leben, also keine Wohngruppe, aber jeden Tag und auf dem Gelände kannst Betreuer und Betreuerinnen ansprechen. Und zusätzlich gibt es feste Tage, an denen du dich mit deiner festen Betreuung in deiner Wohnung und in deren Büro triffst. Das wäre definitiv hier in der Stadt möglich. 

Bei beiden Optionen kommt zusätzlich eine gesetzliche Betreuung hinzu. Die übernimmt gesetzliche Aufgaben, wie ich." 

„Aa." 

„Das war jetzt ganz schön viel Info oder?", setzt Ronja an. 

„Ja." 

„Meinst du, du hast alle Worte wahrgenommen? Oder lieber noch einmal etwas wiederholen?" 

„Weiß nicht." 

„Frau Peters darf ich kurz?" 

„Klar." 

„Elmar. Es ist ganz wichtig, von dir zu erfahren, in welcher Stadt du leben möchtest. Und ob du glaubst, alleine leben zu können." 

„Danke Ronja." 

◦◦◦◦◦◦

„Elmar, ich würde dann jetzt noch die Toilette mit dem Wickeltisch aufsuchen, bevor ich losgehe." Dabei deutet Ronja auf Nika. 

„Ich warte auf der Bank. Die ist genau hier", wobei er ihre Hand nimmt, um es ihr zu verdeutlichen. 

„Warte. Ich hab eine Bitte. Kannst du so lange Woody halten?" 

„Darf ich das denn überhaupt?" 

"Warum denn nicht?", fragt sie verwirrt nach. Immerhin hat sie ihn doch darum gebeten. Doch zumindest weiß sie nun, dass er keine Angst hat. Oder hofft es zumindest. 

„Weil er ein Begleithund ist und auf dem Geschirr steht 'Nicht anfassen'", erwiderte er. 

„Ah. Ja, da hast du recht. Aber, dass ist nur nicht in Ordnung, wenn Leute das ungefragt machen oder ich Nein sage. Wenn ich Hilfe brauche oder auch Woody das Zeichen für Pause gebe, dann kannst du ihn genauso halten. Das versteht er." 

„Okay", antwortet er nun ganz freudig, als könnte er es gar nicht mehr abwarten. 

Das freut Ronja, die nun nach dem dann doch zweieinhalb stündigen Gespräch in Ruhe Nika die Windel wechseln kann. „So Nika, jetzt können wir los." 

Elmar bringt sie noch zum Hafen, dabei scheint er wieder lockerer und beruhigter, was sie sehr freut. Vielleicht war es ihm wirklich eine Hilfe, dass sie dabei war. Auf jeden Fall konnte er eine Entscheidung fällen. 

Am Hafen verabschieden sie sich und Ronja geht auf direktem Weg nach Hause. 

Dort legt sie Nika in ihr Bettchen, die völlig k. o. sein muss, lässt dann erst einmal frische Luft in die Wohnung. Mit einem Strahlen im Inneren setzt sie sich auf die Terrasse und wartet auf Alice, die sicherlich gespannt darauf ist, was bei dem Gespräch heute rausgekommen ist. 

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