[21] 10|Sonntag

„Haben wir eigentlich irgendetwas geplant für heute?" 

Anstatt zu antworten, prustet Ronja los. Auch wenn sie generell die Strukturliebhaberin ist, so ist ihr ein Treffen mit Joe und Elmar auch unorganisiert völlig lieb. Aber Alice möchte, dass es ihnen an nichts fehlt und bereits vorher wissen, was sie machen und tun, damit sie zur richtigen Zeit die richtigen Dinge bringen kann und so weiter. Ronja findet das ja süß und liebenswert, aber Alice darf sich auch gerne mal etwas zurücknehmen, für sich. 

Es sind ja schließlich zwei erwachsene Menschen, die zu Besuch kommen und keine Kleinkinder. 

„Was lachst du denn so?" 

„Schon okay." 

„Nur weil ich möchte, dass es ihnen gut geht?!" 

„Ach Al, komm her und setz dich erst einmal hin. Hm?" 

Wider Erwarten kommt Alice tatsächlich und pflanzt sich nicht neben, sondern demonstrativ auf Ronja drauf. 

„Besser?!" 

„Viel besser. Wenn du das Gezappel nun auch noch abstellen könntest, wäre es perfekt." 

„Ach, du spinnst doch." 

Ronja lässt sich nicht beirren und nutzt die Gelegenheit Alice noch näher an sich ran zuziehen, um sie zu küssen. Vielleicht hilft es ja?! 

„Also?" 

„Hm. Hat nichts gebracht?" 

„Was? Egal, was haben wir denn heute vor?" 

„Ist das denn so wichtig?" 

„Für mich schon. Weißt du doch." 

„Ich finde es einfach schön, dass wir alle jeden zweiten Sonntag zusammen kommen. Wir werden das, denke ich, später gemeinsam herausfinden, was wir machen." 

„Hmpf ..." 

„Al, mach doch einfach ein paar deiner leckeren Croissants, also da hätte ich wirklich nichts gegen einzuwenden und die können wir, egal, was wir machen werden, naschen." 

„Na gut. Du kannst dir ja mal ein paar Optionen überlegen, die wir wenigstens vorschlagen könnten. Okay?" 

„Ich gebe mein Bestes." 

◦◦◦◦◦◦

Gedankenversunken und mit Kopfhörern auf den Ohren kostet sie die Zeit gemütlich aus, in der Alice hektisch in der Wohnung ihr aller Treffen vorbereitet, als hätten sie gleich ein erstes Date mit irgendwem. Nein, davon möchte sie sich jetzt nicht anstecken lassen. Sie lauscht lieber wieder den Naturklängen und lässt ihren Gedanken freien Lauf. 

Spielen, ... Lieder singen, ... Malen, ... Film, ... einfach quatschen, ... quizzen, ... Das sind die ersten Ideen, die ihr in den Kopf kommen. 

Wie wird es wohl Joe heute gehen? Auf was wird er heute können und auf was so gar nicht? Wenn sie nur Alice schon einweihen könnte. Vielleicht ist es so aber auch ganz gut. 

Joe ist auf jeden Fall vom Malen nicht so angetan. Ronja muss direkt schmunzeln, als er das erste Mal mit ihnen malte. Er stellte sich sehr an, immer wieder behauptete er, dass sie es so gut könnten, er aber nicht. Elmar motivierte ihn richtig und schlussendlich traute er sich doch. Das Bild haben sie aufgehängt und Joe scheint es sich jedes Mal anzugucken. Warum auch nicht?! Er darf ebenso stolz darauf sein, dass er sich überwunden hatte. Trotzdem heute kein Malen. 

Vielleicht singen oder quizzen?! Mal schauen, was die anderen dazu sagen. Eventuell haben sie auch noch Ideen? 

Gefühlt nur eine kurze Zeit später spürt Ronja die Vibrationen, die über den Boden bis zu ihr gelangen und nimmt die Kopfhörer ab. 

„Ich gehe dann jetzt los. Elmar abholen. Drinnen ist so weit alles vorbereitet. Stellst du dann die Kaffeemaschine an, so kurz bevor wir alle hier eintrudeln?" 

„Mach ich." 

Dann ist sie auch schon los. Ronja stellt sich vorsichtshalber einen Wecker, falls sie das Gefühl für die Zeit wieder trügen sollte. 

Sie freut sich schon sehr darauf, dass sie wieder alle zusammen kommen. Das letzte Mal kann kaum mitgezählt werden, so wie es lief, auch wenn sie es nun besser verstehen kann. Sie hofft, dass es ein schöner Sonntag werden wird. 

Und so – wie sie befürchtete, – ist es dann auch. Der Alarm lässt sie aufschrecken. Prompt schaltet sie die Klänge aus, packt alles weg und geht hinein. 

Der Schalter der Maschine ist gedrückt und nun bleibt ihr nichts weiter als Warten übrig. 

Dann endlich geht die Tür auf und wie sie an den Stimmen erkennen kann, kommen sie alle gleichzeitig herein. 

„Rate mal, wen wir vor der Tür entdeckt haben?" 

„Ich bin auch gerade erst angekommen." 

„Ja, ja, ja." 

„Hey Joe. Und hallo Elmar." 

Sie begrüßen sich in Ruhe und gehen dann in die Wohnung vor, während Elmar sein Ankommensritual vollzieht. 

◦◦◦◦◦◦

Alice, ganz die Versorgerin, fragt wie immer, was wer trinken möchte und geht dann in die Küche, um die Bestellungen zu bringen, als würde sie hier wie im Le Petit arbeiten. Aber sie lässt es sich auch nicht nehmen. Wenn es sie glücklich macht, denkt Ronja sich. 

„Joe?" 

„Ja, Elmar." 

„Darf ich dich etwas fragen?" 

„Aber na klar." 

Ronja – und sie meint Alice ebenso, – hört gespannt hin, was jetzt kommt. Es ist eher ungewöhnlich, dass Elmar von sich aus jemanden etwas fragt. Vor allem aus dem Nichts. 

„Bist du traurig?" 

„Ja", seufzt er nach längerer Zeit, die er sich wahrscheinlich zum Bedenken genommen hat. Und auch jetzt hört sie ihn deutlich ein- und ausatmen und spürt eine unklare unangenehme Aura. Niemand wagt gerade ein weiteres Wort. 

„Das tut mir leid", außer Elmar, der ihm antwortet. 

„Das muss es nicht, aber danke." 

„Du hast sie doll geliebt." 

„Du bist wirklich außergewöhnlich." 

„Gut oder schlecht?" 

„Gut ... Natürlich gut. Du hast ein tolles Gespür und nimmst die Dinge auf eine ganz wunderbare Art wahr." 

„Wie Alice und auch du. Und wie Ronja. Richtig?" 

„Ja, richtig. Die zwei sind auch ganz wunderbar. Ronja hat mir auch schon ganz viel zur Seite gestanden. In schlimmen schweren Phasen. Nachdem ich sie verloren habe. Am Donnerstag jährte es sich zum sechsten Mal ..." Joe macht eine kurze Pause, sicherlich, um sich zu sammeln. Ronja wagt es kaum zu atmen, ist aber gleichsam froh, dass Joe den Mut aufbringt, darüber zu sprechen. Endlich. 

„Sie? Deine Frau?", fragt Elmar in einem ruhigen Ton nach. 

„Sie ... Luise und Carly, meine ..." Joe gerät ins Stocken. Ronja legt ihre Hand auf Joes Arm und hofft, dass es ihm etwas hilft. Gleichzeitig spürt sie, dass Alice erschrocken ist und sich sicherlich denken kann, in welcher Verbindung die beiden zu Joe standen. 

„Das tut mir leid, Elmar und Alice, dass ihr es bisher nicht wusstet. Ronja hat mir damals versprochen, nicht darüber zu reden. Ich wollte nicht immer als derjenige gesehen werden, dessen Frau und Kind ..." Er ringt mit sich. Bisher hat nur Ronja Joe so sprechen hören, gebrochen, als wären bis auf eine alle Saiten einer Gitarre gerissen ... „Irgendwie bescheuert, aber so ist ... war es", fügt er dennoch hinzu. 

„Das ist ja schrecklich ... Das ... tut mir leid ... Sorry, ich weiß gar nicht so richtig, was ich sagen soll." Alice scheint wirklich überfordert und braucht ebenso etwas, um das zu verdauen. 

„Schon okay. Ich bin froh, dass ich es mal laut ausgesprochen habe." 

„Luise und Carly?", fragt Elmar weiter. 

„Ja, das waren ihre Namen. Luise hei...ieß ... meine Frau und ... und Carly meine Tochter." 

„Lu und Ca." 

„Ja. Elmar, du bist tatsächlich der Erste, dem das auffällt. Aber ja, so ist es." 

„Das ist schön, so hast du sie immer noch ganz nah bei dir." 

„Stimmt. Weißt du, was ich dich heute übrigens fragen wollte?" 

„Jaaa!" 

„Echt?" 

„Ja! Ja! Ja!" 

„Das freut mich mindestens genauso doll wie dich." 

Um diesen in gewissermaßen Launenumschwung beibehalten zu können, schlägt Alice aus Spaß vor, dann nun gemeinsam zu malen. Guter Versuch, grinst Ronja in sich hinein, die nun ihre zusammengesammelten Ideen auflistet, woraufhin ein Hin und Her entsteht. 

„Also gleich würfele ich. Entweder Singen oder Quizzen? Noch eine Chance, sich zu entscheiden", geht Alice belustigt dazwischen. 

Und Elmar und Joe sagen beide das jeweils andere. Alle fangen an zu lachen. Am Ende wurde es ein Mix aus beidem. Karaoke, bei dem die anderen nicht wissen, was für ein Song gesungen wird und sie sowohl das Lied als auch die Band erraten sollen. Die, die richtig liegen, sind als Nächstes dran. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top