[2] 20|Dienstag

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Wie so oft in letzter Zeit erwacht Ronja alleine im gemeinsamen Bett. Zwar empfindet sie es als schade, aber ist alles andere als böse oder wütend. Für gestern zudem noch dankbar, dass Alice ihr Vorpreschen als mutig und angebracht ansieht und nicht wie von ihr angenommen als einseitig bestimmende Entscheidung. 

Und immerhin waren sie, nachdem sie gegessen und Nika ins Bettchen brachten, gemeinsam ins Bett gegangen und haben dort noch schöne Momente miteinander genießen können. 

Miteinander. Das kommt ihr momentan etwas zu kurz. Doch sie weiß nicht, wie sie es ansprechen soll, ohne dass es vorwurfsvoll rüberkommt. 

„Guten Morgen liebe Ronnie. Da möchte dich jemand in den neuen Tag begrüßen." 

Und schwups sind sie wieder zu dritt im Bett, was ihr natürlich gefällt. Ronja setzt sich auf und Alice gibt ihr Nika in die Arme. 

„Guten Morgen meine Kleine", begrüßt sie Nika mit einem sanften Kuss aufs Köpfchen, die mit einem leisen Quaken antwortet. 

„Dir natürlich auch einen guten Morgen, Al." Ronja tastet nach vorne und zieht sie an sich heran, um ihr einen Kuss geben zu können. 

„Ist es okay, wenn ich dann mal kurz ins Bad verschwinde?" 

Ronja stimmt dem zu und widmet sich wieder Nika, ihrem kleinen Wunder. Es gibt so viele Punkte, die sie nicht mehr für möglich hielt und doch sind sie in Erfüllung gegangen. Ein warmes Gefühl breitet sich in ihr aus. 

„Mama kann auch gleich erst einmal unser Frühstück machen und uns dann abholen kommen oder wie siehst du das, kleine Maus?" 

Nachdem Alice im Bad fertig ist, fragt sie, ob sie Nika abnehmen oder doch erst einmal das Frühstück vorbereiten soll. Ronja lacht. 

Kurz darauf sitzen sie gemeinsam am Tisch in der Küche, denn für Nika wäre es noch zu kalt draußen. 

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Da es bereits 10:14 Uhr ist, macht Ronja sich nun fertig, um ihre Runde mit Woody zu drehen. Zunächst holt sie bei motley's ihre bestellte Ware ab, da sie das gestern nicht schaffte. 

„Hey Pat. Bist du da?" 

„Ronja? Bist du das?" Pat kommt langsam nach vorne, wie sie an seinen Schritten hören kann. 

„Na alles okay, Pat?" 

„Ja, ja. Alice hat hier gut Struktur reingebracht. Ich hab nur Sorge, dass ich sie wieder zunichtemache. Kennst mich doch." 

„Oh je, so schlimm? Aber sie kommt ja ab nächster Woche zumindest für einmal wöchentlich wieder." 

„Hoffen wir das Beste. Sonst bekomme ich noch Ärger von ihr." 

Sie müssen beide lachen. 

„Dann bis nächste Woche." 

„Machs gut meine Liebe und grüße mir die beiden ganz herzlich." 

Mit der Tüte von motley's schlendert sie nun zu Joe. Sie weiß schon jetzt, was sie sich von ihm anhören darf. Und er hat ja irgendwie auch recht. 

„Oh hey, wen sehe ich denn da? Ist das wirklich meine Ronja, die ich hier in meinem Laden noch einmal zu Gesicht bekomme?" 

„Ha ha, Joe." 

„Na so oft kommst du nicht mehr vorbei." 

„Ach, so langsam pendelt sich ja alles ein. Und übertreib mal nicht. Ist ja nicht so, als würden wir uns nie sehen." 

„Ich freu mich einfach." 

„Ja ich mich auch, aber um ehrlich zu sein, habe ich ..." 

„Nicht so viel Zeit?" 

„Ja ... Tut mir leid. Ich bessere mich?" 

„Ach Ronja, ich freue mich schon über einen kurzen Besuch." 

„Du bist zu süß. Und ich würde mich über meinen Café freuen." 

„Das war ja klar." 

Als wäre es ewig her, verfallen sie in ein befreiendes Lachen. 

„Ich danke dir mein liebster Joe." 

Dann endlich geht sie in den Park, um ihre gewohnte Runde dort durch spazieren zu können. Aber auch diese fällt kurz und ohne Pausen aus. 

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Sie kommt zu Hause an. Klatsch, es ist 11:58 Uhr. 

„Al?" 

Keine Antwort. 

„Al?" 

Weiterhin keine Reaktion. 

Sie befragt ihr Handy. Es ist eine Nachricht eingegangen. 


Alice: 
»Ich bin mit Nika unterwegs. 
Ein bisschen Spazieren, gehe 
noch zum Le Petit, später dann 
noch Einkaufen. Also alles gut.« 

Ronja: 
»Okay, gut. Wünsche dir/euch 
viel Spaß bei/mit Michel! 
Bis heut Abend.« 

Alice: 
»Ach so, Kaffeemaschine ist schon 
vorbereitet. Du musst nur auf Start 
drücken *Zwinkersmiley* « 

Ronja: 
»Du bist einfach die Beste!« 


Nun dann. Sie geht in die Küche, drückt auf Start und hört sogleich das wohlklingende Geräusch der geliebten Kaffeemaschine, die ihr wundersames Mittel zubereitet. Daraufhin öffnet sie die Terrassentür und lässt die frische Luft hinein, das tut ihr gut. 

Sie bereitet alles vor, wartet auf den Klang, welcher ihr signalisiert, dass der Café durchgelaufen ist und schnappt sich dann eine Tasse, die sie sich befüllt. 

Draußen auf der Terrasse, vor ihr die Staffelei stehend, atmet sie tief ein, sagt sich innerlich Ruhe dabei, atmet dann tief wieder aus und lässt dabei ihre Anspannung los. 

Sie streicht mit ihren Fingern über den Block. Schon länger konnte sie ihrer Leidenschaft nicht regelmäßig nachgehen. In dieser Handbewegung verweilt sie einige Sekunden, bevor sie sich den ersten Pinsel schnappt. 

Links oben in der Palette ist der dunkle Blauton, den sie nur minimal mit Wasser benetzt auf das raue Aquarellpapier im unteren Zweidrittel mittig aufträgt. 

Erst trägt sie die Farbe sanft und deckend auf, bis sie sie mit Zugabe von Wasser immer ausschweifender von der Mitte aus nach rechts und links streifen lässt. Dann wechselt sie den Pinsel und greift erneut zur Farbpalette. 

Ganz oben rechts befindet sich der honiggelbe Farbton, den sie nun mit Wasser vermischt und oben mittig auf das Papier tupft. Sie macht es ähnlich wie mit dem Blauton. Zunächst entsteht ein intensiverer oranger Fleck, den sie dann in alle Richtungen mit dem Pinsel seine Bahnen ziehen lässt. Sie weiß, dass sich ein wenig der gelborangen Farbe über die blaue ziehen wird, die bereits getrocknet ist. 

Das ist gut so, denkt sie sich. Das erfreut sie sogar, dass sie es so rum gemalt hat. 

Befreiter und losgelöster geht sie rein. Im Vorbeigehen startet sie ihren Computer, geht schnell ins Badezimmer, um die Pinsel auszuwaschen und sich für die Arbeit frisch zu machen. Daraufhin kehrt sie mit einer neu befüllten Tasse sowie einem Apfel zurück ins Wohnzimmer. 

Klick, ihr Handy sagt, dass es nun 13:25 Uhr ist. Perfektes Timing. Sie setzt sich an ihren Arbeitsplatz, öffnet ihre Programme und schnappt sich ihr Telefon. 

 ◦◦◦◦◦◦ 

Kurz nach 18 Uhr beendet sie die letzte heutige Telefonberatung und fährt den Computer herunter. Alice ist bisher noch nicht zurück. So beschließt sie, die restlichen Malutensilien wegzuräumen, die Staffelei hereinzuholen und sich auch noch weiter im Haushalt nützlich zu machen. 
Als sie gerade wieder hinaus auf die Terrasse will, hört sie, wie die Tür sich öffnet. 

„Brauchst du Hilfe?" 

„Ja wäre ganz lieb." 

Ronja nimmt ihr Nika ab und sogleich steigt ihr ein Geruch in die Nase, der ihr verrät, dass entweder Alice noch weiter an Verdauungsproblemen leidet oder Nika eine frische Windel benötigt. 

„Ich gehe dann mal Nika frisch machen." 

„Riecht schon so doll? Kein Wunder, dass die Leute mich eben im Laden so blöd angeschaut haben." 

„Ach, die sollen sich mal nicht so anstellen. Was sollst du denn machen?" 

„Ruh du dich doch mal kurz aus. Ich mach das schon." 

„Ich schaff das schon mit Nika." 

„So war das doch gar nicht gemeint, Ronnie." 

„Ich weiß ... Tut mir leid." 

„Ich weiß doch, dass du gearbeitet hast und ich sehe, dass du auch noch Haushalt erledigt hast. Deswegen sollst du dich wirklich mal kurz ausruhen können." 

„Aber Alice. Du machst auch den ganzen Tag was, ganz schön viel sogar. Gönn du dir doch mal lieber eine Verschnaufpause." 

Und dann dreht sich Ronja mit Nika Richtung Kinderzimmer. Nachdem sie fertig ist und mit ihr zu Mama Alice geht, finden sie sie schlafend auf dem Sofa vor. 

Am liebsten würde Ronja sich dazu legen. Sie ist heute auch total erledigt. Wieder in einem Alltag an zu gelangen mit Arbeit, Baby und die vielen privaten – na ja, heute nur zwei – Gespräche, haben sie heute schon etwas erschlagen. 

Stattdessen, weil sie keine besonders gute Köchin ist, bestellt sie bei dem Lieferservice, bei dem sie sich sicher sein kann, dass Alice das gerne isst. Bis das Essen ankommt, lässt sie sie einfach schlafen. Für Nika haben sie immer vorgesorgt. Milch steht abgepumpt im Kühlschrank. 

Daher verschwindet sie mit Nika ins Kinderzimmer, füttert sie und hofft darauf, nach dem Essen noch ein wenig Zweisamkeit mit Alice haben zu können. 

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