[1] 19|Montag
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„Ronnie, bist du fertig?"
Wie viel doch die letzten Monate geschehen ist ... So wunderschön und doch auch nervenaufreibend. So langsam kehrte wieder etwas Ruhe ein ...
Mittlerweile schläft das Kindchen nicht mehr in der Wiege im Schlafzimmer, sondern im eigenen Bettchen, zumindest nachts und Alice hopst dann nur noch zum Stillen mal auf und manchmal kommt sie dann leider nicht zurück, sondern schläft auf ihrem alten Sofa im Kinderzimmer wieder ein. Aber so ist es eben gerade.
Nun liegt schon wieder der nächste Punkt an. Immer noch erstaunt über ihre Al, wie gut sie die Schwangerschaft überstanden hat. Wenn sie doch mal überlegt, was für ein schwieriges Thema, das am Anfang war. Aber sie ist so überaus glücklich, dass sie es geschafft haben, zueinander finden konnten und wirklich eine Familie geworden sind und sie sogar doch noch Mutter werden durfte. Mutter dieses kleinen Wunderkindes, was nun bereits sieben Wochen alt ist.
All die Sorgen im Vorhinein, die sie sich gemacht hatte, waren unbegründet. So wie Alice sie ermutigt hatte, stimmt es auch. Natürlich hat sie die neuen Handkniffe schnell gelernt. Sie wollte ihrer Alice doch auch entlastend zur Seite stehen und ebenso Mutter für ihr Kind sein, welches sie direkt ins Herz schloss und innig liebt.
Es war ihr Neujahrsgeschenk, mit dem sie eigentlich schon ein paar Tage früher gerechnet hatten. Doch das Kleine wollte anscheinend erst im neuen Jahr begrüßt werden. Dabei hatte es Alice ganz schön lange geärgert, um tatsächlich erst nach 0 Uhr auf die Welt zu gelangen. Zu groß war jedoch die Freude über ihren Nachwuchs, als dass sie sich über das Ausfallen von Silvester ärgern konnten.
Und sie war mit dabei, bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Gemeinsam ... Zumindest gefühlt. Rechtlich ist es leider nicht so. Und auch nicht so leicht. Das fängt jetzt erst richtig an. Und sie hoffen beide darauf, dass sie es schaffen. Immerhin ... Was wäre, wenn ...
„Ronja?" Durch das Rufen von Alice wird sie aus ihren schwelgenden Gedanken herausgerissen und zuckt zusammen. Ach Mist, sie hatte eben schon gerufen oder nicht?, versucht Ronja sich zu konzentrieren.
„Ja ...?"
„Wo warst du denn gerade schon wieder?"
„Ach, hm so in Gedanken. Ist es schon so weit?", antwortet sie und grinst Alice verlegen an.
„Ja. Wenn wir unsere Verabredung mit Elmar einhalten wollen, dann sollten wir los."
„Okay, na dann."
„Ronnie, mach dir nicht so viele Gedanken. Wir bekommen das schon hin."
„Ja bestimmt. Hast recht."
Alice mit dem Wonneproppen vor sich geschnallt, zieht sie ihre Ronja zu sich und gibt ihr einen sanften Kuss als Zeichen der Bestärkung und haucht ihr ins Ohr, dass alles gut wird sowie sie beide doch die Mütter sind und der Staat das schon einsehen wird.
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Ronja mit Woody und Alice mit dem Baby im Tragegurt kommen sie am Hafen an. Ein kühler Wind weht und bringt eine angenehm klare sowie leicht salzige Brise mit.
„Al, hast du an die Wechselmütze gedacht?"
„Ja na klar. Mensch Ronnie, du bist echt ganz hibbelig."
„Ach quatsch."
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„Hallo Ronja. Hallo Alice."
„Hey Elmar."
„Hallo Elmar."
„Bist du okay, Ronja?"
„Ja klar. Wieso fragst du, Elmar?"
„Du bist zappelig, wie ich manchmal."
„Nur ein wenig nachdenklich. Schon okay. Wirklich."
„Wie geht es dir, Elmar?", hakt sich Alice ein, die im Unterton ein Schmunzeln nicht verbergen kann.
„Ungut."
„Wieso? Ist etwas passiert?"
„Ja."
„Was denn?"
„Keine Ahnung."
„Kannst du es gerade noch nicht äußern?", fragt Ronja besorgt nach, denn der niedergeschlagene Ton von Elmar war nicht überhörbar.
„Ja genau."
„Elmar, wenn du möchtest, kannst du mir das wieder per Mail schreiben, wenn das einfacher ist."
„Danke Ronja."
„Wirklich gerne. Wir sind für dich da."
„Danke. Bis Mittwoch ihr beiden."
„Bis Mittwoch, Elmar", antworten Ronja und Alice fast synchron.
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„Meinst du, es ist etwas Schlimmes?"
„Wenn er es als 'ungut' benennt und nicht laut aussprechen kann ... Ich denke, leider ja."
„Hoffen wir, dass wir ihm helfen können."
„Ja."
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Pünktlich kommen sie bei der Beratungsstelle an, wo Frau Winter sie herzlich begrüßt.
„Ah, wie ich sehe, entwickelt Nika sich prächtig. Wie schön. So, dann kommen Sie alle mit rein. Möchten Sie auch einen Tee? Ist ja doch noch recht kühl."
Sowohl Ronja als auch Alice nehmen es dankend an, setzen sich und auch Alice wird zunehmend nervöser, was Ronja durch die schnelleren Atemzüge bemerkt. Instinktiv legt Ronja ihre Hand auf Alice' Schenkel. Daraufhin wird die Atmung wieder etwas ruhiger.
„Wie geht es Ihnen denn allen? Und wie geht es der kleinen Nika?"
„Mit Nika ist alles super. Wir haben hier, glaube ich, einen richtigen Engel. Nur selten fängt sie an zu quengeln und auch das hält sich in Grenzen. Also da haben wir schon echt Glück mit unserem Schatz."
„Ja, da gebe ich dir ganz recht, obwohl ich auch mehrmals aufstehen würde für sie. Für mich ist sie eines der größten Geschenke dieser Welt. Und wenn ..." Ronja presst ihre Lippen zusammen, ... pustet einmal kräftig aus. „Tut mir leid, Frau Winter ..."
„Schon gut. Ich verstehe Sie, Frau Flemming. Wie ich sagte, ich bin an Ihrer Seite, an Ihrer beider Seite und nach meiner Erfahrung spricht nichts dagegen, außer vielleicht ein Punkt."
„Der da wäre?", fragt Alice unmittelbar.
„Na ja, wie soll ich es erklären? Also eigentlich darf ich es gar nicht so explizit erwähnen."
Offensichtlich fühlt sich Frau Winter gerade unangenehm in dieser Lage. Dann hört Ronja ein Geräusch auf dem Tisch vor ihr, darauffolgend ein Zischen von Alice sowie ein geflüstertes 'vier Jahre'. Langsam beginnt sie zu verstehen, worum es gerade geht. Zu lange hat sie sich mit den Bedingungen und all dem auseinandergesetzt. Mitunter ist dieser einer der Punkte, der ihr Unbehagen bereitet hatte.
„Al ..." Ronja streicht über Alice Rücken und richtet sich dann an Frau Winter.
„Frau Winter, ich denke, Sie haben da etwas missverstanden. Alice und ich leben seit knapp vier Jahren zusammen. Alice behielt ihre Wohnung nur, weil sie näher zu ihrer ehemaligen Arbeitsstelle war und weil wir es eben gut fanden, zwei Wohnungen zu haben. Nika ist in unsere gefestigte Beziehung hineingeboren. Ich wüsste demnach nicht, wo dieser Punkt nicht erfüllt wäre."
Ronja bemerkt die starren, auf sie gerichteten Augen von Alice, will sich davon jetzt aber nicht beirren lassen.
„Da haben Sie vollkommen recht, Frau Flemming. Dann sehe ich auch wirklich keinen Hinderungsgrund mehr."
Ronjas Hand verweilt noch immer auf Alice Rücken. Erst jetzt nimmt sie wahr, wie Alice bis eben angespannt war, sie lässt langsam locker und kann sich wieder entspannen.
„Ich hab noch eine Frage, Frau Winter."
„Ja klar."
„Wir geben Ihnen jetzt alle erforderlichen Unterlagen von Ronja, mir und Nika sowie die ausgefüllten Formulare. Also wir haben ja alles gemacht. Mit wem werden wir dann die weiteren Gespräche vom Jugendamt führen? Mit Ihnen oder mit der Adoptionsvermittlungsberatung?"
„Das wollte ich auch noch klären, ob ich den Fall übernehmen kann. Also entscheiden werde ich sowieso nichts. Aber da ich Sie beide eben kenne und unsere Abteilungen miteinander sehr eng verwoben sind, würde ich Sie beide gerne weiter begleiten. Wäre Ihnen das auch recht?"
„Mir auf jeden Fall. Wie ist es mit dir, Ronja?"
„Ja geht mir auch so."
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Auf dem Nachhauseweg macht sich Ronja auf eine ordentliche Standpauke bereit, die ihr Alice zu Hause um die Ohren pfeffern wird. Das habe ich auch verdient, denkt sie sich. Sie ist einfach nach vorne vorgeprescht. Dabei hat sie einfach die Chance wahrgenommen und genutzt. Vielleicht kann Alice das verstehen. Sie können immer noch einen Rückzieher dieser Aussage machen, was sie auf jeden Fall für Alice tun würde. Sie wollte lediglich diese Möglichkeit nicht verstreichen lassen. Das ist einer dieser Punkte, der ausgedehnt werden kann, zu ihren Gunsten. Denn wer kann schon wirklich aus der Ferne beurteilen, ob sie beide eine gefestigte Beziehung haben, nur weil sie nicht verheiratet oder verpartnert sind? Denn dann würde es ohne eine Mindestjahreszahl gehen. Wieso sollte so etwas an diesem Punkt festgemacht werden?
Zu Hause angekommen nimmt sie Woody nur sehr langsam das Geschirr ab, beeilt sich so gar nicht damit, ihm sein Futter und Trinken zu bringen, sich umzuziehen, um dann endlich hinaus auf die Terrasse zu Alice zu gehen.
Sie bleibt an der Tür stehen.
„Ronnie?"
„Al?"
„Wieso kommst du nicht her?"
„Hm ..."
„Hast du Angst?" Alice lacht ein wenig.
„Na ja. Ich bin ganz schön nach vorne ... Also ich meine, ich hab da einfach bei Frau Winter ..."
Plötzlich spürt sie Alice ganz nah bei sich stehen.
„Ich danke dir für deinen Mut."
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