| 4 | watch your back
one day they will come for us
like poison dripping in our blood
you better watch your back, you better watch your back
we're standing face to face with the hearts that turn to black
hearing footsteps in your sleep
all this darkness underneath
The shadows shadows shadows are haunting us
- Sam Tinnez
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- Nicolas -
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Ich saß auf meinem Thron und sah zu, wie die Königstocher von Soldat Orestes hinaus begleitet wurde. Widerwillig sah sie ihren auf den Boden verteilten Waffen nach, dann waren beide verschwunden. Das Zuschlagen der großen Tür hallte durch den gesamten Saal.
Langsam stand ich auf, ging durch den Raum zum Fenster und stützte meine Hände auf dem marmornen Fenstervorsprung ab. Ich sah nach draußen. Die Wolken am Himmel hatten sich verdunkelt. Nebel zog langsam auf und schwerer Regen kündigte sich an. Ich betrachtete die Spitzen der Dorfhäuser.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Cephas auch unser Königreich angriff. Bis er sich nicht nur mit den Köpfen meiner Eltern zufrieden gab, sondern auch meinen wollte.
Ich schloss die Augen und dachte an jene Nacht, in der sie gefallen waren. Als ich die Augen wieder öffnete brannten meine zu Fäusten geballten Hände. Vor all dem hätte ich nie gedacht, dass ich solch einen Zorn und Hass verspüren könnte. Ich konnte fühlen, wie der Hass mein Herz umschlung und fest zudrückte.
Mit einem Schlag wandte ich mich ab und das Feuer in meinen Handflächen erlosch augenblicklich. Waren die Fähigkeiten der Königstocher daran Schuld, dass ich plötzlich über meine Gefühle nachdachte?
Wütend verließ ich den Thronsaal und die Tür hinter mir schlug laut zu. Ein Wächter eilte herbei und verbeugte sich vor mir. Bevor er überhaupt das Sprechen beginnen konnte unterbrach ich ihn. "Stellt die Wachen wieder auf ihre normalen Posten. Die verdächtige Person ist gefasst. Patrouilliert weiter durch die Wälder und gebt mir Bescheid, sobald irgendetwas ungewöhnliches geschieht."
"Ja, geehrter König Nicolas Talesin Artemas von Cadwallader", antwortete der Mann in Uniform, verbeugte sich erneut und eilte dann davon.
Ohne Zögern machte ich mich auf den Weg zum Verließ. Ich ging die langen, dunklen Treppengänge hinab und passierte die Wachen, welche sich vor mir verbeugten. Ich zog den Schlüssel der Gefängniszellen aus einem Versteck meiner Rüstung hervor. Niemand außer mir besaß die Schlüssel. Ich vertraute niemandem, zumindest nicht in diesen Zeiten.
Ich schloss die Tür auf und betrat die geräumige Zelle. Sie war nicht so groß für das Vergnügen der Insassen, sondern damit man genügend Platz zum foltern hatte.
"Ist dir auch heute nicht zum Sprechen zumute?", fragte ich, legte den Kopf schief und betrachtete den an der Wand hängenden Spion, den wir gestern in den naheliegenden Wäldern gefangen hatten.
Das Blut seiner Wunden war mittlerweile getrocknet. Sein Gesicht war geschwollen und mit blauen und violetten Flecken übersät. Der Spion blickte regungslos auf den Boden.
Ich zog mir einen Stuhl heran, setzte mich, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme an meinem Hinterkopf. Für einige Sekunden überlegte ich, was ich heute mit ihm machen könnte. Mein Problem war, dass ich ihn auf keinen Fall töten durfte. Geduld und Am-Leben-Lassen waren nicht gerade meine Stärken.
Also streckte ich meine Hand nach vorne und setzte seine Beine in Brand. Urplötzlich schrie der Gefangene auf, strampelte und zappelte so viel, wie die Fesseln um seine Füße es zuließen.
Gelangweilt blickte ich ihn an. Wenn er doch nur sprechen würde, dann könnte er sein Leid beenden und endlich ins Reich der Toten wandern.
Ich wartete noch ein paar Sekunden, dann ließ ich das Feuer erlöschen, bevor es wichtige Organe erreichen konnte. Es stank nach verbranntem Fleisch. Der Mann weinte leise. Sein Kopf hing leblos herab.
Seufzend wandte ich mich ab und schritt im Raum hin und her. Konnte ich der Königstocher wirklich vertrauen? Konnte ich ihre Fähigkeiten für meine Zwecke benutzen? Ja, ihre Eltern waren von Cephas ermordet worden. Aber sicherte mir das ihre Loyalität? Nein. Ich durfte mir nie sicher sein.
Ich wägte das Risiko ab. Informationen von Cephas Spionen waren unglaublich wertvoll. Victorine könnte diese für einige Zwecke verwenden. Sie gegen Sanguis verwenden.
Doch ich würde mich auf die Gefahr einlassen müssen. Ich musste wissen, was Cephas plante. Und ihn anschließend davon abhalten, egal um welchen Preis.
Ich würde zuerst noch mit der Königstochter sprechen müssen und einige Dinge herausfinden. Vielleicht fand ich irgendetwas, womit ich sie unter Druck setzen konnte, falls das nötig werden sollte. Soweit ich wusste hatte sie Geschwister, die den Angriff auf Spero überlebt hatten.
Somit war mein Entschluss gefasst und ich ließ den Gefangenen hinter mir. Wenn er wirklich ein Spion von Cephas war, dann würde er niemals freiwillig sprechen, auch durch die schlimmste Folter nicht.
Es gab weitaus furchtbarere Dinge als den Tod. Im Moment seines Sprechens würde er wissen, dass es um seine Familie und alle, die er liebte, geschehen war. Nur solche wählte Cephas aus. Nur solche würde auch ich auswählen. Denn die, die nichts als ihr Leben zu verlieren hatten, waren gefährlich und unkontrollierbar.
Bis zur nachmittaglichen Besprechung dauerte es noch ein wenig, aber ich beschloss, mich schon einmal in den Besprechungsraum zu begeben und mir neue, mögliche Strategien zu überlegen.
Im leeren Raum angekommen setzte ich mich ans Ende des großen, länglichen Tisches und betrachtete einige Landkarten, welche ich vor mir ausgebreitet hatte. Ich zeichnete den Weg ein, den Tenebris' restliche Armee nach dem Angriff auf Spero zurückgelegt haben musste. Gestern, als wir in Spero während des Angriffes angekommen waren, haben wir es zwar geschafft einige dieser Bastarde umzulegen, aber die meisten konnten die Flucht ergreifen, nachdem das Königspaar gefallen war.
Vor zwei Jahren hatte ich versucht, mich mit Spero zu verbünden. Es war immer gut, mächtige Königreiche als Verbündete zu wissen. Aber König Almeric und Königin Vesperina wollten mit diesem Bündnis keinen Krieg gegen Tenebris anzetteln. Ich erinnerte mich, dass ihre jüngste Tochter zu diesem Zeitpunkt sechszehn Jahre alt gewesen war, Victorine um die achtzehn. Das Königspaar wollte nicht nur sein Dorf, sondern auch seine Kinder schützen. Wie lästig.
Ich hatte schon früh gelernt, dass Sanguis in diesem Kampf auf sich allein gestellt war. Niemand wollte sich gegen Cephas stellen. Bis auf mich und diese Königstocher, die vor wenigen Stunden aufgetaucht war...
Pünktlich zum Glockenschlag traten zwei Berater, die Obersoldatin und Orestes ein. Gleichgültig betrachtete ich, wie sie sich verbeugten und Victorine hinter ihnen möglichst unauffällig den Raum betrat. Ich musste herausfinden, was Victorines Ziele waren. Was ich am besten als Druckmittel verwenden konnte. Wie weit sie wirklich gehen würde, um Cephas aufzuhalten.
Somit begannen wir die Besprechung. Ich war vorsichtig damit, Informationen und Stategien anzusprechen. Ich durfte Victorine nicht alles hören lassen, aber auch nicht hinfort schicken. Das würde ihre Neugier wecken und sie zu Eigenforschungen treiben können. Spione gab es überall und ich brauchte sie nicht auch noch in meinen eigenen vier Wänden.
Dementsprechend war alles schnell besprochen und geplant. Ich würde Orestes wohl für nächstes Mal befehlen müssen, Victorine im Zimmer einzusperren. Ich machte eine wegscheuchende Handbewegung und alle verließen augenblicklich den Raum, bis auf diese zwei, welchen ich das Hierbleiben befahl.
Die Tür fiel zu und ich bedeutete Victorine, Platz zu nehmen, welche bisher schweigend am Fenster gelehnt hatte. Orestes und sie warfen sich einen hasserfüllten Blick zu, dann ruhten beide Augenpaare auf mir.
"Victorine, Ihr nanntet mir bisher noch nicht die Bedingung, die Ihr für Eure Unterstützung erwartet."
Ernst und mit leicht zu Schlitzen gezogenen Augen betrachtete sie mich. "Ich will diejenige sein, die Cephas zur Strecke bringt."
Niemals. "Natürlich", bestätigte ich lächelnd. Ich wusste, dass mein Geist alles andere als leicht zu lesen war. Trotzdem beobachtete ich jeden ihrer Gesichtszüge genau, um auch nur die kleinste Veränderung feststellen zu können.
"Ist es nicht ziemlich egoistisch Euer geschwächtes Königreich und Eure trauernden Geschwister nur für diesen Rachegedanken zurückzulassen?", hakte ich misstrauisch nach.
"Ja, das ist es wohl", stimmte sie mir grimmig, aber mit stolzer Körperhaltung zu. Irgendetwas stimmte da nicht. Sie verheimlichte mir etwas.
"Orestes, kämpf gegen sie", forderte ich und lehnte mich im Stuhl zurück. "Ich muss sehen, ob sie uns außerhalb der Schlossmauern begleiten kann."
"Selbstverständlich, König Nicolas", sagte der Soldat und erhob sich. Er zog sein Schwert und reichte Victorine ein weiteres, während sie unbeeindruckt aufstand und es entgegen nahm.
"Gegen dich kümmerliche Frau gewinne ich doch alle Mal", prahlte der kräftige Mann und wandte seiner Gegnerin den Rücken zu, um zum anderen Ende des Raumes zu stolzieren.
Er sah nicht, wie zuerst ein entzürnter Ausdruck über das Gesicht der Königstocher schoss und sie dann aber böse zu grinsen begann. Orestes hatte einen großen Fehler begannen. Er unterschätzte sie. Das hätte ich von Anfang an nicht getan.
Dementsprechend langweilig war der Kampf also. Die meiste Zeit sah ich aus dem Fenster, während Orestes von Victorines Kampfkünsten überrascht wurde, sich daraufhin die beste Mühe gab, aber trotzdem nicht gewinnen konnte.
Ein Klirren hallte durch den Raum als der Soldat entwaffnet wurde und sein Schwert einige Meter weit über den Boden rutschte.
"Ihr habt Eure Fähigkeiten eingesetzt!", beschuldigte er die Königstocher, welche daraufhin zornig ihr Schwert auf seine Nasenspitze richtete. "Selbst wenn, dann hätte ich wohl nur Leere in deinem kümmerlichen Hohlkopf gefunden."
Ich stand auf und hob Orestes' Schwert vom Boden auf.
"Hättet Ihr etwas gegen eine weitere Partie einzuwenden, königliche Hoheit Victorine?", fragte ich auf sie zuschreitend, den Schwertgriff in meiner Handfläche drehend.
Sie blickte mich an und analysierte jede meiner Körperbewegungen. "Nein, König Nicolas", brummte sie dann zwischen zusammengebissenen Zähnen. Alles an ihr schien angespannt zu sein. Sie unterschätzte ihre Gegner wohl ebenso wenig wie ich.
Langsam zog ich die metallerne Schutzrüstung von meinen Armen und meinem Oberkörper. Gleiche Bedingungen für alle.
Ich war fast jeden Tag meines Lebens zum kämpfen trainiert worden, seit ich mich erinnern konnte. Es war mir ein Leichtes, jeden meiner Gegner im Bruchteil weniger Sekunden zu analysieren und zu studieren.
Als wir uns in Kampfstellung begaben bemerkte ich jede Richtung, die ihre Augen kurz begutachteten, die Schrittstellung ihrer Füße, den angespannten Kiefer und die zusammengebissenen Zähne.
Sie begann mit dem ersten Zug und wie erwartet machte sie einen Schritt nach rechts und zielte auf meinen rechten Arm, um sich einen entscheidenen Vorteil zu schaffen. Ich parierte mit solcher Heftigkeit, dass ihr Schwert in der Hand zitterte. Meine Klinge wechselte in die linke Hand und landete im Zeitraum der Millisekunde, in der sie ihre Hand und den Schwertgriff in Gleichgewicht brachte, einen gezielten Schnitt auf ihrer Wange.
"Ich mache keine Unterschiede zwischen Geschlechtern. Ich behandle eine Frau wie einen Mann", sagte ich ruhig.
Victorine sah mich an und schneller als erwartet holte sie aus, sodass ich einen Schritt zurücktrat. "Das ist gut", brachte sie mit Zorn in den Augen und einem Grinsen auf den Lippen hervor. Der Schnitt in ihrem Gesicht blutete heftig, obwohl er nicht tiefer als einen halben Zentimeter sein konnte. "Ich behandle einen Mann nämlich genauso wie eine Frau."
Unsere Schwerter klirrten aneinander. Der Kampf amüsierte mich, weshalb ich ihn noch ein wenig in die Länge zog. Victorine kam ins Schwitzen und hatte Schwierigkeiten damit, meine schnellen Hiebe zu parieren. Für sie gab es weder Zeit, einen eigenen Angriff zu starten als darauf zu achten, dass ich sie immer weiter zurückdrängte.
Bald schon stieß sie mit dem Rücken gegen die Wand. Ich erkannte in ihren Augen, dass sie mich zu schubsen plante, um sich an mir vorbei zu winden. Schnell trat ich zur Seite, sodass sie ins Leere griff.
Ich nutzte ihr Erstaunen, um ihr das Schwert aus der Hand zu schlagen. Das Klirren hallte durch den Raum, während Vicorine der davonrutschenden Waffe hinter starrte.
Genug des Spaßes.
Ich hielt die scharfe Klinge gegen ihren Hals, wo ich mehrmals heftige Schluckbewegungen erkennen konnte. "Und da Ihr nun verloren habt, müsst Ihr Euch besonders viel Mühe bei der nächsten Aufgabe geben", meinte ich ernst.
Ihre wütenden, zornigen Augen fixierten mich. Auf ihrem Gesicht lag ein misstrauischer Ausdruck. "Welcher?"
"Dafür müssen wir in den Keller", antwortete ich knapp, drehte mich um und zog mir meine Rüstung wieder an. "Orestes, du begleitest uns", forderte ich.
Die beiden folgten mir auf dem Weg ins Verließ. Mittlerweile dämmerte es draußen. Die Kerzen im Gang waren alleamt angezündet und spendeten Licht, in der Zelle des Spions war es allerdings stockdunkel.
Ich schloss auf und wir drei betraten den eisigen Raum. Die an der Wand hängende Silhouette verschmolz mit der Dunkelheit und war nur mit Mühe zu erkennen.
Ich bedeutete Orestes, die Kerzen anzuzünden. Beim Anblick des Feuers begann die Silhouette schwach zu wimmern. Das Gesicht und der Körper des Mannes wurden in bedrohlich wirkendes Licht getaucht. Schatten huschten über die kalten Steinwände.
"Lest seinen Geist", befahl ich der Königstocher, welche auf die verbrannten, absterbenden Beine des Gefangenen starrte.
Sie betrachtete den Mann von oben bis unten, abschätzend und ausdruckslos. Oder sie zeigte keine Emotionen nach außen hin. Misstrauen durchfuhr all meine Glieder. Sie hatte tausend Möglichkeiten, mich zu verraten und die Informationen gegen mich zu benutzen. Vielleicht war sie ja auch ein liebevoller Mensch und erkannte sein Leid, sah seine Familie in seinen Augen und wollte sie nicht ins Verderben stürzen.
Victorine rollte die Schultern zurück und trat auf den Gefangenen zu. Ich folgte ihr, damit ich jede Veränderung ihres Gesichtsausdrucks analysieren konnte.
Sie betrachtete den wimmernden Mann, dessen Kopf nach unten hing. Musste sie seine Augen sehen? Wie funktionierte das alles überhaupt?
Ich sah zu, wie Victorine langsam einige Schritte näher trat. Zögerlich hob sie ihre Hand und legte sie dem Gefangenen an die Wange. Kurz zuckte er zusammen, dann war er wieder regungslos. Vorsichtig fuhr sie mit dem Daumen über eines seiner Augenlider und schob es sanft zurück, sodass sich das Auge öffnete.
Dann erstarrte sie für ein paar Sekunden, erschien völlig weggetreten, nicht mehr in dieser Welt. Plötzlich schreckte sie zurück und zog ihre Hand hinfort, als hätte sie sich soeben verbrannt.
"Ich habe, was wir brauchen. Nun lasst ihn gehen", sprach sie.
"Ich werde ihn nicht gehen lassen. Er hat das Glück, jetzt in Ruhe und Frieden sterben zu können", widersprach ich gereizt.
"Er wird seine Familie retten und aus dem Land verschwinden. Vertraut mir."
Ihr vertrauen?
Tief atmete ich durch. Was erlaubte sie sich? Ich war der König hier. Sie sollte auf dem Boden knien und um ihr Leben betteln, mir danken, dass ich sie nicht schon längst für ihr Eindringen in mein Königreich hingerichtet habe. Es war mir egal, was sie über den Gefangenen zu wissen glaubte.
Ich verließ die Zelle. Die anderen folgten mir und ich schloss sorgfältig wieder ab. Dann ging ich ein paar Schritte vorwärts. "Was habt Ihr herausgefunden?", fragte ich schließlich etwas beherrschter.
"Cephas braucht etwas", offenbarte Victorine mit bedeckter Stimme.
"Was ist es?"
Victorine sah mich mit einer steinernen, ausdruckslosen Miene an.
"Ich werde es Euch nicht verraten."
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